Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückwirkung für steuerrechtliche Gestaltungserklärungen (hier: Erklärung der Betriebsaufgabe); Auslegung von Erklärungen
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3; BGB § 133
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Beschwerdebegründung entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend "dargelegt". In der Beschwerdebegründung ist schlüssig und substantiiert darzutun, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig erscheint. Dies erfordert ein konkretes Eingehen auf die Rechtsfrage und eine Auseinandersetzung mit den zu dieser Frage in der Rechtsprechung, im Schrifttum und in der ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinung vertretenen Auffassungen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 6. Dezember 1995 II B 87/95, BFH/NV 1996, 555; vom 2. Oktober 1996 VIII B 101/95, BFH/NV 1997, 354).
a) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der BFH hat wiederholt entschieden, daß steuerrechtliche Gestaltungserklärungen wie die Betriebsaufgabeerklärung nicht mit rückwirkender Kraft abgegeben werden können (vgl. BFH-Urteile vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260; vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36; Beschluß vom 11. September 1996 IV B 16/96, BFH/NV 1997, 219). Ebenso hat der BFH mehrfach entschieden, daß bei der Mitteilung eines Steuerpflichtigen, er habe seinen Betrieb zu einem früheren Zeitpunkt aufgegeben, im Wege der Auslegung zu ermitteln ist, ob sich der Steuerpflichtige auf die Äußerung einer Rechtsansicht beschränken, oder ob er zugleich eine rechtsgestaltende Erklärung für den Fall abgeben wollte, daß sich der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) seiner Rechtsansicht nicht anschließen würde (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260; vom 13. September 1990 IV R 60/90, BFH/NV 1991, 297; vom 25. Januar 1996 IV R 19/94, BFH/NV 1996, 600, und in BFH/NV 1997, 219).
b) Zur von der Klägerin für bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage, "ob eine Aufgabeerklärung wegen Irrtums gemäß § 119 BGB angefochten werden kann", fehlt es an einer konkreten Erörterung dieser Frage und einer Auseinandersetzung mit den dazu in der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 11. Januar 1967 I 78/65, BFHE 87, 529, BStBl III 1967, 208; vom 9. April 1975 I R 55/73, BFHE 115, 377, BStBl II 1975, 616) und im Schrifttum (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 16 Rz. 711; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, § 16 Rz. 229 ff., § 15 Rz. 112; Lademann/Söffing, Einkommensteuergesetz, § 16 Anm. 150; Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnr. F 61) vertretenen Auffassungen. Der ohne eigene Stellungnahme der Klägerin gegebene Hinweis auf einen Fachkommentar wie auch der Hinweis auf einen vom BFH wegen Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift abweichend entschiedenen Sachverhalt genügt der erforderlichen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Oktober 1996 III B 100/95, BFH/NV 1997, 356; vom 16. Oktober 1996 II B 45/96, BFH/NV 1997, 358).
Selbst wenn die Frage, ob eine Aufgabeerklärung nach § 119 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angefochten werden könnte, grundsätzliche Bedeutung hätte, fehlte es im Streitfall schon an deren Entscheidungserheblichkeit, denn das Finanzgericht (FG) geht in seinem Urteil davon aus, daß die Klägerin erst später ―weil der Sohn doch den Betrieb übernahm― die Betriebsaufgabe nicht mehr für sinnvoll hielt. An diese tatsächliche Würdigung, die einen Erklärungsirrtum ausschließt, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Die Klägerin hat die Abweichung des Urteils des FG von einer Entscheidung des BFH nicht hinreichend "bezeichnet". Hierzu ist darzutun, daß das FG seiner Entscheidung ―zumindest konkludent― einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem tragenden abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH abweicht. In der Beschwerdebegründung müssen die abstrakten Rechtssätze des FG-Urteils und die divergierende Entscheidung des BFH so herausgearbeitet und einander gegenübergestellt werden, daß die Abweichung erkennbar wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. August 1995 I B 62/95, BFH/NV 1996, 226; vom 16. September 1996 VIII B 135-136/95, BFH/NV 1997, 298; vom 1. Oktober 1997 X B 89/96, BFH/NV 1998, 473). Daran fehlt es vorliegend.
Die Klägerin macht zwar geltend, das FG sei von dem BFH-Urteil in BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260 abgewichen. Dem Vorbringen kann indes bereits nicht entnommen werden, welchen abstrakten Rechtssatz das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, der mit der angeführten Rechtsprechung des BFH nicht übereinstimmt; dies um so mehr, als die Klägerin die Abweichung aus der mit der eigenen Sachverhaltswürdigung nicht übereinstimmenden FG-Auffassung ableitet. Entsprechend fehlt es auch an der erforderlichen, die Abweichung des FG erkennbar machenden Gegenüberstellung.
3. Wird mit einem behaupteten Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten, der als solcher nicht zwingend ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 1996 II B 108/96, BFH/NV 1997, 499; vom 9. Juli 1997 V B 5/97, BFH/NV 1998, 45, 46), geltend gemacht, das FG habe seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (Verstoß gegen § 96 FGO), müssen nicht nur die Aktenteile, die das FG nach Ansicht der Klägerin nicht berücksichtigt hat, genau bezeichnet werden, sondern es muß außerdem dargelegt werden, welche Schlußfolgerungen sich dem FG ―ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung― nach Ansicht der Klägerin aufgrund dieser Tatsachen hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246; vom 7. Oktober 1996 VIII B 138/95, BFH/NV 1997, 412; vom 29. Oktober 1997 II B 119/96, BFH/NV 1998, 597; vom 4. Dezember 1997 VIII B 18/97, BFH/NV 1998, 859). Entsprechende Ausführungen dazu fehlen; damit, daß die Aktenlage die vom FG vorgenommene Auslegung und Schlußfolgerung "nicht hergibt", wird kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO bezeichnet.
4. Soweit die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde im einzelnen und insgesamt die ihrer Ansicht nach unzutreffende Sachverhaltswürdigung bzw. -auslegung und fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG rügt, wendet sie sich letztlich gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils; damit wird aber kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargetan.
5. Im übrigen ergeht der Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen