Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbilligkeit der Besteuerung, wenn Entnahmegewinn bei einer freiwilligen Baulandumlegung bereits erfasst war
Leitsatz (NV)
- Zur Unbilligkeit der Besteuerung eines Entnahmegewinns für ein Grundstück, für das das FA in einem früheren Veranlagungszeitraum bereits eine Gewinnrealisierung erfasst hat.
- Der Grundsatz, dass eine Betriebsaufgabe oder Entnahme unmissverständlich erklärt werden muss, ist nicht bei einer Einbringung eines bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücks in eine freiwillige Baulandumlegung anzuwenden, wenn das FA diesen Vorgang nach der damals gültigen Auffassung als Entnahmevorgang behandelt hat.
- In einem solchen Fall trägt der Steuerpflichtige nicht die objektive Feststellungslast dafür, dass das Grundstück entnommen worden ist, weil der die Gewinnrealisierung als solche auslösende Vorgang als solcher feststand.
- Die Nichterfassung des Entnahmegewinns ist auch nicht unbillig, weil der Steuerpflichtige im Jahr 1973 für das in die Baulandumlegung eingereichte Grundstück noch eine Teilwertfeststellung gemäß § 55 Abs. 5 hätte beantragen können.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 13, 55; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) sind die Rechtsnachfolger des im Juni 1995 verstorbenen S. Dieser hatte einen zunächst selbst bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet. Zu diesem Betrieb hatten ursprünglich die Flurstücke Nr. 667 (0,1342 ha) und Nr. 672 (0,0987 ha) in der Gemarkung X gehört. Mit Vertrag vom 16. März 1973 brachte S diese Flurstücke in eine private Baulandumlegung ein. Als Ersatz erhielt er die Bauplätze A-Straße 2-6 (0,1544 ha) und B-Straße 4 (0,0543 ha). Den Bauplatz B-Straße 4 übertrug er mit Vertrag vom 10. April 1973 unentgeltlich auf seine Schwester, die Klägerin zu 1. Von den Bauplätzen A-Straße 2-6 verkaufte er eine Teilfläche von 512 qm und übertrug das durch Teilung entstandene, 664 qm große Flurstück Nr. 662/6 m durch Schenkungsvertrag vom 24. September 1992 auf seinen Neffen, den Kläger zu 3.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1992 gab S an, das dem Kläger zu 3 geschenkte Grundstück sei bereits infolge der Baulandumlegung Privatvermögen gewesen.
Dagegen nahm der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt ―FA―) an, diese Fläche habe zum Betriebsvermögen des verpachteten Betriebs gehört. Das FA berücksichtigte dementsprechend bei der nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfolgten Gewinnermittlung einen Entnahmegewinn i.H. von 376 683 DM, den es je zur Hälfte bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft der Jahre 1992 und 1993 (Streitjahre) berücksichtigte.
Mit dem Einspruch machte S geltend, das streitbefangene Grundstück habe seit 1973 zu seinem Privatvermögen gehört. Nach der Baulandumlegung sei eine landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich gewesen. Das Grundstück sei jahrelang von einem Tiefbauunternehmen als Lagerplatz und ―so später die Kläger― nach Abschluss der Erschließungsmaßnahmen zunächst von einem Landwirt unentgeltlich genutzt worden, bis es schließlich nur noch unentgeltlich gemäht wurde.
Der Einspruch hatte nur zum Teil Erfolg. Das FA berechnete zwar ―aus hier nicht interessierenden Gründen― den Gewinn neu, meinte aber, die Betriebsvermögenseigenschaft der in die Baulandumlegung eingebrachten Grundstücke habe sich an den neu zugeteilten Grundstücken fortgesetzt, selbst wenn sie dann nicht mehr landwirtschaftlich genutzt worden seien. Die Kläger hätten eine Entnahme nicht nachgewiesen.
Eine Billigkeitsmaßnahme lehnte das FA ab. Auch der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG), das die beiden Verfahren wegen Steuerfestsetzung und wegen abweichender Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, gab der Klage statt.
Die Revision ließ es nicht zu.
Dagegen wendet sich die Beschwerde des FA mit der Begründung, das Urteil des FG beruhe auf einer Abweichung von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH); eine Entscheidung des BFH sei auch zur Fortbildung des Rechts notwendig und zudem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Das FG weicht nicht von dem Urteil des erkennenden Senats vom 13. März 1986 IV R 1/84 (BFHE 146, 538, BStBl II 1986, 711) ab. Es führt auf S. 9 der Urteilsgründe vielmehr ausdrücklich ―unter Zitierung dieser Entscheidung― aus, dass bei der hier zu beurteilenden Einbringung von Grundstücken in ein Umlegungsverfahren im März 1973 ungeachtet der seinerzeit geltenden anderen Auffassung eine Gewinnrealisierung nicht eingetreten war.
Das FG hat der Klage (sodann) deshalb stattgegeben, weil aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts die Versteuerung eines Entnahmegewinns in den Streitjahren (1992 und 1993) nicht damit zu vereinbaren wäre, dass ―wegen der bis zum Ergehen des Senatsurteils in BFHE 146, 538, BStBl II 1986, 711 gültigen Verwaltungsauffassung― davon auszugehen sei, dass das FA bereits den seinerzeitigen Einbringungsvorgang (im Jahre 1973) versteuert hat. Das FG hat dabei (auf S. 9 zweiter Absatz) zwar nicht ausdrücklich darauf abgestellt, dass die vom FA jetzt gewünschte Besteuerung aus Billigkeitsgründen (§ 163 der Abgabenordnung ―AO 1977―) zu unterbleiben habe. Es ist aber angesichts des Umstandes, dass es eine Besteuerung im Jahre 1973 für rechtmäßig hielt, offenbar stillschweigend von der Unbilligkeit einer (nochmaligen) Besteuerung in den Streitjahren ausgegangen.
Das berücksichtigt das FA nicht. Es kann daher in diesem Zusammenhang auch nicht auf die vom FA aufgeworfene Frage nach der Eindeutigkeit einer Entnahmehandlung oder eines Entnahmevorgangs ankommen. Insoweit scheidet auch eine Abweichung von den Urteilen des erkennenden Senats vom 12. November 1992 IV R 41/91 (BFHE 170, 311, BStBl II 1993, 430); vom 15. April 1993 IV R 12/91 (BFH/NV 1994, 87), und vom 26. Januar 1995 IV R 39/93 (BFH/NV 1995, 873) aus.
Im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung ist aber zu berücksichtigen, dass die vom erkennenden Senat im Urteil in BFHE 146, 538, BStBl II 1986, 711 aufgestellten Grundsätze nur in den noch offenen Fällen angewandt werden sollten (vgl. Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 19. April 1988 IV B 2 -S 2138- 7/88, BStBl I 1988, 152), so dass sich an der bis 1987 gültigen Verwaltungsauffassung, der erfolgte Tausch der Grundstücke habe (hier im Jahre 1973) zu einer Gewinnrealisierung geführt, im Streitfall nichts ändern konnte. So hätte das FA einen bestandskräftigen Bescheid auch nicht ändern dürfen (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977).
Entgegen der Ansicht des FA liegt auch keine Abweichung von dem Senatsurteil vom 2. März 1995 IV R 52/94 (BFH/NV 1996, 110) vor. Denn dort ging es um die Frage, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb i.S. der §§ 14, 16 EStG auch aufgegeben wird, wenn der Steuerpflichtige bei der Verpachtung die Aufgabe des Betriebs nicht unmissverständlich erklärt. Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar, weil nach der früheren Auffassung der Finanzverwaltung der Grundstückstausch als Entnahmehandlung gesehen wurde.
Schließlich ist das FG auch nicht von dem BFH-Urteil vom 20. März 1987 III R 172/82 (BFHE 149, 536, BStBl II 1987, 679) abgewichen. Dort hat der BFH zwar entschieden, dass der Steuerpflichtige für seine Behauptung, er habe Grundstücke schon vor der Betriebsveräußerung entnommen, die objektive Beweislast (Feststellungslast) trägt. Das setzte aber voraus, dass sich die behauptete Entnahmehandlung als solche nicht feststellen ließ. Im Streitfall ist aber die ―nach damaliger Rechtsauffassung― die Gewinnrealisisierung auslösende Tatsache, nämlich die Einbringung der zum verpachteten Betrieb gehörenden Grundstücke in die freiwillige Baulandumlegung, als solche festgestellt. Demgemäss hat das FG seine Entscheidung insoweit nur darauf abgestellt, ob das FA diesen Vorgang besteuert hat oder nicht. Diese Frage ist indes eindeutig der Sphäre des FA zuzuweisen, weil dieses einen Geschäftsvorfall nicht zweimal der Besteuerung unterwerfen darf.
Dieses Ergebnis ist auch nicht im Hinblick darauf unbillig, dass das FG nicht weiter untersucht hat, ob und ggf. mit welchem Anschaffungswert S die beiden eingetauschten Grundstücke in seinen Betrieb eingelegt hat und ob er sie nach damals gültiger Auffassung bei der Gewinnermittlung nach § 13a EStG überhaupt hätte einlegen dürfen, so dass das 1992 seinem Neffen geschenkte Grundstück möglicherweise deswegen im Jahr der Schenkung noch Betriebsvermögen war. Denn S hätte ―worauf die Kläger zu Recht hinweisen― im Jahr 1973 noch beantragen können, für die eingetauschten Grundstücke den Teilwert nach § 55 Abs. 5 EStG festzusetzen, so dass bei Veräußerungen und Entnahmen ein deutlich geringerer oder gar kein Gewinn angefallen wäre. Weitere Feststellungen konnte das FG u.a. deshalb nicht treffen, weil das FA die Steuerakten für diese Jahre nicht (mehr) vorlegen konnte.
2. Unter diesen Umständen ist eine Entscheidung des BFH auch nicht zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Weiter handelt es sich um eine Billigkeitsentscheidung für einen Einzelfall, so dass die Revision auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). In aller Regel sind nämlich als Bauland ausgewiesene Flächen, die der Landwirt nicht mehr selbst von seiner Hofstelle aus landwirtschaftlich nutzen kann, dem Grundvermögen zuzurechnen (§ 69 des Bewertungsgesetzes). Es lag deshalb auch nicht nahe, solche, im Rahmen einer freiwilligen Baulandumlegung zugeteilten Bauplätze im Jahr 1973 dem notwendigen Betriebsvermögen zuzuordnen.
Fundstellen
Haufe-Index 1053828 |
BFH/NV 2004, 30 |