Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhte Investitionszulage wegen sog. DDR-Ansässigkeit und Eintragung in die Handwerksrolle; NZB - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache und Bezeichnung einer Divergenz
Leitsatz (NV)
- Zu den Voraussetzungen der erhöhten Investitionszulage wegen sog. DDR-Ansässigkeit am 9. November 1989 (Tag des Mauerfalls) und Eintragung in die Handwerksrolle; hier keine Revisionszulassung.
- Mit dem Hinweis, der Sachverhalt des Streitfalles sei mit dem Sachverhalt eines anderen, im Sinne des Beschwerdeführers bereits (positiv) entschiedenen Falles vergleichbar, wird kein Meinungsstreit über eine als klärungsbedürftig herausgestellte Rechtsfrage aufgezeigt, sondern eine unzutreffende Rechtsanwendung gerügt.
- Ein Beschluss, mit dem die grundsätzliche Bedeutung der in dem zugrunde liegenden Verfahren herausgestellten Rechtsfrage - unter ausdrücklichem Hinweis auf frühere, klärende Rechtsprechung - verneint wurde, enthält insoweit keine (eigenständige) endgültige Entscheidung einer Rechtsfrage mit Bindungswirkung. Der betreffende Beschluss als solcher kann daher - hinsichtlich der gleichen Rechtsfrage - keine Divergenzentscheidung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO sein.
Normenkette
InvZulG 1993 § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt und bezeichnet.
1. Zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
Die Klägerin hält es ―im Hinblick auf die nach dem 19. April 1993 angeschafften Wirtschaftsgüter― für klärungsbedürftig, ob die Stichtagsregelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a des Investitionszulagengesetzes 1993 (InvZulG 1993) insoweit verfassungswidrig ist, als dadurch im zweiten Halbjahr 1989 ohne Genehmigung ausgereiste DDR-Bürger von der erhöhten Zulage ausgeschlossen wären.
Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit verweist die Klägerin einerseits auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Brandenburg vom 17. Oktober 1995 3 K 1163/94 I (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1996, 191) und trägt vor, ihr Fall sei dem dort entschiedenen unmittelbar vergleichbar. Das Urteil des Thüringer FG vom 31. Januar 1996 I 58/95 (EFG 1996, 672) verkenne hingegen die besondere Sachlage und berücksichtige nicht, dass der Gesetzgeber nur die Bürger aus den alten Bundesländern und Ausländer von der Begünstigung habe ausschließen wollen. Die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Urteil vom 7. Juli 1992 1 BvL 51/86 u.a. (BVerfGE 87, 1, 43) geforderte Orientierung von Stichtagsregelungen am gegebenen Sachverhalt sei nur über eine verfassungskonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a InvZulG 1993 in ihrem, der Klägerin, Sinne zu erreichen.
Eine Entscheidung dieser Fragen habe zum anderen allgemeine Bedeutung für alle illegal ausgereisten DDR-Bürger, die sich um die erhöhte Investitionszulage nach der genannten Vorschrift bemühten.
Mit diesen Ausführungen genügt die Klägerin nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, wonach ―außer der Bezeichnung der zu klärenden Rechtsfrage― insbesondere auch anzugeben ist, inwieweit die Antwort auf diese Frage umstritten ist und weshalb einer Klärung ―über den anhängigen Einzelfall hinaus― Breitenwirkung zukommt (ständige Rechtsprechung; s. z.B. den Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 5. August 1999 VI B 94/99, BFH/NV 2000, 72).
a) Mit der Gegenüberstellung der Urteile des FG des Landes Brandenburg und des Thüringer FG zeigt die Klägerin keinen Meinungsstreit im obigen Sinne auf. Sie übersieht, dass letztlich auch das FG des Landes Brandenburg (in EFG 1996, 191) von der Rechtmäßigkeit der Stichtagsregelung 9. November 1989 (Tag des Mauerfalls) ausgeht. Es hat lediglich für den von ihm entschiedenen Fall angenommen, dass der (dortige) Steuerpflichtige trotz seiner Flucht im August 1989 seinen Wohnsitz in der DDR beibehalten hatte.
Wenn die Klägerin sodann geltend macht, ihr Gesellschafter B sei unmittelbar mit dem Gesellschafter des vom FG des Landes Brandenburg entschiedenen Falles vergleichbar, so rügt sie eher eine unzutreffende Anwendung fester Rechtsgrundsätze zur Abgabenordnung (AO 1977) auf den von B verwirklichten Sachverhalt, zeigt damit aber keinen Meinungsstreit über die von ihr zuvor herausgestellte Rechtsfrage auf.
Ein derartiger Meinungsstreit ist auch aus den Ausführungen zum Urteil des BVerfG in BVerfGE 87, 1 nicht ersichtlich, zumal das BVerfG die dort zu beurteilende Stichtagsregelung als verfassungsgemäß angesehen hat.
b) Ungeachtet dessen, hat die Klägerin auch nicht die erforderliche Breitenwirkung einer möglichen Revisionsentscheidung im Streitfall dargelegt. Der bloße Hinweis, dass eine höchstrichterliche Entscheidung allgemeine Bedeutung für alle illegal ausgereisten DDR-Bürger hätte, die sich um die erhöhte Investitionszulage bemühten, genügt diesem Erfordernis nicht. Das gilt umso mehr, als es sich vorliegend um ausgelaufenes Recht handelt. Derartigen Rechtsfragen kommt regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, so dass an die Darlegung der Bedeutung ihrer Klärung für die Allgemeinheit besonders hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. insoweit z.B. den BFH-Beschluss vom 2. Mai 1995 VIII B 135/94, BFH/NV 1996, 138).
2. Zur Divergenz
a) Auch diese Rüge, die das Erfordernis der Eintragung der Klägerin in die Handwerksrolle (nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a InvZulG 1993) für die vor dem 19. April 1993 getätigten Investitionen betrifft, entspricht nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Das gilt selbst dann, wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass sie ―wie auf S. 3 der Beschwerdeschrift angedeutet― eine Abweichung vom Beschluss des BFH vom 9. März 1998 III B 209/96 (BFH/NV 1998, 1261) und damit wiederum von den in diesem Beschluss genannten Urteilen des BFH rügen wollte und nicht eine solche von dem ausdrücklich als Divergenzentscheidung bezeichneten, aber in keiner Weise einschlägigen BFH-Beschluss vom 21. Mai 1996 III B 44/93 (BFH/NV 1996, 743).
Die Klägerin hat auch so einander widersprechende tragende (abstrakte) Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der in dem betreffenden BFH-Beschluss genannten BFH-Urteile nicht schlüssig gegenübergestellt (s. zu diesem Erfordernis z.B. den Senatsbeschluss vom 28. Juli 1997 III B 81/96, BFH/NV 1998, 61).
Nach den insoweit als maßgebend anzusehenden Urteilen des erkennenden Senats vom 12. November 1996 III R 17/96 (BFHE 182, 230, BStBl II 1998, 29) und vom 26. März 1997 III R 6/96 (BFH/NV 1997, 710) reicht für die Gewährung der erhöhten Investitionszulage nach § 5 Abs. 2 InvZulG 1993 die tatsächliche Erbringung handwerklicher Leistungen allein nicht aus. Weiter kann nach denselben Urteilen in Ausnahmefällen lediglich auf die Eintragung (in die Handwerksrolle oder in das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe) bereits im Zeitpunkt des Investitionsabschlusses, nicht aber überhaupt, verzichtet werden. Die erhöhte Investitionszulage kann (für eine Übergangszeit) ausnahmsweise auch dann zu gewähren sein, wenn die Eintragung in die Handwerksrolle von einem schon tätigen Unternehmen bereits im Jahr des Investitionsabschlusses beantragt ist, aber erst im Folgejahr von der Handwerkskammer vorgenommen wird.
Genau unter Bezugnahme auf diese beiden Urteile hat das FG aber die Gewährung der erhöhten Zulage für die vor dem 19. April 1993 angeschafften Wirtschaftsgüter abgelehnt, weil die Klägerin die Eintragung in die Handwerksrolle erst im Folgejahr (1994) beantragt habe; es sei unverzichtbar, dass die begünstigten Investitionen erst nach der Antragstellung (auf Eintragung) vorgenommen würden.
Bei dieser Rechts- und Sachlage ist die Behauptung der Klägerin, das FG sei vom (maßgebenden) BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 1261 (und den dort genannten BFH-Urteilen) insoweit abgewichen, als nach seiner Auffassung der Antrag auf Eintragung in die Handwerksrolle bereits im Zeitpunkt der Beantragung der Investitionszulage hätte gestellt sein müssen, als der Zeitpunkt des Investitionsabschlusses nicht maßgeblich sei, als es ihm, dem FG, nicht ausreiche, dass die Eintragung des Betriebs überhaupt erfolgte und als die Handwerkereigenschaft bereits zum Zeitpunkt des Investitionsabschlusses hätte vorliegen müssen, z.T. nicht schlüssig und im Übrigen sogar unzutreffend oder nicht nachvollziehbar.
Bei Annahme, die Klägerin habe unmittelbar und ausschließlich eine Abweichung von dem Senatsbeschluss in BFH/NV 1998, 1261 rügen wollen, wäre die Beschwerde insoweit bereits deswegen unzulässig, weil dieser Beschluss keine Divergenzentscheidung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO sein kann. Der genannte Beschluss, mit dem die grundsätzliche Bedeutung der dort aufgeworfenen Rechtsfrage unter ausdrücklichem Hinweis auf frühere, klärende Rechtsprechung verneint wurde, enthält keine (eigenständige) endgültige Entscheidung einer Rechtsfrage mit Bindungswirkung. Das FG kann insoweit also nicht von einem tragenden Rechtssatz dieses BFH-Beschlusses i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO abgewichen sein (vgl. hierzu z.B. auch Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 11 FGO Rz. 30, zur insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 11 Abs. 2 FGO).
b) Auch der ihre Divergenzrüge abschließende Hinweis der Klägerin auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Rostock vom 16. Februar 1996 InvZ -1260 A- St 232 führt nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde.
Die Verfügung einer OFD ist keine Divergenzentscheidung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.
Weiter kann in der bloßen Wiedergabe des maßgebenden Inhalts der oben genannten OFD-Verfügung und in der (in lediglich einem Satz) behaupteten Vergleichbarkeit des dort angesprochenen Sachverhalts mit dem hier vorliegenden auch nicht etwa die ordnungsgemäße Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gesehen werden. Als zu entscheidende Rechtsfrage könnte zwar noch angesehen werden, ob eine "Übertragung" des Merkmals der Eintragung in die Handwerksrolle durch einen diese Voraussetzung erfüllenden Kommanditisten auf das Unternehmen "seiner" GmbH & Co. KG möglich ist (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 14. September 1999 III R 38/98, BFH/NV 2000, 223). Doch fehlten sodann jegliche Ausführungen dazu, warum diese Frage der höchstrichterlichen Klärung bedürfte.
Hinzu kommt noch, dass im Streitfall ―anders als in dem von der OFD Rostock angesprochenen Fall― der frühere Einzelunternehmer A nicht einziger "Inhaber" der Klägerin war. An der Komplementär-GmbH war auch sein Sohn B beteiligt. Insbesondere war A auch nicht alleiniger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Außer ihm war auch B zur Geschäftsführung berufen (s. Handelsregistereintrag vom 4. Februar 1993).
3. Von einer darüber hinausgehenden Begründung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 425699 |
BFH/NV 2000, 1139 |