Entscheidungsstichwort (Thema)
Verluste aus Wertpapier-Risikogeschäften als vGA
Leitsatz (NV)
Tätigt eine Kapitalgesellschaft ohne angemessenes Entgelt verlustträchtige Geschäfte, die im privaten Interesse ihrer Gesellschafter liegen, so kann dies zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen. Ob eine Kapitalgesellschaft ein Verlustgeschäft im eigenen Gewinninteresse oder im Interesse der Gesellschafter durchgeführt hat, ist nach denjenigen Kriterien zu prüfen, die zur Abgrenzung zwischen Einkunftserzielung und "Liebhaberei" entwickelt worden sind (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist eine GmbH, die im Wesentlichen Apotheken in wirtschaftlichen und organisatorischen Fragen berät. Seit 1989 befasste sie sich daneben in größerem Umfang mit An- und Verkauf von Wertpapieren (Aktien, Aktienoptionen, Aktientermingeschäfte) und Devisen. Alle Geschäfte wurden im Namen der Klägerin und über deren Konten getätigt. In den beiden Streitjahren 1991 und 1995 erlitt sie hieraus Verluste in Höhe von 160 126 DM (1991) und 3 436 505 DM (1995). Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) sah darin verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).
Die Klage gegen die geänderten Steuerbescheide hatte Erfolg.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des FA.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Keiner der vorgenannten Zulassungsgründe liegt im Streitfall vor.
1. Entgegen der Auffassung des FA ist zu Zwecken der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) keine Entscheidung des BFH erforderlich, um zu klären, ob das Handeln einer Kapitalgesellschaft, die spekulative Wertpapier- und Devisengeschäfte tätigt, im eigenen Interesse oder im Interesse der Gesellschafter erfolgt.
Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Kapitalgesellschaften keine außerbetriebliche Sphäre haben und daher Aufwendungen der Kapitalgesellschaft generell als Betriebsausgaben anzusehen sind (Senatsurteile vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123; vom 8. Juli 1998 I R 123/97, BFHE 186, 540). Die Annahme von Betriebsausgaben schließt zwar die Annahme von vGA nicht aus, wenn die Betriebsausgaben durch die Gesellschafterstellung veranlasst sind (Senatsurteil vom 8. August 2001 I R 106/99, BFHE 196, 173). vGA sind aber nur bei ersichtlicher Veranlassung der Aufwendungen im Gesellschaftsverhältnis anzunehmen. Der Senat hat dazu wiederholt geurteilt (z.B. Senatsurteile in BFHE 196, 173, und vom 15. Mai 2002 I R 92/00, BFHE 199, 217), dass eine Kapitalgesellschaft grundsätzlich darin frei ist, Geschäfte mit einem --auch erheblichen-- Verlustrisiko wegen der mit ihnen einhergehenden Chancen wahrzunehmen. Der Senat hat dies damit begründet, dass es nicht Zweck des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes sei, betriebliche Risiken zu vermeiden. Eine vGA ist danach erst dann anzunehmen, wenn durch die Risikogeschäfte in erster Linie private Interessen und Neigungen der Gesellschafter abgedeckt werden, beispielsweise dann, wenn die Gesellschaft sich verpflichtet, Spekulationsverluste zu tragen, Spekulationsgewinne aber an den Gesellschafter abzuführen, oder wenn sie sich erst zu einem Zeitpunkt zur Übernahme der in Rede stehenden Geschäfte entschließt, in dem sich die dauerhafte Verlustsituation bereits konkret abzeichnet (Senatsurteil in BFHE 196, 173). In seinem Urteil in BFHE 199, 217 hat der Senat zudem klargestellt, dass die Frage nach der Veranlassung derartiger Aufwendungen nach den Kriterien zu prüfen ist, die zur Abgrenzung zwischen Einkunftserzielung und "Liebhaberei" entwickelt worden sind.
Von den vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätzen ist die Vorinstanz nicht abgewichen, insbesondere auch nicht von dem Urteil in BFHE 199, 217. Das Finanzgericht (FG) hat ausdrücklich geprüft und festgestellt, dass die Klägerin durch die in Rede stehenden Geschäfte von 1989 bis Anfang 2000 einen Totalgewinn erwirtschaftet hat. Dass diese Prüfung mit dem Ergebnis einer positiven Ergebnisprognose anhand tatsächlicher Merkmale entwickelt wurde, ist nicht zu beanstanden. Das entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH. Abgesehen davon hat das FG seine Veranlassungsprüfung nicht nur auf den Aspekt der Totalgewinnprognose, sondern zusätzlich darauf gestützt, dass sich Gewinn- und Verlustjahre abwechselten, überdies, in welcher Art und Weise die Geschäfte getätigt und verbucht wurden. Diese --insoweit selbständigen und entscheidungstragenden-- Gesichtspunkte sind vom FA aber nicht angegriffen worden.
2. Es liegt auch kein Verfahrensfehler vor, auf dem das Urteil der Vorinstanz beruhen könnte. Selbst wenn das FG, wie das FA rügt, von seiner Schätzungsbefugnis bei der anzustellenden Gewinnprognose in nur unzulänglicher Weise Gebrauch gemacht hätte, läge darin doch kein Verfahrensfehler, sondern ein materieller Rechtsfehler, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 1379198 |
BFH/NV 2005, 1377 |
BB 2007, 7 |