Leitsatz (amtlich)
Ergeht gegen Ehegatten ein zuzustellender finanzgerichtlicher Beschluß, so muß grundsätzlich jedem Ehegatten eine Ausfertigung zugestellt werden (Anschluß an BFH-Urteil vom 16. Dezember 1971 I R 212/71, BFHE 104, 493, BStBl II 1972, 425), es sei denn, einer der Ehegatten wäre zum Prozeßbevollmächtigten des anderen bestellt.
Normenkette
FGO §§ 53, 129; VwZG §§ 3, 8-9
Tatbestand
Der an die Eheleute gerichtete Beschluß des FG wurde mit Postzustellungsurkunde (PZU) durch Übergabe an die Ehefrau in der Wohnung am 24. April 1972 zugestellt. Die Beschwerde hiergegen ging am 9. Mai 1972 beim FG ein.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat Erfolg.
Die Beschwerde, die gemäß § 129 Abs. 1 FGO innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der FG-Entscheidung zu erheben war, ist rechtzeitig erhoben. Die Beschwerdefrist wurde nicht in Lauf gesetzt, weil die Vorentscheidung nicht wirksam zugestellt wurde. Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FGO in Verbindung mit § 3 VwZG und § 180 ZPO war hier zwingend jedem Antragsteller eine Beschluß-Ausfertigung zuzustellen. Das gilt auch dann, wenn Eheleute betroffen sind (vgl. Mattern-Meßmer, Reichsabgabenordnung, § 92 Tz. 454, § 2 VwZG, Tz. 3117; v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 53 FGO Anm. 3), es sei denn, sie hätten sich zur Empfangnahme bevollmächtigt, was hier nicht der Fall ist. Außerdem hätte der Beschluß gemäß § 8 Abs. 4 VwZG an den Bevollmächtigten gerichtet und zugestellt werden müssen (Entscheidung des BFH vom 15. Juni 1965 V 184/62, StRK, Verwaltungszustellungsgesetz, § 8, Rechtsspruch 10). Die Zustellung an die Partei anstatt an den Prozeßbevollmächtigten ist unwirksam (zu § 176 ZPO ständige Rechtsprechung vgl. RGZ 103, 336; 109, 72; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl., § 76 II). Bei Zusendung nur einer Ausfertigung an zwei Verfahrensbeteiligte fehlt das Tatbestandsmerkmal der formgerechten "Übergabe" nach § 2 VwZG. So hat auch der I. Senat mit Urteil vom 16. Dezember 1971 I R 212/71 (BFHE 104, 493, BStBl II 1972, 425) entschieden, die Zustellung eines gegen Ehegatten ergangenen Urteils durch Übergabe nur einer Urteilsausfertigung an beide Ehegatten zusammen verstoße gegen das Gesetz. Eine Heilung dieses Zustellungsmangels nach § 9 Abs. 1 VwZG kommt nicht in Betracht, weil es sich nicht um die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts, sondern um die Zustellung einer rechtsmittelfähigen FG-Entscheidung nach § 9 Abs. 2 VwZG handelt (vgl. hierzu die Entscheidung des erkennenden Senats vom 8. Februar 1972 VIII R 14/68, BFHE 105, 85, BStBl II 1972, 506).
Fundstellen
Haufe-Index 70193 |
BStBl II 1973, 596 |
BFHE 1973, 221 |