Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur zulassungsfreien Revision wegen mangelnder Vertretung i. S. v. § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO; Ablehnung der Vertagung durch FG
Leitsatz (NV)
1. Ein Beteiligter ist im finanzgerichtlichen Verfahren auch dann als ordnungsgemäß vertreten anzusehen, wenn sich aus seinem gesamten Verhalten mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, daß er der Klageerhebung durch den Prozeßvertreter, der keine Vollmacht vorgelegt hat, zugestimmt hat.
2. Die Weigerung des FG, den für die mündliche Verhandlung angesetzten Termin zu vertagen, und die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne den Vertreter des Beteiligten begründen nicht die Rüge der fehlenden Vertretung im Verfahren gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die X-Steuerberatungsgesellschaft hatte für die Kläger und Revisionskläger (Kläger) für die Streitjahre 1982 und 1983 Klage erhoben und angekündigt, die Vollmacht der Kläger nachzureichen. Nachdem der Senatsvorsitzende des FG die Vertreterin vergeblich aufgefordert hatte, die Prozeßvollmachten einzureichen, bestimmte er Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. September 1990; mit der Ladung wurde die Vertreterin nochmals aufgefordert, die Prozeßvollmacht binnen 10 Tagen, spätestens im Termin vorzulegen. Mit Schreiben vom 10. September 1990 legte die Vertreterin die Fotokopie einer auf sie lautenden Vollmacht der Kläger betreffend die Feststellungszeiträume 1984 bis 1986 vor; zeitgleich beantragte sie, die mündliche Verhandlung auf den Zeitraum November 1990 zu verschieben, da sie die notwendige Klagebegründung nicht früher dem Gericht einreichen könne. Am 11. September 1990 teilte daraufhin das Gericht der Vertreterin mit, daß der Termin zur mündlichen Verhandlung nicht aufgehoben werde, weil bislang keine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht vorgelegt worden sei.
In der mündlichen Verhandlung am 12. September 1990 waren weder die Kläger noch deren Vertreterin anwesend. Das FG hat die Klage abgewiesen und die Vertreterin verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Mit der Revision rügen die Kläger, sie seien im finanzgerichtlichen Verfahren nicht vertreten gewesen. Hierin liege ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO. Nachdem das FG die von der Vertreterin vorgelegte Vollmacht als nicht ausreichend angesehen habe, hätte die Aufforderung zur Vorlage der Vollmacht an die Kläger selbst ergehen müssen. Darüber hinaus sei das FG auch gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO verpflichtet gewesen, die Kläger selbst zum Verfahren heranzuziehen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Die Kläger haben einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht schlüssig gerügt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Juni 1989 V R 112/88, V B 72/89, BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850).
Zu den Fällen fehlender ordnungsgemäßer Vertretung i. S. v. § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO zählt grundsätzlich zwar auch das Fehlen der Bevollmächtigung des aufgetretenen gewillkürten Vertreters (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 119 Anm. 17; Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 116 FGO Tz. 17). Ohne Bevollmächtigung in diesem Sinn handelt aber nicht der zur Prozeßführung Bevollmächtigte, der es lediglich versäumt, die schriftliche Vollmacht gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO vorzulegen (BFH-Beschluß vom 27. Juli 1990 VIII R 1/90, BFH/NV 1991, 254).
Im Streitfall haben die Kläger der Klageerhebung durch die Vertreterin zugestimmt. Abgesehen davon, daß die Kläger nicht ausdrücklich geltend gemacht haben, die Klage sei ohne oder sogar gegen ihren Willen erhoben worden, kann das Schreiben des Klägers zu 2 vom 8. März 1991 an das FG nur dahin verstanden werden, daß die Vertreterin, die die Kläger im Einspruchsverfahren bevollmächtigt hatten, in Kenntnis und mit Einverständnis der Kläger die Klage erhoben hatte; der Kläger zu 2 begründet seinen Antrag auf Akteneinsicht in dem bezeichneten Schreiben gegenüber dem FG damit, daß die Vertreterin ,,nach Klageerhebung" den Klägern keinerlei Mitteilung über irgendeinen Verfahrensstand noch über das ergangene Urteil gemacht habe. Auch in dem Schreiben des Klägers zu 2 an das FA vom 22. März 1991 wird lediglich darauf hingewiesen, daß die in dem angefochtenen Urteil dargestellten Vorgänge während des Klageverfahrens den Klägern nicht bekannt gewesen seien.
Schließlich begründen auch die Weigerung des FG, den für die mündliche Verhandlung angesetzten Termin zu vertagen, und die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne die Vertreterin der Kläger nicht die Rüge fehlender Vertretung im Verfahren gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO (vgl. den BFH-Beschluß vom 11. April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401). Allenfalls könnte insoweit die Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs i. S. des § 119 Nr. 3 FGO in Betracht kommen, die jedoch die zulassungsfreie Revision (§ 116 FGO) nicht begründen kann (BFH-Beschluß vom 17. Februar 1988 VII R 114/87, BFH/NV 1988, 716).
Fundstellen
Haufe-Index 417995 |
BFH/NV 1992, 187 |