Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Ladungsmangel, wenn zugestellte Ladung von einem Justizbeamten unterschrieben ist
Leitsatz (NV)
- Aus dem Umstand, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht die richterliche Terminsverfügung, sondern nur die von einem Justizbeamten unterschriebene Ladung zu dem festgesetzten Termin zugestellt wurde, folgt nicht, dass die Ladung nicht ordnungsgemäß war.
- Eine Terminsladung wird nicht dadurch hinfällig, dass die Klägerin deren angebliche Gesetzwidrigkeit vor der mündlichen Verhandlung rügt.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 1-2, §§ 91, 116 Abs. 1 Nr. 3, § 155; ZPO § 216
Tatbestand
I. Für die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) legte ein Steuerberater als deren Prozessbevollmächtigter Klage gegen den Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ein, mit dem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt ―HZA―) den Antrag der Klägerin auf Erstattung von Mineralölsteuer aus Billigkeitsgründen abgelehnt hat. Das Finanzgericht (FG) forderte den Steuerberater unter Setzung einer Ausschlussfrist bis zum 1. Juni 1999 auf, eine Prozessvollmacht vorzulegen. Mit am 9. Juli 1999 eingegangenen Schriftsatz verwies der Steuerberater auf die in einem anderen Verfahren bereits eingereichte Vollmacht, die auch das gegenwärtige Verfahren abdecke. Die Berichterstatterin des FG wies den Steuerberater darauf hin, dass die in dem anderen Verfahren vorgelegte Vollmacht keine hinreichende Vollmacht für das gegenwärtige Verfahren darstelle und setzte ihm mit Verfügung vom 13. Juli 1999 erneut eine Ausschlussfrist für die Vorlage einer Vollmacht bis zum 16. August 1999. Diese Verfügung wurde dem Steuerberater am 17. Juli 1999 mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Das zugestellte Schriftstück enthielt den vollständigen Text der Verfügung, darunter den maschinenschriftlich gedruckten Namen der Berichterstatterin, darunter und seitlich versetzt den Vermerk
"Für die Richtigkeit
X, Justizangestellte".
Das mit dem zugestellten Schriftstück wörtlich übereinstimmende Original ist von der Berichterstatterin unterschrieben. Mit am 17. August 1999 per Telefax eingegangenen Schriftsatz vom 15. August 1999 teilte der Steuerberater mit, dass er (auch) die Fristsetzung vom 13. Juli 1999 nicht für form- und fristgerecht halte. Auf den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid hat der Steuerberater ―nunmehr unter Vorlage einer Vollmacht― Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
Die Terminsladung zur mündlichen Verhandlung wurde dem Steuerberater zugestellt. Sie ist von der Geschäftsstelle des FG gefertigt worden und war von dem Justizhauptsekretär L unterzeichnet; in ihrem Eingangssatz enthält sie den Hinweis auf die erfolgte Terminbestimmung. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erschien weder die Klägerin noch deren Prozessbevollmächtigter.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Es führte im Einzelnen u.a. aus, dass die Klägerin über ihren durch die nachgereichte Vollmacht ordnungsgemäß legitimierten Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß geladen worden sei. Erhebliche Gründe für eine Aufhebung oder Vertagung des Termins seien nicht ersichtlich. Für die Klage habe es an den erforderlichen Sachurteilsvoraussetzungen gefehlt, weil die Bevollmächtigung nicht innerhalb der ordnungsgemäß gesetzten Ausschlussfrist nachgewiesen worden sei.
Außer ihrer im Einzelnen begründeten Nichtzulassungsbeschwerde (Az. VII B 59/00) hat die Klägerin im selben Schriftsatz auch Revision eingelegt, "um gewissen bekannten Unsicherheiten in der Rechtsprechung über die prozess- und revisionsrechtliche Qualität der geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 = NZB - § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO = zulassungsfreie Revision) Rechnung zu tragen".
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig und deshalb gemäß § 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen.
1. Der Senat lässt es dahingestellt, ob sie schon deshalb unzulässig ist, weil die Klägerin keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat (§ 120 Abs. 1 FGO). Unter Umständen könnte der Antrag aus der Revisionsbegründung entnommen werden (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. § 120 Rdnr. 27, m.w.N.).
2. Die Revision ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil sie nicht zugelassen ist und der unter Bezugnahme auf den im Verfahren erster Instanz eingereichten Schriftsatz vom 10. Dezember 1999 (zur Zulässigkeit der Bezugnahme in Ausnahmefällen vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 34 a.E.) geltend gemachte Revisionsgrund (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO), der zu einer zulassungsfreien Revision führen würde, nicht ordnungsgemäß dargelegt ist (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Denn der behauptete Vertretungsmangel (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO, § 119 Nr. 4 FGO) ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Zwar kann in dem Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte oder die Klägerin nicht oder nicht ordnungsgemäß geladen war, ein Mangel in der Vertretung liegen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhof ―BFH― vom 24. August 1994 XI R 35/94, BFHE 175, 507, BStBl II 1995, 64). Daraus, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht die richterliche Terminsverfügung, sondern nur die von einem Justizbeamten unterschriebene Ladung vom 16. November 1999 zu dem festgesetzten Termin zugestellt wurde, folgt aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass die Ladung nicht ordnungsgemäß war.
Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 216 der Zivilprozeßordnung ist es zwar Aufgabe des Vorsitzenden, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen. Sobald dies ―wie im Streitfall durch Verfügung des Vorsitzenden vom 16. November 1999― geschehen ist, gehört es aber zu den Aufgaben der Geschäftsstelle, die Beteiligten gemäß § 91 FGO zu dem festgesetzten Termin zu laden (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Juli 1997 II B 89/96, BFH/NV 1998, 459; Gräber/Koch, a.a.O., § 91 Rdnr. 9). Dies geschieht in der Regel durch ein Schreiben der Geschäftsstelle, mit dem den Beteiligten der für die mündliche Verhandlung festgesetzte Termin mitgeteilt und die Ladung ausgesprochen wird (BFH in BFH/NV 1998, 459). Dieses Schreiben ist gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FGO nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes zuzustellen. Im Streitfall ist die Urschrift der Ladung zugestellt worden. Es ist nicht erforderlich, dass die Urschrift der Ladung mit einem Dienstsiegel versehen wird. Aus dem weiter gerügten Fehlen eines solchen Dienstsiegels auf der dem Prozessbeteiligten der Klägerin zugestellten Ladung lässt sich daher ebenfalls nicht auf deren Fehlerhaftigkeit schließen.
Die Ladung ist schließlich nicht dadurch hinfällig geworden, dass die Klägerin deren angebliche Gesetzwidrigkeit vor der mündlichen Verhandlung gerügt hat. Es war auch nicht erforderlich, den Termin auf die Rüge der Klägerin hin aufzuheben und zunächst darüber zu entscheiden, ob die Ladung ordnungsgemäß erfolgt ist. Es reicht aus, wenn das Gericht feststellt, dass die Ladung ordnungsgemäß erfolgt ist, und dies ―wie geschehen― im Urteil begründet.
Fundstellen