Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung des Verfahrens entsprechend § 74 FGO

 

Leitsatz (NV)

Wird ein Steuerbescheid (Erstbescheid) durch einen Änderungsbescheid ersetzt, der ebenfalls mit dem Einspruch angefochten wird, muß das FG das gegen den Erstbescheid gerichtete Verfahren auch dann in entsprechender Anwendung des § 74 FGO aussetzen, wenn es möglicherweise wegen Fehlens einer Prozeßvoraussetzung (Einspruchsentscheidung) nicht mehr zu einer Sachprüfung kommen kann.

 

Normenkette

FGO § 74

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) ist seit 1986 Rechtsnachfolgerin der X-KG; diese wurde durch Umwandlungsbeschluß vom . . . Rechtsnachfolgerin der Y-GmbH.

Die Y-GmbH vertrieb in den Jahren 1970 und 1971 Getränke verschiedener Art. Nach einer Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) Umsatzsteuerbescheide für 1970 und 1971 vom 15. Mai 1973. Die Bescheide waren gerichtet an die X-KG als Rechtsnachfolgerin der Y-GmbH. Gegen diese Bescheide legte die X-KG Einspruch ein. Die Einspruchsentscheidung vom 12. November 1973 erging ,,in der Umsatzsteuersache 1968 bis 1971 der Y-GmbH - Einspruchsführerin -".

Während des anschließenden Klageverfahrens erließ das FA für die Jahre 1970 und 1971 Änderungsbescheide, gegen die die X-KG ebenfalls Einspruch einlegte.

Die Klage der X-KG gegen die ursprünglichen Bescheide wies das Finanzgericht (FG) ab. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob mit Urteil vom 7. Mai 1987 V R 56/79 (BFHE 150, 85, BStBl II 1987, 582) das FG-Urteil, soweit es die Streitjahre 1970 und 1971 betraf, auf, um dem FG Gelegenheit zu geben, das Verfahren bis zur Entscheidung über den Einspruch gegen die Änderungsbescheide auszusetzen.

Nachdem das FA mit Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 1988 den Einspruch gegen die Änderungsbescheide zurückgewiesen hatte, erhob die Beschwerdeführerin Klage, über die das FG noch nicht entschieden hat.

Mit Beschluß vom 10. Januar 1990 setzte das FG das Verfahren bis zu einer abschließenden Entscheidung in der Klagesache aus. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde, mit der sie geltend macht: Die Einspruchsentscheidung vom 12. November 1973, in der die Y-GmbH als Einspruchsführerin bezeichnet worden ist, sei unwirksam, weil sie an eine nicht mehr bestehende juristische Person gerichtet gewesen sei. Das FG müsse die Einspruchsentscheidung aufheben. Zu einer Sachentscheidung könne es wegen des Fehlens einer Prozeßvoraussetzung nicht mehr kommen. Das Verfahren über den Änderungsbescheid sei nicht vorgreiflich im Sinne des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO). In diesem Fall sei die Aussetzung des Verfahrens weder geboten noch zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat das Verfahren zu Recht ausgesetzt.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die auf den Beschluß des Großen Senats vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72 (BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231) zurückgeht, muß das sich gegen einen Erstbescheid richtende Rechtsmittelverfahren ausgesetzt werden, wenn ein Zweitbescheid (Änderungsbescheid) ergeht und streitig ist, ob der Zweitbescheid auf Dauer den Erstbescheid ersetzen wird. Denn der Änderungsbescheid nimmt den Erstbescheid in seinen Regelungsinhalt mit auf. Solange der Änderungsbescheid Bestand hat, entfaltet der ursprüngliche Bescheid keine Wirkung. Verfahrensrechtlich hat dies zur Folge, daß dem gegen den Erstbescheid anhängigen Verfahren die Grundlage entzogen ist. Stellt der Kläger keinen Antrag nach § 68 FGO, so muß der Ausgang des Verfahrens gegen den Änderungsbescheid abgewartet werden. Der Sachverhalt ähnelt dem in § 74 FGO geregelten Fall. Die Aussetzung erfolgt daher in entsprechender Anwendung der Vorschrift (vgl. Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 68 Rdnr. 31 a. E.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417388

BFH/NV 1991, 606

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