Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortführung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs durch den Rechtsnachfolger
Leitsatz (NV)
1. Eine ausdrücklich erklärte Aufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes durch den Erblasser ist wirkungslos, wenn dieser und danach sein Rechtsnachfolger den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb weiterhin selbst bewirtschaftet haben.
2. Die Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen an mehrere Landwirte führt nicht zwangsläufig zu einer Betriebszerschlagung; zur Annahme der Betriebsfortführung genügt es, daß die maßgeblichen Grundlagen des Betriebs in Gestalt des Grund und Bodens, der Wirtschaftsgebäude und der Hofstelle verpachtet sind, auch wenn das lebende und tote Inventar veräußert wird.
Normenkette
EStG §§ 14, 16 Abs. 3
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) übernahm nach dem Tode seines Vaters am 21. April 1966 den elterlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb als Alleineigentümer. Der Betrieb hatte eine Größe von ca. 14,5 ha. Seit dem Jahre 1970 hat der Antragsteller eine größere Grünfläche von 6,25 ha und drei kleinere Randparzellen an Nachbarlandwirte (insgesamt 8,75 ha) verpachtet. Die restliche Fläche des Betriebs, bestehend aus Waldflächen, Wiesen und Weiden sowie Hofraum, nutzte der Antragsteller selbst.
Durch Vertrag vom 4. Oktober 1984 veräußerte der Antragsteller sämtliche Nutzflächen des Betriebs für . . . DM. Er behielt lediglich die Hofstelle, in der er auch heute noch wohnt, und eine Hofwiese zurück. In einem nicht datierten Schreiben, das am 1. August 1986 beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) einging, erläuterte der Antragsteller, wie es zur Veräußerung gekommen war:
,,Ich mußte schon mit 22 Jahren durch den plötzlichen Tod meines Vaters den Hof übernehmen. Da meine Mutter viel krank war und ich allein mit dem Vieh, habe ich mich entschlossen, alles aufzugeben. Durch eine Umschulung glaubte ich, eine gute Stelle zu kriegen und gute Einnahmen zu haben. Nach der Umschulung kriegte ich jedoch keine Stelle. Für Lebensunterhalt und Umbau an Haus und Stall habe ich mich dann erheblich mit den Jahren verschuldet. Durch daß ich keine Einnahmen hatte, wurden die Schulden immer größer. Das plagte mich mit so großer Sorge, daß aus meiner Überlegung nur noch der Verkauf übrigblieb."
Im Rahmen einer im Jahre 1987 durchgeführten Betriebsprüfung wurde ein - der Höhe nach unstrittiger - Aufgabegewinn in Höhe von . . . DM ermittelt.
Das FA setzte die Einkommensteuer 1984 dementsprechend auf . . . DM fest.
Seinen Einspruch begründete der Antragsteller damit, sein Vater habe bereits im Jahre 1966 sämtliche land- und forstwirtschaftlichen Flächen in sein Privatvermögen überführt. Die Aufgabeerklärung sei gegenüber dem FA im Jahre 1966 abgegeben worden. Darüber hinaus habe er selbst spätestens in den Jahren 1970/71 durch schlüssiges Verhalten, nämlich durch den Verkauf der landwirtschaftlichen Geräte (Schlepper, Pflug, Anhänger usw.) und den Abschluß der Pachtverträge, den Betrieb aufgegeben. Im Fall einer parzellenweisen Verpachtung sei grundsätzlich von einer Betriebsaufgabe auszugehen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA führte u. a. aus, auf eine vom Vater des Antragstellers möglicherweise abgegebene Aufgabeerklärung komme es nicht an, weil der Betrieb auch nach dem Tod weiterhin als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens weiterexistiert habe. Die Verpachtung von Teilflächen durch den Antragsteller stelle keine Betriebsaufgabe dar (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260). Im Streitfall seien anläßlich der Verpachtung die wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht so umgestaltet worden, daß sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden könnten. Insbesondere sei die Veräußerung der Landmaschinen ohne Bedeutung. Der Kläger habe zudem eine Betriebsaufgabeerklärung nicht abgegeben.
Dagegen richtet sich die Klage, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Zur Begründung hat der Antragsteller u. a. vorgetragen: Er selbst könne als Beteiligter im gerichtlichen Verfahren vernommen werden und bestätigen, daß sein Vater Anfang des Jahres 1966 dem FA gegenüber eine schriftliche Aufgabeerklärung abgegeben habe. Nach dem Tod des Vaters habe er den landwirtschaftlichen Betrieb nicht weitergeführt, sondern aufgegeben. Er habe im Laufe der Jahre von 1966 an insbesondere zunächst den Viehbestand veräußert. Es liege ein Bescheid der Alterskasse der . . . Landwirtschaft vom 8. Juni 1971 vor, in dem festgehalten sei, daß die Eintragung im Mitgliederverzeichnis der Alterskasse ab 1. März 1970 gelöscht worden sei, weil er das landwirtschaftliche Anwesen veräußert habe. In den Jahren 1970/71 habe er dann sämtliche landwirtschaftlichen Geräte verkauft und Pachtverträge über die vorhandenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen mit verschiedenen - namentlich als Zeugen benannten - Landwirten abgeschlossen. Entgegen der Auffassung des FA bedürfe es einer ausdrücklichen Betriebsaufgabeerklärung nicht, weil der Betrieb zerschlagen worden sei.
Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FG als unbegründet ab. Zur Begründung führte es aus: Weder in den Akten noch sonst seien irgendwelche Anhaltspunkte dafür zu finden, daß der Vater des Antragstellers bereits im Jahre 1966 den landwirtschaftlichen Betrieb ausdrücklich durch Erklärung gegenüber dem FA aufgegeben hätte. Dafür sei auch kein einleuchtender Grund ersichtlich; denn der Lebensunterhalt der Familie hätte weiterhin erwirtschaftet werden müssen. Auch das Schreiben des Antragstellers (Eingang beim FA 1. August 1986) spreche dagegen. Aus diesem Schreiben sei zu folgern, daß der Antragsteller den Hof als lebensfähigen Organismus übernommen und zunächst auch bewirtschaftet habe. Damit gehörten die landwirtschaftlichen Flächen zum Betriebsvermögen.
Die Verpachtung der Teilflächen durch den Antragsteller habe nicht zu einer Betriebsaufgabe geführt. Im Streitfall seien lediglich Teilflächen verpachtet worden. Das seien nicht die wesentlichen Betriebsgrundlagen gewesen. Selbst eine parzellenweise Verpachtung der bislang vom Land- und Forstwirt selbst bewirtschafteten Ländereien müsse keine Zerschlagung des Betriebes zur Folge haben. Wenn die verpachteten Wirtschaftsgüter objektiv geeignet seien, den ,,eingestellten" Betrieb wiederaufzunehmen und fortzuführen, müsse der Steuerpflichtige eindeutig klarstellen, daß er tatsächlich eine außerbetriebliche Nutzung des bisherigen Betriebs und damit die endgültige Aufgabe wolle. Daran fehle es hier.
Den außerdem gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) lehnte das FG durch Beschluß vom 2. Juli 1990 ab, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspreche. Das Gericht halte aufgrund der Sachdarstellung des Antragstellers und der vorhandenen Unterlagen dessen Rechtsstandpunkt nicht für zutreffend oder zumindest vertretbar und sei auch nicht in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nehme es auf den Beschluß in der Aussetzungssache Bezug.
Dagegen richtet sich die Beschwerde, mit der der Antragsteller beantragt, ihm für die erste Instanz rückwirkend auf den Zeitraum der Antragstellung PKH zu gewähren und den Prozeßbevollmächtigten als Rechtsanwalt beizuordnen.
Zur Begründung führt der Antragsteller aus:
Das FG verkenne, daß hinsichtlich der Aufgabeerklärung des Vaters im Jahre 1966 das Nichtauffinden der Erklärung zu Lasten des FA gehe. Er habe dafür Beweis angeboten, daß diese Erklärung gegenüber dem FA abgegeben worden sei. Das FG hätte dieses Beweisangebot berücksichtigen müssen. Daß sich die Aufgabeerklärung nicht in den Akten des FA befinde, gehe ausschließlich zu dessen Lasten.
Unrichtig sei auch die Ansicht, daß der Lebensunterhalt durch die Landwirtschaft hätte erwirtschaftet werden müssen. Der Bruder des Antragstellers sei zu diesem Zeitpunkt in einem kaufmännischen Beruf tätig gewesen. Die Mutter habe eine kleine Rente erhalten, während er selbst zu diesem Zeitpunkt beabsichtigt habe, seinen Lebensunterhalt nicht aus der Landwirtschaft zu verdienen, sondern aus anderen Tätigkeiten.
Sein Schreiben (eingegangen am 1. August 1986) spreche nicht gegen die Aufgabeerklärung zum Zeitpunkt 1966. Durch den plötzlichen Tod seines Vaters habe er tatsächlich vor der Frage gestanden, wie die Abwicklung des Hofes nunmehr fortzuführen sei. Zu diesem Zeitpunkt seien das Vieh noch nicht verkauft und die landwirtschaftlichen Flächen noch nicht verpachtet gewesen. Er habe nicht sofort sämtliche Inventargegenstände veräußern können. Er habe dazu einige Zeit benötigt. Das Vieh habe er dann veräußert. Dies sei bereits unter Beweis gestellt worden, ohne daß das Gericht diesem Beweisantritt gefolgt sei.
Unrichtig sei, daß das FG parzellenweise Verpachtungen der gesamten landwirtschaftlichen Flächen nicht als wesentliche Betriebsgrundlagen ansehe. Er habe nämlich 10,8 ha landwirtschaftliche Flächen verpachtet und lediglich 2,5 ha forstwirtschaftliche Flächen nicht verpachtet, weil es dafür keine Pachtmöglichkeiten gegeben habe. Ursprünglich seien allein aus dem Betrieb der landwirtschaftlichen Flächen und der Viehhaltung Einnahmen erzielt worden. Dafür habe er sein eigenes Zeugnis zum Beweis angeboten.
In der Literatur sei die Ansicht, eine ausdrückliche Betriebsaufgabeerklärung sei erforderlich, nicht unumstritten. Hierzu werde auf einen Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen hingewiesen.
Das FG berücksichtige hinsichtlich der Frage der Aufgabeerklärung nicht, daß es auch Ausnahmefälle gebe, die in der Rechtsprechung bisher nicht behandelt worden seien. Im Streitfall habe weder ein Wahlrecht zur Betriebsfortführung bestanden, noch sei deshalb eine Aufgabeerklärung erforderlich gewesen.
Weil er über kein Vermögen mehr verfüge, habe er aus prozeßökonomischen Gründen nur den Einkommensteuerbescheid 1984 angefochten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Prozeßbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Im Streitfall hat das FG im Ergebnis zu Recht die Bewilligung der PKH abgelehnt; die Beiordnung des Prozeßbevollmächtigten als Anwalt kann nicht erfolgen. Die Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das ergibt sich aus folgenden Gründen:
1. Das FA hatte in der Einspruchsentscheidung bereits dargelegt, daß es auf eine vom Vater möglicherweise abgegebene Aufgabeerklärung nicht ankomme, weil der Antragsteller den Betrieb nach dem Tode seines Vaters weiterhin fortgeführt habe. Damit sachlich übereinstimmend hat das FG aus dem beim FA am 1. August 1986 eingegangenen Schreiben des Klägers gefolgert, daß dieser - unabhängig von einer eventuellen Aufgabeerklärung seines Vaters - den Hof als lebensfähigen Organismus übernommen und zunächst auch bewirtschaftet habe. Die dagegen vom Antragsteller geäußerten Bedenken greifen nicht durch. Der Tatbestand der Betriebsaufgabe erfordert nämlich, daß sich die Entnahme oder Einzelveräußerung aller wesentlichen Betriebsunterlagen ,,in einem einheitlichen Vorgang" vollzieht; ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang ist gegeben, wenn zwischen Beginn und Ende der Aufgabe nur ein ,,kurzer Zeitraum" liegt (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 16 Anm. 37, m. w. N.). Eine Betriebsaufgabe liegt nicht vor, wenn sich die Aufdeckung der stillen Reserven über mehrere Jahre hinzieht (BFH-Urteil vom 8. September 1976 I R 99/75, BFHE 120, 187, BStBl II 1977, 66). Ebenso wie eine ausdrücklich erklärte Entnahme wäre die angebliche ausdrückliche Aufgabeerklärung des Vaters des Antragstellers wirkungslos, weil die land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen, das Hof- und Wirtschaftsgebäude sowie die Betriebsmittel weiterhin als landwirtschaftliches Betriebsvermögen genutzt wurden (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 1987 IV R 139/85, BFH/NV 1989, 225).
Der Antragsteller selbst stellt auch nicht in Zweifel, daß er nach dem Tod seines Vaters den Hof zumindest zeitweise noch selbst bewirtschaftet hatte. So ergibt sich aus der Klagebegründung, daß der Antragsteller den Viehbestand nur allmählich verkauft hat. Nach seinen eigenen Angaben im Schriftsatz vom 9. Mai 1990 hat er nämlich den Viehbestand ,,im Laufe der Jahre von 1966 an" veräußert (S. 3). Die landwirtschaftlichen Geräte sind jedoch erst im Zeitraum 1970/71 verkauft worden (S. 4 der Klagebegründungsschrift). Ob daneben andere Mittel für die Lebenshaltung zur Verfügung standen (kleine Rente der Mutter, Einkünfte des Bruders), ist bedeutungslos.
2. Da der Antragsteller in der Folgezeit für seine eigene Person gegenüber dem FA nicht ausdrücklich die Aufgabe des von ihm fortgeführten Betriebs erklärt hat, waren die verkauften Grundstücke bis zu ihrer Veräußerung im Streitjahr noch land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen. Insbesondere ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb des Klägers nicht dadurch zerschlagen worden, daß er das lebende und tote Inventar allmählich verkauft und einen Teil seiner land- und forstwirtschaftlichen Flächen an mehrere Landwirte verpachtet hatte. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260 entschieden hat, kann es im Einzelfall zur Annahme der Betriebsfortführung genügen, daß die maßgeblichen Grundlagen des Betriebs in Gestalt des Grund und Bodens, der Wirtschaftsgebäude und der Hofstelle verpachtet sind, während das lebende und tote Inventar schon im Hinblick auf die normale Dauer von Landpachtverträgen veräußert wird. Gemessen an den weiterhin landwirtschaftlich genutzten, verpachteten Teilflächen, die im Eigentum des Klägers standen, hatte das vorhandene lebende und tote Inventar hier keine wesentliche Bedeutung mehr. Wie in dem Fall des Urteils in BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260 ist davon auszugehen, daß das tote Inventar nur aus solchen Geräten bestand, die noch der Vater des Antragstellers angeschafft hatte. Hinsichtlich des Viehs aber ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers, daß er dieses nur allmählich verkauft hat, so daß es für die Fortführung des Betriebs unwesentlich geworden war.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers führt auch die sog. parzellenweise Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen nicht zu einer Betriebsaufgabe i. S. des § 14 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die verpachteten landwirtschaftlichen Teilflächen waren objektiv geeignet, den eingestellten Betrieb wieder aufzunehmen und fortzuführen. Dementsprechend hängt die Annahme einer Betriebsaufgabe letztlich von den subjektiven Absichten des Steuerpflichtigen ab (vgl. BFH-Urteil, a. a. O.). Aus Beweisgründen kann indessen die Absicht zur dauernden Einstellung der Tätigkeit nur bei einer entsprechenden Erklärung des Verpächters angenommen werden (BFH-Urteil vom 2. Februar 1989 IV R 46/87, BFH/NV 1990, 86). Dazu hat der BFH wiederholt entschieden, daß diese Aufgabeerklärung wegen der mit ihr verbundenen Rechtsfolgen, insbesondere der Verwirklichung eines Aufgabegewinns, eindeutig, klar und unmißverständlich gegenüber dem FA abgegeben werden muß (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 23. Februar 1989 IV R 63/87, BFH/NV 1990, 219). An einer solchen Erklärung des Antragstellers fehlt es.
Fundstellen
Haufe-Index 417446 |
BFH/NV 1991, 591 |