Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Terminsverlegung „in letzter Minute“
Leitsatz (NV)
- Im Regelfall kann ein Kläger am besten beurteilen, ob er wegen einer erneuten Erkrankung wieder an der Wahrnehmung eines anberaumten Termins verhindert sein wird. Danach richtet sich auch die Notwendigkeit, vorsorglich einen Bevollmächtigten zu beauftragen.
- Eine ausreichende Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens erfordert die substantiierte Darlegung des Klägers, inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und er in seinen Rechten verletzt ist.
- Ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor, wenn der Vorsitzende oder der Berichterstatter dem Kläger keine Ausschlussfrist (§ 65 Abs. 2 FGO) zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens setzt.
Normenkette
FGO §§ 91, 65; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 227
Gründe
Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
I. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
1. Insbesondere sind die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Nachdem der Vorsitzende des 1. Senats des Finanzgerichts (FG) Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 16. März 1999 anberaumt hatte, wurden beide Kläger durch Postzustellungsurkunde geladen. Die Ladung des Klägers wurde der Klägerin am 24. Februar 1999 ausgehändigt. Die Ladung der Klägerin wurde am 22. Februar 1999 durch Niederlegung bei der Post und Einlegung einer Benachrichtigung in den Hausbriefkasten und durch persönliche Übergabe am 26. Februar 1999 zugestellt. In den Ladungen wurde darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Juli 1985 I R 142/82, BFH/NV 1986, 412) ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör trotz Versagung einer beantragten Aufhebung oder Verlegung des anberaumten Termins wegen Erkrankung nicht gegeben, wenn das Gericht zuvor angekündigt hatte, dass eine Verhinderung nur bei Vorlage eines amtsärztlichen Attestes angenommen werden könne. Die Versagung kann trotz Vorliegens erheblicher Gründe ermessensgerecht sein, wenn offenkundig Prozessverschleppungsabsicht besteht oder der Beteiligte seine prozessualen Mitwirkungspflichten in anderer Weise erheblich verletzt (BFH-Beschlüsse vom 29. Juni 1992 V B 9/91, BFH/NV 1993, 180, sowie vom 20. Juni 1974 IV B 55-56/73, BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637, und vom 26. November 1997 IV B 81/97, BFH/NV 1998, 1104).
Da die Kläger ihren Mitwirkungspflichten bereits im Steuerfestsetzungs- und Rechtsbehelfsverfahren nachhaltig nicht nachgekommen sind, ist im Streitfall von einer ermessensgerechten Versagung der beantragten Terminsänderung auszugehen. Zudem konnte das FG wegen der in anderen Klageverfahren geltend gemachten Erkrankungen des Klägers zur Glaubhaftmachung einer nochmaligen Verhinderung die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes verlangen (§ 227 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―). Dem steht auch die bloße Behauptung der Kläger nicht entgegen, die angesprochenen Gesundheitsämter hätten mangels Beauftragung durch ein Gericht oder eine Behörde die Ausstellung eines amtsärztlichen Attestes abgelehnt. Das FG hatte bei der Ladung vorsorglich auf der Vorlage eines amtsärztlichen Attestes bestanden. Die Kläger hätten daher unter Vorlage dieser Ladung die Untersuchung des angeblich erkrankten Klägers erreichen können. Im Übrigen war die Klägerin nicht am Erscheinen in der mündlichen Verhandlung verhindert. Selbst wenn sie nicht in die steuerlichen Angelegenheiten eingearbeitet gewesen sein mag, so hätte sie gegenüber dem FG die Verhinderung des Klägers bekunden können.
3. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag der Kläger, sie hätten nicht "vorsichtshalber" für mögliche Erkrankungen einen Bevollmächtigten beauftragen können. Sie selbst konnten am besten beurteilen, ob der Kläger durch eine erneute Erkrankung an der Wahrnehmung des anberaumten Termins verhindert sein könnte. Auch wussten sie, dass sie sowohl den Einspruch als auch die Klage nicht begründet hatten. Zudem haben sie ―durch Vorlage des privatärztlichen Attestes― selbst vorgetragen, dass der Kläger bereits seit dem 12. März 1999 erkrankt und nicht verhandlungs- und reisefähig gewesen sei. Sie haben das FG aber erst durch das Telefax vom 15. März 1999 unterrichtet, es sei ihnen nicht möglich, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst nicht verhindert war, der Ladung zu folgen.
4. Es ist auch nicht erkennbar, dass das FG § 65 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt hätte und aus diesem Grund die Revision zugelassen werden müsste. Eine i.S. von § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ausreichende Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens erfordert die substantiierte Darlegung des Klägers, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und er in seinen Rechten verletzt ist (st. Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99; Senatsurteil vom 27. Juni 1996 IV R 61/95, BFH/NV 1997, 232). Die Kläger haben in ihrer Klageschrift vom 1. September 1998 aber nur die Steuerart, das Streitjahr und die Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) angegeben. Doch war diese der Klageschrift nicht beigefügt.
5. Das FG hat auch § 65 Abs. 2 FGO nicht verletzt. Die Kläger sind nach Eingang ihrer Klageschrift aufgefordert worden, ihre Klage ―wie bereits von ihnen selbst angekündigt― zu begründen. Das FG hätte aus der angeforderten Begründung erkennen können, inwiefern die Kläger nach ihrer Ansicht durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1989 in ihren Rechten verletzt sein könnten.
6. Entgegen der Ansicht der Kläger liegt kein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darin, dass ihnen keine Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzt wurde. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird damit dem Gericht die Möglichkeit eingeräumt, die unterlassene Bezeichnung der sog. Musserfordernisse einer Klage mit einer Sanktion zu belegen; der Vorsitzende oder der von ihm beauftragte Berichterstatter "kann" diese Ausschlussfrist setzen. Es wird allerdings die Ansicht vertreten, das Setzen dieser Frist sei in das pflichtgemäße Ermessen des Richters gestellt und dieses würde sich bei einer fristgebundenen Klage auf Null reduzieren (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 65 Anm. 61; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, 17. Aufl., § 65 Anm. 4; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Tz. 7). Doch darf bei der Setzung dieser Ausschlussfrist der Anspruch des Bürgers auf eine möglichst wirksame Kontrolle der Akte der öffentlichen Gewalt nicht unnötig erschwert werden (Senatsurteil in BFH/NV 1997, 232). Deshalb erscheint es jedenfalls nicht als unzulässig, dass das Gericht von dieser Sanktionsmöglichkeit absieht (gl.A. Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 65 FGO Rz. 123). Das hat nämlich nur zur Folge, dass der betreffende Rechtsuchende die unterlassene Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens noch in der mündlichen Verhandlung nachholen kann und das Gericht dann die Sache ggf. vertagen muss.
II. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Wie sich aus den Ausführungen zu I. 2. und 3. ergibt, kann es im Einzelfall darauf ankommen, ob die Beteiligten die geltend gemachten Gründe für eine Verhinderung ihrer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung in der vom Gericht geforderten Weise glaubhaft machen oder nicht. Deshalb kann allein der Hinweis darauf (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, Zivilprozeßordnung, 58. Aufl., § 227 Tz. 16), dass sich ein Kläger im Normalfall selbst vertreten kann und nicht "vorsichtshalber" mit unnötigen Kosten für einen Bevollmächtigten belastet werden darf, der Rechtssache noch keine grundsätzliche Bedeutung geben. Zudem ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt, dass die Versagung einer beantragten Terminsänderung trotz erheblicher Gründe ermessensgerecht sein kann, wenn der Beteiligte seine Mitwirkungspflichten bereits im Veranlagungs- und Rechtsbehelfsverfahren verletzt hat und trotz einer bestehenden Erkrankung keine Vorsorge für die Wahrnehmung eines Termins trifft (vgl. Senatsbeschlüsse in BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637; in BFH/NV 1998, 1104, m.w.N.). Mit dieser Rechtsprechung haben sich die Kläger jedoch nicht auseinandergesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 426527 |
BFH/NV 2000, 1354 |