Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs durch einen vormerkungsgesicherten Ersterwerber und Grundpfandgläubiger
Leitsatz (NV)
- Die Rechtsfrage, ob die fortbestehende Stellung eines Ersterwerbers als Grundpfandrechtsgläubiger einer Rückgängigmachung des Erwerbs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 entgegensteht, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie ohne weiteres zu verneinen ist.
- Nimmt der durch Vormerkungen gesicherte Ersterwerber mehrerer Grundstücke es hin, dass der Veräußerer die Grundstücke nochmals, aber mit der Maßgabe verkauft, dass die Zweiterwerber den Kaufpreis an den Ersterwerber zahlen müssen, bewilligt er aber die Löschung der Vormerkungen jeweils erst nach Prüfung der Verträge mit den Zweiterwerbern, befindet er sich unter dem Gesichtspunkt fortbestehender Bindungen aus dem Ersterwerb in einer Rechtsposition, die über diejenige eines bloßen Grundpfandrechtsgläubigers hinausgeht.
Normenkette
GrEStG 1983 § 16 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut, erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 31. Mai 1991 den aus mehreren Grundstücken bestehenden Grundbesitz eines ihrer Kunden gegen Übernahme der jeweils in Abteilung II und III der Grundbücher verzeichneten Lasten und Grundpfandrechte. Gemäß § 2 des Vertrages verpflichtete sich die Klägerin, als Gläubigerin der Grundpfandrechte weder aus diesen, noch aus den zugrunde liegenden Forderungen gegen den Kunden vorzugehen. In § 5 des Vertrages war vereinbart, dass die Klägerin mit sofortiger Wirkung in die für die erworbenen Grundstücke bestehenden Nutzungsverträge eintrete und den Kunden von allen sich aus diesen Verträgen ergebenden Verpflichtungen freistelle. Nach § 10 des Vertrages war sie berechtigt, von dem Vertrag zurückzutreten, und zwar auch bezüglich nur eines oder einzelner der erworbenen Grundstücke. Im Falle eines Rücktritts sollten die "Freistellungsverpflichtungen" aus den §§ 2 und 5 des Vertrages erhalten bleiben.
Eine Umschreibung der Grundstücke erfolgte nicht. Die Eigentumsverschaffungsansprüche wurden jedoch durch Vormerkung gesichert. Nachdem am 14. Juni 1991 das Konkursverfahren über das Vermögen des Kunden eröffnet worden war, veräußerte stattdessen der Konkursverwalter die Grundstücke im Juli und August 1991 einzeln an unterschiedliche Interessenten, wobei letztere die jeweils hinter den dinglich gesicherten Forderungen der Klägerin zurückbleibenden Kaufpreise unmittelbar an die Klägerin zu zahlen hatten. Nach Abschluss des einzelnen Grundstückskaufvertrages erklärte die Klägerin jeweils beschränkt auf das betroffene Grundstück ihren Rücktritt vom ursprünglichen Kaufvertrag und bewilligte insoweit die Löschung der Vormerkung.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) erkannte die Rücktritte nicht als Rückgängigmachung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 an und erließ am 28. Februar 1994 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer. Danach ergab sich eine Bemessungsgrundlage von insgesamt X DM.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Klägerin hatte vorgetragen, der Vertrag vom 31. Mai 1991 sei im Rahmen eines Sanierungsvergleichs geschlossen worden, der Vergleich aber durch das Konkursverfahren gescheitert. Sie habe daher dem Konkursverwalter zugesagt, dass dieser die Grundstücke verkaufen könne. Dass sie den Rücktritt jeweils erst nach Abschluss der Kaufverträge erklärt habe, sei unerheblich.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung wegen der Frage zu, ob die fortbestehende Stellung des Erwerbers als Grundpfandrechtsgläubiger einer Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 entgegenstehe. Sodann rügt sie, die Vorentscheidung weiche von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Dezember 1985 II R 171/84 (BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271) sowie vom 11. Oktober 1995 II R 97/93 (BFH/NV 1996, 260) ab.
Schließlich trägt die Klägerin vor, die Vorentscheidung beruhe auf dem Verfahrensmangel einer Verletzung des Rechts auf Gehör. Das Finanzgericht (FG) habe überraschend darauf abgestellt, dass der Kunde selbst bereits am 3. Juni 1991 den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen gestellt habe, und dies den Konkursakten entnommen. Ihr, der Klägerin, seien die Konkursakten vor der mündlichen Verhandlung aber nicht zugänglich gewesen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu.
Die Rechtsfrage, ob die fortbestehende Stellung eines Ersterwerbers als Grundpfandrechtsgläubiger einer Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 entgegensteht, ist im Streitfall nicht klärungsbedürftig. Die Frage stellt sich nicht, weil im Streitfall als besondere Umstände hinzukommen, dass die Zweiterwerber ihre Kaufpreise an die Klägerin als Ersterwerberin zu zahlen hatten und der Klägerin durch die erst nachträglich erklärten Rücktritte i.V.m. der Löschungsbewilligung für die Vormerkung die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die erneute Veräußerung verblieb. Die Erheblichkeit dieser Besonderheiten macht den Kern des vorliegenden Rechtsstreits aus. Im Übrigen wäre die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, käme es im Streitfall auf sie an, auch deshalb nicht klärungsbedürftig, weil sie ohne weiteres zu verneinen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309, unter 2. b).
2. Die gerügten Abweichungen von Entscheidungen des BFH liegen nicht vor. Die dem FG zugeschriebenen abstrakten Rechtssätze, die die Klägerin den angeführten Rechtssätzen aus den zitierten Entscheidungen des BFH gegenübergestellt hat, lassen entweder keine Abweichung erkennen oder sind so verkürzt, dass sie dem rechtlichen Gehalt der Aussagen des FG nicht mehr entsprechen und daher in der wiedergegebenen Form nicht tragend gewesen sind.
a) Dem Urteil des BFH in BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271 hat die Klägerin die beiden Rechtssätze entnommen, dass das Interesse des Verkäufers an einem Verkauf des Grundstücks unerheblich ist und dass zu prüfen sei, ob aus dem Ersterwerb Bindungen von grunderwerbsteuerlicher Bedeutung bestehen geblieben sind. Beiden Rechtssätzen ist als Aussage des FG gegenübergestellt worden, dass auf die Interessenlage des Ersterwerbers und damit auf dessen fortbestehende Gläubigerinteressen abzustellen sei. Dass diese Aussage nicht von dem ersten der beiden wiedergegebenen Rechtssätze des BFH abweicht, ergibt sich bereits daraus, dass einmal von den Interessen des Verkäufers und zum anderen von den Interessen des Ersterwerbers die Rede ist. Allenfalls hinsichtlich des zweiten abstrakten Rechtssatzes des BFH, wonach fortbestehende Bindungen von grunderwerbsteuerlicher Bedeutung einer Rückgängigmachung des Ersterwerbs entgegenstehen, könnte sich eine Abweichung ergeben, wenn das FG tatsächlich fortbestehende Interessen des Ersterwerbers als Grundpfandrechtsgläubiger hätte ausreichen lassen, um eine Rückgängigmachung des Ersterwerbs zu verneinen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ausschlaggebend für das FG war vielmehr, dass die Klägerin aufgrund der erst nachträglich erklärten Rücktritte und erteilten Löschungsbewilligungen für die Vormerkung in der Lage war, den einzelnen neuen Grundstückskaufvertrag aus dem Blickwinkel ihrer Gläubigerinteressen insbesondere bezüglich der Höhe des erzielten Kaufpreises zu überprüfen und vom Ergebnis dieser Prüfung abhängig zu machen, ob der Rücktritt erklärt und die Löschungsbewilligung erteilt wird. Ob diese Ansicht richtig ist oder nicht, ist lediglich eine Frage zutreffender Rechtsanwendung der im Urteil des BFH in BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271 aufgestellten Rechtssätze und keine Frage der Abweichung.
Soweit der BFH in dem Urteil zusätzlich ausgesprochen hat, es schade nicht, wenn der Verkäufer einen Teil des Kaufpreises aus dem ersten Verkauf als Entgelt dafür behält, dass er den Käufer aus dem Kaufvertrag entlässt, ist keine Abweichung der Vorentscheidung dargelegt worden. Die bestehen gebliebenen Freistellungsverpflichtungen der Klägerin sind weder von den Beteiligten noch vom FG in einen Zusammenhang mit einer vorzeitigen Entlassung aus dem ursprünglichen Kaufvertrag gebracht worden. Dazu bestand angesichts des vertraglichen Rücktrittsrechts der Klägerin auch kein Anlass.
b) Auch die geltend gemachte Abweichung des FG von der Entscheidung des BFH in BFH/NV 1996, 260, wonach es der Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 nicht entgegenstehe, wenn der Verkäufer das Grundstück im Vorgriff auf die Wiedererlangung seiner ursprünglichen Rechtsposition bereits vor Aufhebung des Kaufvertrages mit dem Erstkäufer im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an einen Zweiterwerber verkaufe, beruht auf einer verkürzten Wiedergabe der Aussagen des FG. Die Vorentscheidung enthält zwar die Aussage, allein der Umstand, dass die Rücktrittserklärungen erst nach Abschluss der neuen Kaufverträge erfolgten, begründe die Vermutung, der Ersterwerber habe sich Einfluss auf den Inhalt der Neuverträge sichern wollen; in dieser Form ist die Aussage aber nicht zum tragenden Rechtssatz der Vorentscheidung geworden. Wie die weiteren Ausführungen auf Seite 8 der Vorentscheidung ergeben, war für das FG die zeitliche Abfolge von Neuverträgen und Rücktrittserklärungen gerade nicht allein entscheidend; ausschlaggebend war für das FG vielmehr das zeitliche Nacheinander i.V.m. der Tatsache, dass die Klägerin wegen der bestehenden Auflassungsvormerkung einen Vollzug der einzelnen Grundstückskaufverträge verhindern konnte, wenn ihr die erzielten Kaufpreise zu gering erschienen.
3. Die Rüge der Verletzung des Rechts der Klägerin auf Gehör ist nicht schlüssig erhoben. Die Verletzung des Rechts auf Gehör stellt einen Verfahrensmangel dar, auf dessen Geltendmachung entsprechend § 295 der Zivilprozeßordnung verzichtet werden kann (so Beschlüsse des BFH vom 3. Juni 1992 II B 192/91, BFH/NV 1993, 34, sowie des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 1976 VI C 3/76, Neue Juristische Wochenschrift 1976, 1705, 1706). Infolgedessen gehört zur schlüssigen Darlegung eines derartigen Verfahrensmangels der Vortrag, dass der Verfahrensverstoß in der Vorinstanz gerügt wurde oder weshalb eine derartige Rüge nicht möglich war (vgl. dazu Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Anm. 38, sowie § 120 Anm. 38). Daran fehlt es im Streitfall.
Fundstellen
Haufe-Index 447448 |
BFH/NV 2001, 204 |