Leitsatz (amtlich)
Wird eine gesetzliche Frist versäumt, so steht das Verschulden eines von mehreren Prozeßbevollmächtigten dem Verschulden eines Beteiligten auch dann gleich, wenn dieser Prozeßbevollmächtigte die Sache nicht bearbeitet, sondern lediglich die Übermittlung eines Schriftsatzes übernimmt.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1, § 120 Abs. 1; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) ist den beiden Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 21. Februar 1983 zugestellt worden. Der Kläger hat Revision eingelegt und die Revision mit Schriftsatz vom 21. April 1983, der am 22. April 1983 beim FG eingegangen ist, begründet.
Mit Schriftsatz vom 5. Mai 1983, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 6. Mai 1983, hat der Kläger wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist um einen Tag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat geltend gemacht, daß die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht auf ein Verschulden seiner Prozeßbevollmächtigten zurückzuführen sei. Im einzelnen hat er vorgetragen:
Die Reinschrift der Revisionsbegründungsschrift sei am 21. April 1983 gefertigt und unterschrieben worden. Der sachbearbeitende Prozeßbevollmächtigte habe angeordnet, daß der Schriftsatz durch Boten zum FG gebracht werden solle, und empfohlen, den an sich nicht mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt A. zu fragen, ob er bereit sei, den Schriftsatz auf dem Nachhauseweg bei dem FG einzuwerfen. Dieser habe sich hierzu bereit erklärt. Deshalb sei ihm der Umschlag mit dem Revisionsbegründungsschriftsatz sichtbar in sein Arbeitszimmer gelegt worden. Er habe den Briefumschlag dann am Abend jedoch vergessen, ihn vielmehr erst am nächsten Tag mitgenommen.
Zur Erhärtung dieses Vortrages sind entsprechende eidesstattliche Versicherungen vorgelegt worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Die Revisionsbegründungsschrift ist um einen Tag verspätet beim FG eingegangen, nämlich erst am 22. April 1983. Da das Urteil des FG den Prozeßbevollmächtigten am 21. Februar 1983 zugestellt worden ist, lief die Revisionsfrist am 21. März 1983 ab und die unmittelbar an den Ablauf der Revisionsfrist anschließende Revisionsbegründungsfrist am 21. April 1983 (vgl. das BFH-Urteil vom 12. Juli 1972 I R 206/70, BFHE 106, 483, BStBl II 1972, 957).
2. Dem Kläger ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; denn die Revisionsbegründungsfrist ist nicht unverschuldet versäumt worden. Das Verschulden seiner Prozeßbevollmächtigten steht dabei dem Verschulden des Klägers gleich (vgl. § 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
Ausweislich der dem FG eingereichten Prozeßvollmacht war auch Rechtsanwalt A. Prozeßbevollmächtigter des Klägers, obwohl er die Sache nicht selbst bearbeitete. Da Rechtsanwalt A. es übernommen hatte, den Revisionsschriftsatz am Abend des 21. April 1983 auf seinem Heimweg in den Nachtbriefkasten des FG zu werfen, war er in seiner Eigenschaft als einer der Prozeßbevollmächtigten des Klägers verpflichtet, bei der Ausführung dieser Aufgabe diejenige Sorgfalt anzuwenden, die man verständigerweise von ihm erwarten konnte. Hierzu gehörte auch, daß er alle erforderlichen Vorkehrungen traf, um ein Vergessen des Schriftsatzes am Abend zu verhindern. Es reichte nicht aus, daß er den Briefumschlag auf einen Besucherstuhl in Sichtweite legen ließ. Wie die späteren Ereignisse zeigten, war die Gefahr groß, daß der Brief vergessen wurde. Er durfte sich deshalb nicht darauf verlassen, daß er den Brief schon nicht vergessen werde.
Auf den vom Bundesgerichtshof am 11. Dezember 1978 II ZB 12/78 (Versicherungsrecht 1979, 232) entschiedenen Rechtsstreit kann sich der Kläger deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil in dem dortigen Fall der Anwalt, der die Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift übernommen hatte, kein Prozeßbevollmächtigter des damaligen Klägers war.
Fundstellen