Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen negativen Feststellungsbescheid; Zulässigkeit eines im Revisionsverfahren wiederholten Antrags auf AdV; Unterhaltung eines Baudenkmals Liebhaberei?
Leitsatz (NV)
1. Lehnt das Finanzamt die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ab, ist einstweiliger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren (Anschluß an neuere Rechtsprechung).
2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann auch beim BFH als Gericht der Hauptsache im Revisionsverfahren gestellt werden. Daß das FG bereits früher über die Aussetzung der Vollziehung rechtskräftig ablehnend entschieden hat, steht dem erneuten Antrag jedenfalls dann nicht entgegen, wenn veränderte Umstände wie der vorliegen, daß die maßgebliche Rechtsfrage inzwischen höchstrichterlich geklärt wurde.
3. Die Frage, ob die aufwendige Unterhaltung eines unter Denkmalschutz stehenden Wasserschlosses, das teilweise selbstgenutzt, teilweise vermietet ist und im übrigen leer steht, ist aus den im BFH-Urteil vom 15. Januar 1991 IX R 21/89 BFH/NV 1991, 533 genannten Gründen ernstlich zweifelhaft.
Normenkette
FGO §§ 69, 114, 155; ZPO § 575; AO 1977 §§ 179-180; VGFGEntlG Art. 3 § 7; EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) sind Eheleute und je zur ideellen Hälfte Eigentümer eines Mietwohngrundstücks in A. Auf dem Grundstück befinden sich ein Hauptgebäude - sog. kleine Wasserburg -, das bereits vor mehreren Jahrhunderten erbaut wurde und unter Denkmalschutz steht, sowie zwei Nebengebäude. Beim Erwerb des Anwesens im Jahre 1968 waren Gebäude und Außenanlagen in einem sehr schlechten Zustand, so daß der Antragsteller seit dem Jahre 1975 Sanierungsmaßnahmen durchführen ließ.
Nachdem die Antragsteller für die Streitjahre 1981 bis 1984 Werbungskostenüberschüsse in Höhe von 216 801 DM bis 289 762 DM geltend gemacht hatten, lehnte das Finanzamt (FA) mit negativem Feststellungsbescheid 1981 bis 1984 die weitere gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte ab. Das FA wertete die Grundstücksnutzung nunmehr als Liebhaberei. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
Mit gleichzeitig ergangenem Beschluß wies das FG den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des negativen Feststellungsbescheids als unbegründet zurück. Die gegen den FG-Beschluß erhobene Beschwerde hat der Senat mit Beschluß vom 20. Dezember 1989 IX B 27/89, BFH/NV 1991, 167 wegen Versäumung der Beschwerdefrist als unzulässig verworfen.
Die Antragsteller beantragten daraufhin beim FA erneut Aussetzung der Vollziehung, was dieses unter Hinweis auf die Vorentscheidung ablehnte. Ihr nunmehr an den Bundesfinanzhof (BFH) gerichtetes Aussetzungsbegehren stützen die Antragsteller auf dieselben Gründe wie die Revision (Az. IX R 21/89) gegen das FG-Urteil, insbesondere die Entscheidung des BFH vom 29. März 1988 IX R 55/83 (BFH/NV 1988, 636).
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Lehnt das FA wie hier die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ab, ist einstweiliger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung zu gewährleisten (Senats-Beschluß vom 17. Juli 1987 IX B 68/84, BFH/NV 1988, 165 im Anschluß an die Entscheidung des Großen Senats vom 14. April 1987 GrS 2/85, BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637).
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann auch beim BFH als dem Gericht der Hauptsache im Revisionsverfahren gestellt werden.
Dem Antrag steht ferner nicht entgegen, daß über die zuvor bei dem FG begehrte Aussetzung der Vollziehung bereits rechtskräftig entschieden ist. Der BFH ist bereits wiederholt von der Zulässigkeit im Revisionsverfahren wiederholter Anträge auf Aussetzung der Vollziehung ausgegangen (vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 1985 I S 4/84, BFH/NV 1987, 385, und vom 26. Februar 1987 IV S 14/86, BFH/NV 1989, 308). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob insoweit die Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) entsprechend anwendbar sein könnte, wonach die Änderung oder Aufhebung eines FG-Beschlusses über die Aussetzung der Vollziehung nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragt werden kann; denn veränderte Umstände liegen auch dann vor, wenn die maßgebliche Rechtsfrage inzwischen höchstrichterlich geklärt wurde (Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69 Anm. 199 m. w. N.). Die Antragsteller haben ihr erneutes Aussetzungsbegehren maßgeblich auf das inzwischen ergangene Senats-Urteil in BFH/NV 1988, 636 gestützt, das dem FG bei Erlaß seiner Entscheidung offenbar noch nicht bekannt war, jedenfalls von ihm nicht berücksichtigt wurde.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist auch begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung liegen ernstliche Zweifel i. S. von § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit eines Bescheids vor, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Aus dem am heutigen Tage im Revisionsverfahren IX R 21/89 zwischen den Beteiligten ergangenen Senats-Urteil (vorstehend abgedruckt), mit dem die Entscheidung des FG aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen wurde, ergeben sich verschiedene zweifelhafte Rechts- und Tatfragen, die noch weiterer Prüfung bedürfen. Im einzelnen verweist der Senat insoweit auf das bezeichnete Urteil.
Fundstellen
Haufe-Index 417550 |
BFH/NV 1991, 535 |
BFH/NV 1991, 856 |