Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisung an den BFH
Leitsatz (NV)
Verweist das FG einen nach Einlegung der Revision gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an den BFH, sind auch hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen die Verfahrensbestimmungen des BFH maßgebend.
Normenkette
FGO § 20; GVG § 17a Abs. 2, § 17b Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Antragsteller (Kläger) wegen Einkommensteuer 1988 und 1989, Einkommensteuer-Vorauszahlungen 1990 und 1991 sowie Umsatzsteuer 1988 und 1989 mit Urteil vom 12. Juni 1991 abgewiesen. Hiergegen legte die Prozeßbevollmächtigte, Steuerbevollmächtigte X für die Kläger am 5. August 1991 Revision ein. Anschließend, am 24. September 1991, beantragte die Prozeßbevollmächtigte für die Kläger beim FG die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1988 und 1989. Nach Hinweis des FG, es sei für den Aussetzungsantrag nicht mehr zuständig, beantragten die Kläger, das Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung an den Bundesfinanzhof (BFH) zu verweisen. Diesem Antrag folgte das FG mit Beschluß vom 18. Oktober 1991 betreffend Einkommensteuer 1988 und 1989.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Das FG hat zu Recht die Sache an den BFH verwiesen.
Nach § 69 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache bei Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes die Vollziehung aussetzen. ,,Gericht der Hauptsache" ist das Gericht, das mit der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes befaßt ist. Hat ein Beteiligter nach Ergehen des finanzgerichtlichen Urteils Revision eingelegt, ist als Gericht der Hauptsache nicht mehr das FG, sondern der BFH zuständig.
Im Streitfall hat das FG das bei ihm anhängige Verfahren betreffend die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1988 und 1989 zu Recht an den BFH verwiesen. Mit der Verweisung ist dieses Verfahren beim BFH als dem instanziell zuständigen Gericht anhängig (§ 70 FGO i. V. m. §§ 17 a Abs. 2, 17 b Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG -).
Soweit der Kläger auch die Verweisung des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 1988 und 1989 an den BFH beantragt hat, ist dieses Verfahren nicht beim BFH anhängig geworden, denn entscheidend ist ausschließlich der Verweisungsbeschluß (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 16. Aufl., zu § 70 FGO in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung, Anm. 3). Im Streitfall hat das FG im Beschluß vom 18. Oktober 1991 nur das Verfahren betreffend Einkommensteuer 1988 und 1989 an den BFH verwiesen.
2. Die Kläger sind nicht ordnungsgemäß i. S. des Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vertreten.
a) Nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses wird der Rechtsstreit mit Eingang der Akten bei dem im Beschluß bezeichneten Gericht anhängig. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit blieben bestehen (§ 70 FGO i. V. m. § 17 b Abs. 1 GVG). Das bedeutet, daß nach der Verweisung ein neuer Rechtsstreit beginnt und lediglich bezüglich der Fristen und der materiell-rechtlichen Wirkungen der Rechtshängigkeit der Kläger so gestellt wird, als habe er die Klage von Anfang an bei dem Gericht erhoben, an das verwiesen worden ist. Entsprechendes gilt für Nebenverfahren wie hier für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Für das Verfahren des Gerichts, an das verwiesen worden ist, ist grundsätzlich dessen Verfahrensrecht maßgeblich, jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - die Verweisung zu Recht erfolgt ist (z. B. Ziemer / Haarmann / Loose / Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 5486 und 5492, m. w. N.). Hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen sind danach die Verfahrensbestimmungen des Gerichts maßgebend, an das verwiesen worden ist, im Streitfall die des BFH.
b) Vor dem BFH muß sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG). Eine Vertretung durch Steuerbevollmächtigte ist nach der Übergangsregelung in Art. 2 Nr. 1 BFHEntlG nur möglich, wenn das Verfahren bis zum 31. Dezember 1978 beim BFH anhängig geworden ist. Dieser Vertretungszwang gilt grundsätzlich für alle beim BFH anhängigen Verfahren, mithin auch für das Verfahren der Aussetzung der Vollziehung, wenn der BFH nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO Gericht der Hauptsache ist (BFH-Beschluß vom 24. Mai 1976 VIII S 3/76, BFHE 118, 552, BStBl II 1976, 504). Fehlt es, wie offensichtlich im Streitfall, an diesem Erfordernis der ordnungsgemäßen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG bezeichneten Berufsgruppen (Prozeßhandlungsvoraussetzung; vgl. dazu Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 45 II 1, S. 249), so ist die betreffende Prozeßhandlung unwirksam.
Fundstellen
Haufe-Index 418225 |
BFH/NV 1992, 676 |