Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung bzw. Vertagung eines Termins zur mündlichen Verhandlung

 

Leitsatz (NV)

1. "Erhebliche Gründe" für die Aufhebung oder Verlegung eines Termins können sich auch aus der persönlichen Lebenssphäre des Prozeßbevollmächtigten ergeben. Indes müssen solche Gründe außer Betracht bleiben, die sich aus einer im Ergebnis nicht zwingenden Abwägung wirtschaftlicher Belange ergeben.

2. Die Rücksichtnahme auf bereits zur mündlichen Verhandlung angereiste Prozeßgegner erfordert es, solche Anträge einer besonders strengen Prüfung zu unterziehen, die kurzfristig vor dem Termin gestellt werden.

 

Normenkette

ZPO § 227 Abs. 1; FGO § 155

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Gründe

Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag auf Vertagung verfahrensfehlerfrei abgelehnt. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat etwa 20 Minuten vor dem anberaumten Beginn der mündlichen Verhandlung durch Telefax mitgeteilt, derzeit befänden sich in seinem Haus Handwerker und Möbellieferanten; wegen dieses "Chaos" könne er "nicht zwei Stunden außer Haus". Weder hat er dem FG dargelegt, daß diese Situation unvorhergesehen eingetreten sei noch daß seine Lebensgefährtin deswegen einen Nervenzusammenbruch erlitten habe; dies trägt er erstmals mit der Verfahrensrüge vor. Zwar können sich "erhebliche Gründe" für die Aufhebung oder Verlegung eines Termins i. S. von § 227 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (i. V. m. § 155 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) auch aus der persönlichen Lebenssphäre des Prozeßbevollmächtigten ergeben (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 1992 4 C 42/89, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 2042, betreffend Krankheit eines Angehörigen; enger Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. Juni 1985 VIII S 26/83, BFH/NV 1986, 178). Indes hat der prozessuale Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung zur Folge, daß solche Gründe außer Betracht bleiben müssen, die sich aus einer im Ergebnis nicht zwingenden Abwägung wirtschaftlicher Belange ergeben (vgl. BFH-Beschluß vom 20. März 1992 VI R 125/87, BFH/NV 1993, 105). Die vom Prozeßbevollmächtigten vorgetragenen wirtschaftlichen Nachteile -- vor allem die etwaige Notwendigkeit von Reklamationen und die Vermeidung von Handwerker-"Leerlauf" -- bewegten sich im Bereich von Mutmaßungen. Einer besonders strengen Prüfung sind solche Anträge auf Verlegung zu unterziehen, die kurzfristig vor dem Termin gestellt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 9. Dezember 1992 IV B 154/92, BFH/NV 1993, 483). Dieser Grundsatz gebot im Streitfall auch die Rücksichtnahme auf den Prozeßgegner, dessen Vertreter bereits zur Gerichtsverhandlung angereist war. Hiernach kann dahingestellt bleiben, ob die Kläger im übrigen die Rüge der Verletzung des recht lichen Gehörs ordnungsgemäß (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) erhoben haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423789

BFH/NV 1995, 533

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