Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Anwendung des § 468 AO auf Fälle, in denen Steuerschuldner und Teilnehmer an der Straftat nicht personengleich sind.
Normenkette
AO § 468
Tatbestand
Der Vorsitzende des Schöffengerichts hat in einem Verfahren wegen Beihilfe zu einer vorsätzlichen Steuerverkürzung gegen Angestellte einer Genossenschaft an den Bundesfinanzhof gemäß § 468 AO den Antrag gestellt zu entscheiden, ob die Genossenschaft für Verkäufe an Nichtmitglieder steuerpflichtig geworden sei. Das Steuerstrafverfahren richtet sich, nachdem es gegen den verstorbenen Vorsitzenden der Genossenschaftsmeierei gemäß § 206 der Strafprozeßordnung (StPO) eingestellt ist, nur noch gegen Angestellte der Genossenschaft. Die Steuerforderungen gegen die Genossenschaft sind rechtskräftig. Nach der Einspruchsentscheidung in der Umsatzsteuersache hat die Genossenschaft ihre die übrigen Steuern betreffenden Einsprüche zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Dem Antrage kann nicht stattgegeben werden.
§ 468 AO bezweckt zu verhüten, daß im Steuerstrafverfahren gegen dieselben Personen voneinander abweichende Entscheidungen der Finanzämter und der Strafgerichte über das Bestehen eines Steueranspruches ergehen (Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen -- RGSt -- Bd. 58 S. 41, Bd. 66 S. 248; Beschluß des Reichsfinanzhofs VI e F 9/24 vom 21. Januar 1925, Slg. Bd. 15 S. 199). Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs kommt eine Bindung des Strafgerichts an eine im Finanzrechtsweg ergangene Entscheidung nur dann in Betracht, wenn der Angeklagte Steuerschuldner ist, nicht dagegen dann, wenn er nur auf Grund eigener strafbarer Handlung für den hinterzogenen Betrag haftet (RGSt Bd. 57 S. 212, 216). Das Reichsgericht hat deshalb den § 468 AO in einem Verfahren, das gegen den Geschäftsführer einer GmbH wegen Hinterziehung von Steuern der Gesellschaft geführt wurde, für nicht anwendbar erachtet (RGSt Bd. 70 S. 3, Reichsgericht 3 D 278/37 vom 13. September 1937, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung 1931, § 468 Allgemeines, Rechtsspruch 38). Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Rechtsauffassung im Urteil 4 StR 376/59 vom 6. November 1959 (BStBl 1960 I S. 286) angeschlossen. Auch im vorliegenden Fall sind die Angeklagten und die Steuerpflichtige verschiedene Personen. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs würde daher nach der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs das Schöffengericht nicht binden.
Bei dieser Rechtslage sind die Voraussetzungen für die beantragte Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht gegeben. Der Antrag muß somit abgelehnt werden.
Im übrigen hätte das Strafgericht in seinem Antrag zum Ausdruck bringen müssen, daß und aus welchen Gründen es beabsichtigte, von der rechtskräftigen Entscheidung des Finanzamts abzuweichen (§ 468 Abs. 1 Satz 4 AO; Beschluß des Bundesfinanzhofs IV F 2/51 U vom 6. März 1952, BStBl 1952 III S. 103, Slg. Bd. 56 S. 261).
Fundstellen
Haufe-Index 424587 |
BStBl III 1962, 289 |
BFHE 1963, 58 |