Entscheidungsstichwort (Thema)
Instanzielle Unzuständigkeit des BFH; keine Aussetzung der Vollziehung nach Eintritt der Bestandskraft
Leitsatz (NV)
- Der BFH ist für die Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung instanziell nicht zuständig. Er verweist die Sache auch dann von Amts wegen an das zuständige FG, wenn der Antragsteller eine Entscheidung durch den BFH begehrt.
- Eine Aussetzung der Vollziehung ist nicht mehr nach Eintritt der Bestandskraft eines Bescheides zu gewähren.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, § 70 S. 1; GVG § 17a Abs. 2 S. 1; FGO § 69 Abs. 3, § 114 Abs. 2; GVG § 17b Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) erhoben, als deren Gegenstand er die Herstellung der verfassungsmäßigen Ordnung und Ungültigerklärung eines Bescheides der Verwaltung erklärt hat. Er hat im Rahmen des Klageverfahrens vorgetragen, dass die Familienkasse eine Kindergeldfestsetzung aufgehoben habe und gezahltes Kindergeld zurückfordere. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit Urteil vom 11. Juli 2003 II 99/03 abgewiesen. Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen … anhängig ist. Er hat gleichzeitig einen Antrag auf einstweilige Regelung der Zahlung von Kindergeld und einen Eilantrag zur Abwehr der Vollstreckung einer Rückzahlung von Kindergeld gestellt.
Mit Schreiben vom 27. August 2003 hat die Vorsitzende des VIII. Senats des BFH den Kläger darauf hingewiesen, dass für den Erlass einstweiliger Anordnungen das Gericht der Hauptsache zuständig sei, dies das Gericht des ersten Rechtszugs sei und der Senat beabsichtige, die Sache an das zuständige Gericht der Hauptsache zu verweisen.
Der Kläger hat darauf erwidert, er bitte um eine Entscheidung durch den BFH. Er hat ferner gebeten, seinen Antrag zur Abwehr der Vollstreckung einer Rückzahlung von Kindergeld als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) zu verstehen. Für diesen Antrag sei nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde der BFH als Gericht der Hauptsache zuständig; wegen der Eilbedürftigkeit werde gebeten, gemäß § 69 Abs. 3 Satz 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
1. Der BFH ist für die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung der Zahlung von Kindergeld instanziell nicht zuständig, weil er nicht das Gericht der Hauptsache i.S. des § 114 Abs. 2 FGO ist. Er ist daher verpflichtet, das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 70 Satz 1 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) von Amts wegen an das zuständige FG als das Gericht der Hauptsache i.S. des § 114 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO zu verweisen (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 2000 VII S 18/99, BFH/NV 2000, 600; vom 13. Juni 2000 VII S 14/00, juris). Das FG ist als das Gericht des ersten Rechtszuges für den Erlass der einstweiligen Anordnung auch dann zuständig, wenn sich die Hauptsache wie im Streitfall bereits im Beschwerdeverfahren befindet (vgl. BFH-Beschluss vom 4. September 1997 VII S 18/97, BFH/NV 1998, 590). Dass der Kläger nach der Gewährung rechtlichen Gehörs ausdrücklich eine Entscheidung durch den BFH begehrt hat, steht der Verpflichtung zur Verweisung an das FG nicht entgegen (vgl. dazu BTDrucks 11/7030, S. 37).
Das FG wird entsprechend § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 70 FGO auch über die durch die Anrufung des BFH entstandenen Kosten mitzuentscheiden haben (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1998, 590, und in BFH/NV 2000, 600).
2. Der Antrag zur Abwehr der Vollstreckung einer Rückzahlung von Kindergeld, der nach dem Begehren des Klägers in seinem Schriftsatz vom 7. Oktober 2003 als Antrag auf AdV verstanden werden soll, hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine AdV gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 FGO liegen nicht vor, weil diese Vorschrift sich nur auf angefochtene und nicht auf bereits bestandskräftige Bescheide bezieht. Im Streitfall hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt, dass der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 17. Januar 2003 noch nicht bestandskräftig geworden ist. Das FG hat mit Beschluss vom 7. April 2003 den Antrag des Klägers auf AdV des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides vom 17. Januar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2003 mit der Begründung abgelehnt, dass von einer Bestandskraft dieses Verwaltungsaktes auszugehen sei. Es hat die Klage des Klägers in dem Verfahren II 99/03, die nicht gegen die Familienkasse, die den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid erlassen hat, sondern gegen die Bundesrepublik, vertreten durch die Ministerin der Justiz, gerichtet ist, mit Urteil vom 11. Juli 2003 abgewiesen. Der Kläger hat weder im vorliegenden Verfahren noch in dem Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision Umstände vorgetragen, die bei summarischer Prüfung dafür sprechen könnten, dass der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 17. Januar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2003 noch nicht bestandskräftig geworden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1067316 |
BFH/NV 2004, 81 |
DStRE 2004, 53 |