Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung bei zu spät eingehendem Antrag auf Fristverlängerung einer Ausschlussfrist
Leitsatz (NV)
- Ein Antrag auf Verlängerung einer gesetzten Ausschlussfrist muss nicht mehr beschieden werden, wenn er so spät eingeht, dass er nicht mehr beschieden oder die noch ausstehende Prozesshandlung nicht mehr erfolgen kann.
- Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs wird nicht verletzt, wenn das FG einen Antrag auf Verlängerung einer gesetzten Ausschlussfrist nicht mehr ausdrücklich bescheidet, es dem Kläger aber ausdrücklich Gelegenheit gegeben hat, ein fehlendes Verschulden am Versäumen der Ausschlussfrist glaubhaft zu machen.
- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen ist nicht zu gewähren, wenn dem Kläger bereits seit längerem vorbereitete Gewinnermittlungen, auf die er sich zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens hätte beziehen können, vorliegen und er seinen Bürobetrieb ‐ trotz geltend gemachter zusätzlicher Arbeitsbelastung ‐ unverändert aufrecht erhält.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 2 S. 4, § 65 Abs. 2, § 76 Abs. 2, § 96 Abs. 2
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 26.08.2001; Aktenzeichen 12 K 5166/00) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat einen Verfahrensmangel, auf dem das angegriffene Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), nicht schlüssig gerügt. Er hätte dazu Tatsachen vortragen müssen, aus denen sich ―ihre Richtigkeit unterstellt― ein rechtserheblicher Verfahrensmangel ergibt.
1. Zwar kann eine nach § 65 Abs. 2 FGO gesetzte Ausschlussfrist verlängert werden. Doch macht allein ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Fristverlängerung die gesetzte Frist nicht hinfällig, vielmehr ist die Klage mit dem fruchtlosen Ablauf der Ausschlussfrist (endgültig) unzulässig (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 18. Februar 2003 VIII B 218/02, BFH/NV 2003, 1186). Beantragt der Kläger noch vor Ablauf der gesetzten Ausschlussfrist deren Verlängerung, so muss dieser Antrag grundsätzlich beschieden werden (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 225 Abs. 1 der Zivilprozessordnung ―ZPO―), damit der Kläger für den Fall der Ablehnung die ausstehende Prozesshandlung noch binnen der Ausschlussfrist vornehmen kann (BFH-Beschluss vom 1. August 1996 XI B 149-150/95, BFH/NV 1997, 131). Diese Pflicht zur Bescheidung kann folglich nicht gelten, wenn der Verlängerungsantrag so spät eingeht, dass er nicht mehr beschieden werden oder die noch ausstehende Prozesshandlung nicht mehr erfolgen kann (BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 131). Das war hier der Fall, weil der Antrag des Klägers auf Verlängerung der Ausschlussfrist dem FG erst am 15. März 2001 um 21.20 Uhr übermittelt wurde.
2. Eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO; Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; s. dazu den BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 131, 132) oder der Hinweis- und Fürsorgepflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) ist auch nicht darin zu sehen, dass das FG den Antrag auf Verlängerung der Ausschlussfrist nicht mehr ausdrücklich abgelehnt hat. Es hat nämlich den Kläger nach Sichtung der eingereichten Steuererklärungen und Unterlagen durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) mit der Verfügung vom 3. April 2001 ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass zweifelhaft sei, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Klageerhebung (§ 65 Abs. 2 Satz 2 und § 79b FGO) erfüllt seien. Das FG hat ihm dadurch die Gelegenheit gegeben, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen und ein fehlendes Verschulden an der Versäumung der Ausschlussfrist glaubhaft zu machen. Diese Möglichkeit hat der Kläger jedoch nicht genutzt. Selbst mit der Beschwerde hat er nicht durch einen substantiierten Vortrag dargelegt, dass er ohne Verschulden an der Wahrung der gesetzten Ausschlussfrist gehindert gewesen sei (§ 56 Abs. 1 FGO).
3. Ein Verfahrensmangel liegt ferner nicht darin, dass das FG dem Kläger nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat (§ 56 Abs. 2 Satz 4 FGO). Selbst wenn der Kläger mit den dem FG am 20. März 2001 zugegangenen Steuererklärungen und Unterlagen ―für die unterschiedlichen Steuerarten und -jahre― sein Klageziel ausreichend bezeichnet hätte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2001 X R 39/99, BFH/NV 2002, 498), hat er die am 15. März 2001 verstrichene Ausschlussfrist nicht unverschuldet versäumt (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. März 1998 XI B 44/97, BFH/NV 1998, 1362, und vom 14. Februar 2000 V B 101-110/99, BFH/NV 2000, 878). Denn die Gewinnermittlungen, auf die er sich zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens hätte beziehen können, lagen nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des FG bereits seit längerem vor. Auch hatte der Kläger trotz der wiederholt gewährten und antragsgemäß sehr kurzen Fristverlängerungen seinen Bürobetrieb unverändert aufrechterhalten. Im Übrigen hat er die angegebenen Hinderungsgründe nicht wie erforderlich glaubhaft gemacht (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 131).
4. Aus diesen Gründen ist es im Streitfall auch unerheblich, ob entgegen der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 131) für einen vor Ablauf der Ausschlussfrist gestellten Fristverlängerungsantrag geringere Anforderungen zu stellen sein sollen (so Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 65 FGO Rz. 130 und 131), als bei der Verlegung oder Vertagung eines angesetzten Termins.
5. Von einer weiteren Begründung sowie einer Wiedergabe des Tatbestandes sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen