Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und von Verfahrensmängeln; Verletzung der Aufklärungspflicht und des rechtlichen Gehörs
Leitsatz (NV)
- Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen; erforderlich ist ferner ein substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Fortentwicklung des Rechts im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit.
- Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG habe auch ohne Beweisantritt den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen, ist unter anderem substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen.
- Die schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erfordert unter anderem eine substantiierte Darlegung, was der Beschwerdeführer bei einer ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Hamburg (Urteil vom 19.02.2003; Aktenzeichen IV 189/01) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) meldete am 2. Juli 1999 beim Hauptzollamt zwei Sendungen mit jeweils 17 669 kg Vollmilchpulver zur Ausfuhr nach Kuwait an. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ―HZA―) gewährte der Klägerin mit Bescheiden vom 8. März 2000 antragsgemäß Ausfuhrerstattungen von jeweils … DM.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2000 übersandte eine Spedition dem HZA für Teilmengen dieser Sendungen zwei Anträge der Klägerin auf Ausstellung von Auskunftsblättern INF 3 nach der Rückwarenregelung. Das HZA forderte daraufhin von der Klägerin mit Bescheiden vom 14. Juli 2000 Erstattungsbeträge von … DM bzw. … DM zurück und erteilte alsdann antragsgemäß auf dem INF 3 entsprechende Sichtvermerke über die erfolgte Rückzahlung der Ausfuhrerstattung.
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 19. März 2001 gegen die Rückforderung und machte geltend, die Waren seien nicht wieder eingeführt, sondern aus einer Freizone in ein anderes Drittland ausgeführt worden. Das HZA wertete dieses Schreiben als Einspruch, den es als unzulässig verwarf.
Das Finanzgericht (FG) wies die von der Klägerin erhobene Klage ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, entgegen der vom HZA vertretenen Auffassung habe die Klägerin die Frist für die Einlegung des Einspruchs nicht versäumt, weil die bestehenden Zweifel am Zugang der Bescheide vom 14. Juli 2000 nicht ausgeräumt worden seien. Diese Bescheide seien jedoch rechtmäßig. Nach Art. 185 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 302/1) i.V.m. Art. 844 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) habe das HZA die von der Klägerin beantragten Sichtvermerke auf den Auskunftsblättern INF 3 nur unter gleichzeitiger Rückforderung der gewährten Ausfuhrerstattungen erteilen können. Das HZA habe mit der Erteilung der Sichtvermerke einem Antrag der Klägerin entsprochen und die Ausfuhrerstattungen daher zu Recht zurückgefordert. In Anbetracht des Einspruchs und des Klageverfahrens könne allenfalls angenommen werden, dass die Klägerin ihren Antrag auf Erteilung der Sichtvermerke zurückgenommen habe. Rechtsgrundlage für einen Widerruf der Sichtvermerke und der Rückforderung der Erstattungsbeträge sei in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen § 49 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Die Entscheidung des HZA, die Bescheide vom 14. Juli 2000 aufrecht zu erhalten, sei jedenfalls so lange nicht zu beanstanden, wie es an Nachweisen für die von der Klägerin behauptete Wiederausfuhr der zurückverbrachten Waren in ein anderes Drittland fehle. Der von ihr vorgelegte Antrag auf zollamtliche Überwachung der Umladung von Waren in einer Freizone sowie der Seefrachtbrief mit dem Bestimmungsort C seien nicht ausreichend. Bei diesen Unterlagen handele es sich lediglich um Kopien, die den erforderlichen Nämlichkeitsnachweis nicht erbringen könnten. Überdies würden zollamtliche Bestätigungen darüber, dass und mit welchem Ziel die umgeladenen Waren die Freizone verlassen hätten, ebenso fehlen wie Einfuhrnachweise aus C.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die sie auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) sowie auf Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift ein Grund, der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO führen könnte, nicht schlüssig dargelegt ist, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen; erforderlich ist ferner ein substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Fortentwicklung des Rechts im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2002 VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308; Beschluss des BFH vom 27. Mai 2002 VIII B 150/01, BFH/NV 2002, 1463).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin formuliert in ihrer Beschwerdebegründung noch nicht einmal eine konkrete Rechtsfrage, sondern greift die vom FG vertretene Ansicht an, § 49 Abs. 1 VwVfG sei mangels gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen im Streitfall anwendbar. Der Sache nach wendet sich die Klägerin damit gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Dies kann indessen nicht zur Zulassung der Revision führen, weil hiermit kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. Beschlüsse des BFH vom 6. Oktober 2000 III B 16/00, BFH/NV 2001, 202; vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).
Entsprechendes gilt hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, die Revision sei nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, weil eine gewährte Ausfuhrerstattung erst zurückgefordert werden könne, wenn die Waren tatsächlich wieder eingeführt worden seien, was im Streitfall nicht geschehen sei.
Soweit die Klägerin rügt, das FG hätte den Sachverhalt weiter aufklären und die Vorlage von Originalunterlagen fordern müssen, wenn es die von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen nicht als ausreichend habe erachten wollen, hat sie einen Verfahrensmangel gleichfalls nicht schlüssig dargelegt. Wird geltend gemacht, das FG habe auch ohne Beweisantritt den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), ist unter anderem substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 72/99, BFHE 192, 390; Beschluss des BFH vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332). Daran fehlt es hier.
Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel auch nicht schlüssig dargelegt, soweit sie rügt, das FG habe ihr das rechtliche Gehör versagt, weil es sie nicht zu einer ergänzenden Stellungnahme zum gesamten Geschehensablauf aufgefordert habe. Die schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 FGO) erfordert grundsätzlich unter anderem eine substantiierte Darlegung, was der Beschwerdeführer bei einer ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte (vgl. Beschluss des BFH vom 30. November 2001 III B 107/01, BFH/NV 2002, 526; Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2002 VII B 91/02, BFH/NV 2003, 192, 194). Hierzu ist der Beschwerdebegründung nichts zu entnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 1083305 |
BFH/NV 2004, 512 |