Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenschuldner aufgrund Vermögensübernahme
Leitsatz (NV)
1. Mit der Erinnerung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG kann die Schuldnerschaft von Gerichtskosten bestritten werden.
2. Die Kostenschuldnerschaft gemäß § 54 Nr.3 GKG kann sich aus der Haftung als Vermögensübernehmer gemäß § 419 BGB ergeben.
3. Zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweispflicht im Falle der Vermögensübernahme gemäß § 419 BGB.
Normenkette
GKG §§ 5, 54; BGB § 419
Tatbestand
Die Mutter der Erinnerungsführerin begehrte im Klage- und Revisionsverfahren den Erlaß von Grunderwerbsteuer für eine von ihr erworbene und vermietete Eigentumswohnung aus Billigkeitsgründen. Ihr wurden durch Beschluß des BFH die Kosten des Revisionsverfahrens auferlegt. Durch Kostenrechnung setzte die Kostenstelle des BFH die Gerichtsgebühren für das Revisionsverfahren auf . . . DM fest. Vor Zahlung der Gebühren verstarb die Mutter der Erinnerungsführerin. Die Erinnerungsführerin schlug die Erbschaft aus, da der Nachlaß überschuldet war.
Mit Kostenrechnung nahm die Kostenstelle die Erinnerungsführerin als Kostenschuldnerin aufgrund Vermögensübernahme gemäß § 54 Nr.3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. § 419 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Anspruch. Die Erinnerungsführerin hatte durch notariellen Vertrag die vermietete Eigentumswohnung ihrer Mutter geschenkt bekommen. Die Kostenstelle des BFH begründete die Inanspruchnahme der Erinnerungsführerin damit, daß sie mit der Eigentumswohnung den einzigen wesentlichen Vermögensgegenstand der Mutter erworben habe und insofern als Vermögensnehmerin hafte.
Mit der Erinnerung macht die Erinnerungsführerin geltend, sie sei nicht Kostenschuldnerin. Ein Fall der Vermögensübernahme liege nicht vor. Sie behauptet, nicht gewußt zu haben, daß die Wohnung praktisch den einzigen Vermögensgegenstand der Mutter darstelle. Auch von der Überschuldung ihrer Mutter habe sie keine Kenntnis gehabt. Sie sei von einem erheblichen Sparvermögen (ca. . . . DM) ihrer Mutter ausgegangen, da diese sparsam gelebt, Renten bezogen, Einnahmen aus Vermietung erzielt und keine besonderen Ausgabepositionen gehabt habe. Ihre Mutter habe ihr - Erinnerungsführerin - die Schulden immer verschwiegen. Sie sehe keine Veranlassung, dem Erinnerungsgegner den Schenkungsvertrag über die Eigentumswohnung vorzulegen. Nicht sie, sondern den Erinnerungsgegner treffe die Beweislast für ihre Kenntnis.
Der Vertreter der Staatkasse beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen. Er hält es nicht für glaubhaft, daß die Erinnerungsführerin von der seit Jahren bestehenden wirtschaftlich schlechten Lage ihrer Mutter in Unkenntnis gewesen sei.
Im gesamten finanzgerichtlichen Verfahren habe die Mutter auf ihre schwierigen Finanzverhältnisse hingewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Erinnerung ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Erinnerungsführerin ist berechtigt, Erinnerung einzulegen, da sie aufgrund der umgeschriebenen Kostenrechnung als Kostenschuldnerin in Anspruch genommen wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Wenn sie auch nicht ausdrücklich ihre Einwendungen als Erinnerung bezeichnet hat, ist ihrem Vorbringen doch zu entnehmen, daß sie eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Kostenrechnung begehrt. Dafür ist die Erinnerung nach § 5 GKG der vom Gesetz gegebene Rechtsbehelf.
2. Die Erinnerung ist nicht begründet. Die Erinnerungsführerin wird zu Recht als Kostenschuldnerin in Anspruch genommen.
a) Mit der Erinnerung können Einwendungen erhoben werden, die sich gegen den Kostenansatz selbst richten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GKG), also gegen die einzelnen Kostenansätze oder gegen den zugrunde gelegten Streitwert. Mit der Erinnerung kann aber auch die Schuldnerschaft bestritten werden (Beermann, in: Ziemer/Haarmann/Lohse/ Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr.10519/11; Hartmann, Kostengesetze, 24. Aufl., § 5 GKG Anm.2Eb). Die Erinnerungsführerin wendet sich gegen die Inanspruchnahme als Kostenschuldnerin.
b) Die Erinnerungsführerin ist als Vermögensübernehmerin Kostenschuldnerin (§ 54 Nr.3 GKG i.V.m. § 419 BGB).
Kostenschuldner ist nicht nur derjenige, dem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind, sondern auch derjenige, der für die Kostenschuld eines anderen kraft Gesetzes haftet (§ 54 Nr.3 GKG). Eine solche gesetzliche Haftung begründet § 419 BGB für den Vermögensübernehmer. Die Staatskasse kann den so Haftenden wie jeden anderen Kostenschuldner in Anspruch nehmen. Eine gerichtliche Entscheidung ist für die Kostenhaftung nicht erforderlich (vgl. Hartmann, a.a.O., § 54 GKG, Anm.4A).
Ein Fall der Vermögensübernahme i.S. des § 419 BGB ist gegeben. Die Erinnerungsführerin ließ sich durch Schenkungsvertrag die Eigentumswohnung ihrer Mutter übertragen, ohne daß dieser nennenswertes Vermögen verblieb.
Der Tatbestand der Vermögensübernahme ist bereits bei Übertragung nur eines Gegenstands erfüllt, wenn dieser im wesentlichen das einzige Gut des Übertragenden ist und nach der Verkehrsauffassung als Vermögen in diesem Sinne angesehen werden kann (Weber, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes - BGB-RGRK -, 12. Aufl., § 419 Rdnr.28 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Die übernommene Eigentumswohnung ist als Vermögen in diesem Sinne anzusehen; sie machte - wie die Überschuldung des Nachlasses zeigt - das ganze Vermögen der Mutter aus.
Wenn nicht das Vermögen als Ganzes im Rahmen eines Übernahmevertrags (vgl. § 311 BGB) übernommen wird, sondern nur - wie hier - ein einzelner Vermögensgegenstand, ist die Anwendung des § 419 BGB allerdings davon abhängig, daß der Übernehmer Kenntnis davon hat, daß er mit dem Erwerb jenes Vermögensgegenstands praktisch das ganze Vermögen des Übertragenden übernimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Weber, in: BGB-RGRK, a.a.O., § 419 Rdnr.43; Zeiss, in: Soergel/Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 419 Rdnr.6).
Die Erinnerungsführerin bestreitet, gewußt zu haben, daß die Eigentumswohnung der Mutter praktisch deren ganzes Vermögen ausmachte. Auf dieses Bestreiten kann aber unter Berücksichtigung der bei Inanspruchnahme aufgrund § 419 BGB geltenden Beweislastgrundsätze die Entscheidung nicht abgestellt werden. Zwar trifft den Gläubiger, der den Übernehmer in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast für die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Vermögensübernahme (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 9. März 1972 III ZR 191/69, Wertpapier-Mitteilungen 1972, 610; Zeiss, a.a.O., § 419 Rdnr.6; Weber, a.a.O., § 419 Rdnr.44). Die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweispflicht, insbesondere bezogen auf die Kenntnis des Übernehmers, dürfen aber aufgrund der häufig anzutreffenden Beweisschwierigkeit des Gläubigers nicht überspannt werden (Urteil des BGH vom 9. April 1987 IX ZR 138/86, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs - BGH-LM -, Nr.44 zu § 419 = Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1987, 2863; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 419 BGB Rdnr.2). Dies gilt insbesondere dann, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß dem Übernehmer der Sachverhalt bekannt ist. Handelt es sich - wie im Streitfall - bei dem Übernehmer um einen nahen Angehörigen des Schuldners, kann davon ausgegangen werden, daß er dessen Vermögensverhältnisse kennt (Baumgärtel, a.a.O., § 419 BGB Rdnr.2). Er kann sich jedenfalls nicht auf ein bloßes Bestreiten seiner Kenntnis beschränken. Vielmehr steigen in diesem Fall die Anforderungen, die an ein substantiiertes Bestreiten seitens des Übernehmers zu stellen sind (BGH-LM, Nr.44 zu § 419 BGB; Baumgärtel, a.a.O., § 419 Rdnr.2).
Die Erinnerungsführerin hat weder ausreichend substantiiert bestritten, daß es sich bei der Eigentumswohnung um das nahezu gesamte Vermögen der Mutter gehandelt hat, noch daß sie als die einzige Tochter darüber in Unkenntnis war.
Wenn sie vorträgt, daß sie von einem Sparvermögen ihrer Mutter über . . . DM ausgegangen sei, hätte sie darlegen müssen, wie es zu dieser Summe gekommen sein könnte. Der pauschale Hinweis auf Renten und Einnahmen aus Vermietung, ohne auch nur annähernd Beträge hierfür zu nennen, reicht für die Annahme nennenswerter Vermögenswerte der Mutter - neben der Eigentumswohnung - nicht aus. Auch könnten sich dem Schenkungsvertrag über die Eigentumswohnung, dessen Vorlage die Erinnerungsführerin verweigert, Anhaltspunkte über die Vermögensverhältnisse der Mutter und der Kenntnis der Erinnerungsführerin entnehmen lassen. Der Vertrag wurde wenige Wochen nach rechtskräftiger Feststellung der steuerlichen Zahlungsverpflichtungen der Mutter geschlossen.
Unter diesen Umständen drängt sich die Frage auf, weshalb die Mutter gerade zu diesem Zeitpunkt ihre Wohnung verschenkte, wenn sie sich - wie aus den Akten des finanzgerichtlichen Verfahrens ersichtlich - seit Jahren in einer schlechten wirtschaftlichen Lage befand, die den Erlaß der Grunderwerbsteuer rechtfertigen sollte und die letztlich zu einer Überschuldung des Nachlasses führte. Es wäre zu erwarten gewesen, daß die Erinnerungsführerin bei dieser Sachlage die Beweggründe für die Schenkung der Wohnung dargelegt hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 418916 |
BFH/NV 1993, 488 |