Entscheidungsstichwort (Thema)
(Keine Antragsbefugnis nach § 69 Abs.3 FGO für den nicht klagenden und nicht beigeladenen Feststellungsbeteiligten)
Leitsatz (amtlich)
Ein Feststellungsbeteiligter, der weder selbst gegen den Feststellungsbescheid geklagt hat noch zu dem Klageverfahren eines anderen Feststellungsbeteiligten beigeladen worden ist, ist nicht antragsbefugt nach § 69 Abs.3 FGO.
Orientierungssatz
Parallelentscheidung: BFH, 16.3.1994, IX B 10/94, NV.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 2, §§ 60, 69 Abs. 3
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) war Gesellschafterin der ehemaligen Grundstücksgesellschaft M-GbR.
Nach einer Außenprüfung bei der im Jahre 1987 aufgelösten Gesellschaft erließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) am 9. Juli 1991 für die Jahre 1981 bis 1983 einen kombiniert positiv-negativen Feststellungsbescheid, mit dem er für die Gründungsgesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb feststellte und für die als Kapitalanleger beigetretenen Gesellschafter (wie z.B. die Antragstellerin) die Einkünfteerzielungsabsicht verneinte. Den hiergegen gerichteten Einspruch der Antragstellerin hat das FA ebenso wie die Einsprüche der übrigen Gesellschafter mit Einspruchsentscheidung vom 19. August 1992 als unbegründet zurückgewiesen.
Während verschiedene Gesellschafter daraufhin Klagen erhoben haben, die noch bei dem Finanzgericht (FG) anhängig sind, hat die Antragstellerin nicht geklagt. Sie beantragte vielmehr am 19. Mai 1993 ihre Beiladung zu den Klageverfahren der übrigen Gesellschafter; zugleich beantragte sie bei dem FG, die Vollziehung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für die Jahre 1981 bis 1983 auszusetzen. Das FG, das über eine Beiladung der Antragstellerin noch nicht entschieden hat, hat ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Beschluß vom 9. September 1993 entsprochen: Der Antrag sei im Hinblick auf die anhängigen Klagen anderer Gesellschafter zulässig; denn unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der gesonderten und einheitlichen Feststellung einerseits sowie der Hinzuziehung und Beiladung andererseits sei davon auszugehen, daß die Anfechtung durch einen Beteiligten auch die Zulässigkeit des Aussetzungsantrages eines anderen Beteiligten bewirke. Die Vollziehung des Feststellungsbescheides sei auszusetzen, weil ernstlich zweifelhaft sei, ob auch dann im Wege der gesonderten und einheitlichen Feststellung über die Einkünfteerzielungsabsicht zu entscheiden sei, wenn diese nicht einheitlich aus der Sicht der Gesellschaft, sondern --mit der Möglichkeit unterschiedlicher Ergebnisse-- für jeden einzelnen Gesellschafter beurteilt werde; hiergegen spreche, daß im Feststellungsverfahren nicht der individuellen Motivation des Einzelnen nachgegangen worden sei, wie dies im Einkommensteuerveranlagungsverfahren jeweils möglich sei.
Mit der Beschwerde rügt das FA, die Vorentscheidung stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats, wonach die Überschußerzielungsabsicht im Feststellungsverfahren ggf. sowohl auf der Ebene der Gesellschaft als auch auf derjenigen des einzelnen Gesellschafters zu prüfen sein könne.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Das FG hat zu Unrecht die Zulässigkeit des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides bejaht. Die Antragstellerin ist nicht antragsbefugt.
Nach § 69 Abs.3 Satz 1 2.Halbsatz i.V.m. Abs.2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt eine Aussetzung der Vollziehung nur in Betracht, wenn der Verwaltungsakt "angefochten" ist (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Mai 1967 VI S 3/67, BFHE 89, 114, BStBl III 1967, 530, und vom 19. August 1969 VI B 51/69, BFHE 96, 465, BStBl II 1969, 685). Entgegen der Ansicht des FG setzt § 69 FGO grundsätzlich eine Anfechtung durch den vorläufigen Rechtsschutz begehrenden Steuerpflichtigen voraus (BFH-Beschluß vom 15. Oktober 1986 III S 7/86, BFH/NV 1987, 142). Dies folgt daraus, daß das Antragsverfahren nach § 69 Abs.3 FGO ein Nebenverfahren darstellt, in dem kein weiterreichenderer Rechtsschutz als in dem den angefochtenen Verwaltungsakt betreffenden Hauptsacheverfahren gewährt werden kann (BFH-Beschluß vom 10. November 1977 IV B 33-34/76, BFHE 123, 412, BStBl II 1978, 15 m.w.N). Hat aber ein gemäß § 48 Abs.2 FGO klagebefugter Feststellungsbeteiligter nicht selbst gegen den Feststellungsbescheid Klage erhoben, so entfaltet ihm gegenüber eine dem Klagebegehren eines anderen Feststellungsbeteiligten entsprechende Entscheidung im Hauptsacheverfahren solange keine Wirkung, als er nicht zu dem Hauptsacheverfahren beigeladen worden ist (§ 110 Abs.1 Nr.1 FGO). Mithin ist ein klagebefugter Feststellungs- beteiligter erst dann i.S. des § 69 Abs.3 FGO antragsbefugt, wenn er zu dem Hauptsacheverfahren beigeladen worden ist (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 69 Anm.17; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO, Tz.22).
Hiernach ist der Antrag der nach § 48 Abs.2 FGO hinsichtlich des Feststellungsbescheides selbst nicht mehr klagebefugten Antragstellerin mangels Antragsbefugnis als unzulässig abzulehnen. Sie hat die Klagefrist verstreichen lassen, ohne gegen den Feststellungsbescheid, dessen Aussetzung der Vollziehung sie begehrt, Klage zu erheben. Sie hat auch nicht die Rechte einer Verfahrensbeteiligten nach § 60 Abs.6 FGO, da das FG sie bisher nicht zum Verfahren gemäß § 48 Abs.2, § 60 Abs.3 FGO beigeladen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 65025 |
BStBl II 1994, 519 |
BFHE 173, 492 |
BFHE 1994, 492 |
BB 1994, 1069 |
BB 1994, 1069 (L) |
DB 1994, 1122 (LT) |
HFR 1994, 403-404 (LT) |
StE 1994, 296 (K) |