Entscheidungsstichwort (Thema)
Örtliche Zuständigkeit des FA im Klageverfahren bei Wegzug des Steuerpflichtigen in ein anderes Bundesland
Leitsatz (NV)
Ist vor Erlass der Entscheidung über den Einspruch ein anderes als das ursprünglich zuständige FA für den Steuerfall örtlich zuständig geworden, ist die Klage auch dann gegen das FA zu richten, das die Einspruchsentscheidung erlassen hat (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO), wenn das örtlich zuständig gewordene FA in einem anderen Bundesland liegt.
Normenkette
FGO § 63 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das finanzgerichtliche Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Die Klage war als Anfechtungsklage zu behandeln (zur Auslegung des Klageantrags nach dem Charakter des begehrten Urteilsspruchs vgl. u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Juni 1997 I R 70/96, BFHE 183, 465, BStBl II 1998, 38, unter II. 1. der Gründe, m.w.N., und vom 20. September 1996 VI R 43/93, BFH/NV 1997, 249, m.w.N.; zur Abgrenzung von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 40 Rz. 18 f., m.w.N.) mit dem Ziel, den --sachlich begründeten-- angefochtenen Feststellungsbescheid entsprechend dem Klagebegehren abzuändern (zum Abänderungsbegehren als Unterfall der Anfechtungsklage vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 40 Rz. 15, m.w.N.). Die Feststellung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--), es sei --zwar ein laufender, aber-- kein Aufgabegewinn angefallen, bedeutet keine Ablehnung eines Verwaltungsakts, sondern die Ablehnung der Ansicht der Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1 (Klägerin zu 1), die Betriebsaufspaltung sei im Streitjahr 1995 beendet worden und es sei deshalb grundsätzlich ein Aufgabegewinn oder -verlust festzustellen. Diese Feststellung ist eine Entscheidung über eine einzelne Besteuerungsgrundlage im Rahmen des angefochtenen Feststellungsbescheides.
Eine der Folgen dieser Beurteilung ist, dass die Klage trotz zwischenzeitlicher Änderung der örtlichen Zuständigkeit des FA nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO gegen die Behörde zu richten war, die die Einspruchsentscheidung erlassen hat (vgl. dazu u.a. BFH-Urteil vom 10. Juni 1992 I R 142/90, BFHE 168, 226, BStBl II 1992, 784). Das war das FA X. Das gilt unabhängig davon, dass mit dem FA Y ein FA in einem anderen Bundesland zuständig geworden ist. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer gibt es keine an den Ländergrenzen endende verbandsmäßige Zuständigkeit (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1970 IV R 247/69, BFHE 101, 91, BStBl II 1971, 151; vom 23. November 1972 VIII R 42/67, BFHE 108, 10, BStBl II 1973, 198; Klein/ Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 26 Rz. 3 und § 17 Rz. 4, m.w.N.; Scholtz in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 26 Rz. 8 und § 16 Rz. 5; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 26 AO 1977 Tz. 16 und § 16 AO 1977 Tz. 7).
Das FA X konnte das Verwaltungsverfahren in eigener Zuständigkeit fortführen, weil in der Sache über die Beendigung der Betriebsaufspaltung und damit über eine Betriebsaufgabe zu entscheiden war (Anwendungserlass zur Abgabenordnung, BStBl I 1998, 630 zu § 26 Nr. 3); die Zustimmung des FA Y, die § 26 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) grundsätzlich voraussetzt, war deshalb nicht erforderlich (vgl. dazu u.a. Tipke/Kruse, a.a.O., § 26 AO 1977 Tz. 11). Darüber hinaus wäre der angefochtene Feststellungsbescheid nicht allein schon wegen eines Verstoßes gegen § 26 AO 1977 aufzuheben (§ 127 AO 1977); vielmehr muss das FG in diesem Fall --bei gebundenen Verwaltungsakten-- prüfen, ob eine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (BFH-Urteil vom 2. Juli 1980 I R 74/77, BFHE 131, 180, BStBl II 1980, 684, ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. auch BFH-Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 13/00, BFHE 197, 12, BStBl II 2002, 406). Das wird das FG nunmehr nachzuholen haben.
2. Der Senat übt das ihm nach § 116 Abs. 6 FGO eingeräumte Ermessen dahin aus, dass das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen wird (vgl. dazu u.a. BFH-Beschluss vom 25. April 2003 VIII B 266/02, BFH/NV 2003, 1335). Die Vorentscheidung enthält keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen für eine Entscheidung des Senats in der Sache selbst.
Fundstellen
Haufe-Index 1381484 |
BFH/NV 2005, 1579 |
DStRE 2005, 977 |