Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Revision
Leitsatz (NV)
Ergibt das Vorbringen des Revisionsklägers keine Anhaltspunkte, aus denen sich der Wert des Streitgegenstandes bestimmen läßt, so ist in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtkostengesetzes (GKG) grundsätzlich ein Streitwert von 4 000 DM zugrunde zu legen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5 S. 1; GKG § 13 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte trotz der Aufforderung durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) für den Veranlagungszeitraum 1978 keine Einkommensteuererklärung abgegeben. Das FA hat daraufhin die Besteuerungsgrundlagen geschätzt. Seinen Einspruch gegen den dementsprechenden Einkommensteuerbescheid (Einkommensteuer 1978: 17 912 DM) hat der Kläger nicht näher begründet. Der Einspruch blieb erfolglos. Auf den Einspruchsbescheid vom 2. Oktober 1981 ging beim FA am 6. November 1981 ein Schreiben des Klägers mit folgendem Text ein: ,,Gegen den o. g. Bescheid (ergänze: Einspruchsbescheid in der Einkommensteuersache 1978 vom 2. Oktober . . .) erhebe ich hiermit Einspruch. Falls eine außergerichtliche Einigung hier vom Finanzamt . . . nicht akzeptiert wird, erhebe ich Klage beim Finanzgericht H. . . . A. Gegebenenfalls bitte ich um Weiterleitung an v. g. Gericht . . .".
Das FA hat dieses Schreiben dem Finanzgericht (FG) zugeleitet. Der Kläger ist auf richterliche Anordnung vom 3. Dezember 1981 darauf hingewiesen worden, daß eine bedingte Klageerhebung unzulässig sei. Dem Kläger ist zugleich anheimgestellt worden, bis zum 15. Dezember 1981 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu stellen. Dies ist nicht geschehen.Zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG ist der Kläger nicht erschienen. Das FG wies die Klage als unzulässig ab, weil sie nicht unbedingt erhoben worden sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme schon deshalb nicht in Betracht, weil eine unbedingte Klageerhebung - trotz Hinweises durch das Gericht - nicht nachgeholt worden sei und nach Ablauf der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch nicht mehr nachgeholt werden könne. Ein Telegramm des Klägers mit dem Text: ,,Wegen Krankheit Erscheinen unmöglich" sei beim Senat erst nach Verkündung des Urteils eingegangen und habe deshalb nicht mehr berücksichtigt werden können.
Mit seiner Revision stellt sich der nunmehr i. S. von Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I, 1861, BStBl I, 932) i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 4. August 1980 (BGBl I, 1147, BStBl I, 462) vertretene Kläger auf den Standpunkt, daß die Entscheidung des FG § 55 FGO verletze. Das FA habe insofern im Einspruchsbescheid keine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung erteilt, als es auf die Bedingungsfeindlichkeit der Klage bzw. auf die Rechtsfolge nicht hingewiesen habe, wenn die Klage an eine Bedingung geknüpft werde. Dies sei vor allem für steuerliche Laien von Bedeutung. Infolge der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung und des Umstandes, daß der Kläger seinen unbedingten Willen zur Klageerhebung dokumentiert habe, hätte das Gericht in die Sachprüfung eintreten müssen. Eine Versäumung der Klagefrist komme wegen § 55 Abs. 2 FGO nicht in Betracht.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.
Der Antrag des Klägers könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Wert des Streitgegenstandes die Grenze von 10 000 DM nicht übersteige (§ 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 BFHEntlG). Unabhängig davon sei die Revision aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig (§ 124 FGO).
Gemäß § 115 Abs. 1 1. Alternative FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 Satz 1 BFHEntlG findet die Revision ohne Zulassung nur statt, wenn der Wert des Streitgegenstandes 10 000 DM übersteigt. Ob dies der Fall ist, prüft der Bundesfinanzhof (BFH) von Amts wegen. Nach §§ 3 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO), die für die Berechnung des Streitgegenstandes i. S. von Art. 1 Nr. 5 Satz 1 BFHEntlG heranzuziehen sind (§ 155 FGO, vgl. BFH-Urteile vom 9. November 1983 II R 157/81, BFHE 139, 357, BStBl II 1984, 204 m.w.N. und vom 8. März 1977 VII R 3/76, BFHE 122, 8, BStBl II 1977, 614), ist der Streitwert von dem Gericht nach freiem Ermessen zu bestimmen. Bei der Einkommensteuer ist dies grundsätzlich der Betrag, um den im Verfahren unmittelbar gestritten wird (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1967 VI R 216/66, BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291). Entscheidend ist, was der Beteiligte mit der Revision für sich anstrebt (vgl. BFH-Beschluß vom 1. August 1969 III R 110/66, BFHE 96, 342, BStBl II 1969, 626). Ist ein ziffernmäßiger Antrag nicht gestellt, so ist aus dem gesamten Vorbringen des Rechtsmittelführers der Gegenstandswert zu ermitteln (BFH-Beschluß vom 6. August 1971 III B 4/71, BFHE 103, 303, BStBl II 1972, 89). Ergibt auch das Vorbringen des Rechtsmittelführers im einzelnen keine Anhaltspunkte, aus denen sich der Wert des Streitgegenstandes bestimmen läßt, so wird in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) grundsätzlich ein Streitwert von 4 000 DM zugrunde gelegt.
In der Streitsache ist als Wert des Streitgegenstandes der Regelstreitwert nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG zugrunde zu legen. Dieser reicht für die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 1 Nr. 5 Satz 1 BFHEntlG nicht aus. Das Interesse des Klägers läßt sich aus seinem Revisionsbegehren nicht ziffernmäßig in DM ableiten. Da der Kläger auch im Verfahren vor dem FG nicht erkennen ließ, welche materiellen Ziele er im Wege des gerichtlichen Rechtsschutzverfahrens verfolgt, ist es dem Senat nicht möglich, den Wert des Streitgegenstandes individuell zu bestimmen. Bei einer Steuerfestsetzung in Höhe von 17 912 DM ist die Annahme eines Streitwerts in Höhe von 4 000 DM nicht zu gering. Dabei ist berücksichtigt, daß das FA die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit einem Lohnzettel entnommen hat und beim Ansatz der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ein Spielraum nach unten nur hinsichtlich des Werbungskostenabzugs in Betracht kommen könnte.
Nicht entscheidungserheblich ist, ob der Prozeßbevollmächtigte im Lauf des Revisionsverfahrens sein Mandat niedergelegt hat oder nicht. Der Prozeßbevollmächtigte ist auch bei Kündigung der Vollmacht oder Mandatsniederlegung befugt geblieben, Zustellungen - auch die Zustellung dieser Entscheidung - in Empfang zu nehmen. Dies schreibt bis zur Anzeige der Bestellung einer anderen zur Prozeßvertretung befugten Person die über § 155 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Vorschrift des § 87 ZPO vor (vgl. dazu mit weiterem Nachweis BFH-Urteil vom 24. Oktober 1978 VII R 17/77, BFHE 126, 506, BStBl II 1979, 265; weitergehend Urteil vom 13. Januar 1977 V R 87/76, BFHE 121, 20, BStBl II 1977, 238; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29. November 1978 V 245/75, Entscheidungen der Finanzgerichte 1979, 296; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr. 6340).
Fundstellen
Haufe-Index 414254 |
BFH/NV 1986, 295 |