Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung
Leitsatz (NV)
- Die Anwendung des § 138 Abs. 2 FGO setzt jedenfalls voraus, dass die Erledigung auf dem jeweiligen Verfahren und zudem nicht auf einer nachträglichen einverständlichen Feststellung bislang streitiger Sachverhalte beruht.
- Zur Hinweispflicht des Gerichts, zur Verbindung, Aussetzung und zum Ruhen des Verfahrens.
Normenkette
FGO § 73 Abs. 1, §§ 74, 76 Abs. 2, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3, § 138 Abs. 1-2, § 155; ZPO § 251 Abs. 1 S. 1
Gründe
1. Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung durch die Beteiligten, die auch im Verfahren über eine eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgen kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. Februar 1998 III B 162/95, BFH/NV 1998, 1259), ist lediglich noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
Der Senat kann offen lassen, inwieweit durch die Vereinbarung zwischen den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) und dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) vom 12. November 2001 im Ergebnis auch den von den Klägern im vorliegenden Verfahren V 57/96 gestellten Anträgen entsprochen worden ist. Denn dies würde jedenfalls nicht auf dem vorliegenden Verfahren beruhen, dessen Streitgegenstand sich aus der Vorentscheidung ergibt. Daher wären die Kosten auch insoweit nicht gemäß § 138 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem FA aufzuerlegen. Die Vereinbarung vom 12. November 2001 betrifft dementsprechend ausdrücklich "die außergerichtliche Erledigung des Finanzrechtsstreits Geschäfts-Nr. V 254/98". Im Übrigen trägt sie einer nachträglichen einverständlichen Feststellung der dort maßgeblichen ―bislang streitigen― Sachverhalte Rechnung (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 21. August 2000 IX B 123/99, BFH/NV 2001, 195).
Im Streitfall ist die Kostenfolge daher der Grundregelung des § 138 Abs. 1 FGO zu entnehmen. Danach ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands ―d.h. des mutmaßlichen Ausgangs des Verfahrens, wenn keine Erledigung der Hauptsache eingetreten wäre― zu entscheiden (BFH-Beschluss vom 6. November 1997 VII B 172/97, BFH/NV 1998, 487).
2. Nach diesen Grundsätzen waren die Kosten des Verfahrens den Klägern aufzuerlegen. Ihre Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, die von ihnen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wäre vermutlich ohne Erfolg geblieben.
a) Aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung des Beschwerdevorbringens ist davon auszugehen, dass die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler des FG teilweise bereits nicht wie erforderlich dargelegt worden sind (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), im Übrigen jedenfalls nicht vorliegen.
Gemäß § 76 Abs. 2 FGO ist das Gericht zwar u.a. gehalten, darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt werden. Nicht dagegen ist es Aufgabe des Gerichts, Rechtsrat und Rechtsauskunft zu geben oder auf das Klagebegehren Einfluss zu nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1991 XI R 13/90, BFH/NV 1992, 609). Dies gilt insbesondere, wenn ein Beteiligter durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten wird.
Nach § 73 Abs. 1 FGO kann das Gericht mehrere bei ihm anhängige Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Der Beschluss über eine Verfahrensverbindung ist (wie ein Trennungsbeschluss) eine prozessleitende Verfügung, die der Senat grundsätzlich nicht nachprüfen kann (vgl. § 128 Abs. 2 FGO). Derartige Anordnungen oder ihre Unterlassung begründen nur dann einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, wenn sie willkürlich ―also ohne sachlichen Grund― erfolgt sind und der jeweilige Beteiligte dadurch in der Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte behindert wird (vgl. BFH-Beschluss vom 20. August 1998 XI B 111/95, nicht veröffentlicht ―n.v.―; BFH-Urteile vom 25. Mai 1976 VIII R 66/74, BFHE 119, 36; BStBl II 1976, 606; vom 27. September 1994 VIII R 36/89, BFHE 176, 289, BStBl II 1995, 353). Beides ist im Streitfall nicht ersichtlich.
Die Rüge der Kläger, das FG habe ihren Antrag auf Ruhen des Verfahrens (bis zur Entscheidung über das Klageverfahren V 254/98) nicht beachtet, ist nicht schlüssig erhoben. Eine Anordnung des Ruhens eines Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 251 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist nur möglich, wenn beide Parteien dies beantragen (BFH-Beschluss vom 29. November 1991 III R 207/90, BFH/NV 1992, 610). Dass dieses Erfordernis im vorliegenden Verfahren vorgelegen hätte, haben die Kläger nicht behauptet; es ist nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Die Beschwerde hat auch nicht dargetan, inwiefern das Ruhen des Verfahrens den materiellen Inhalt der Vorentscheidung hätte beeinflussen können (BFH-Beschluss vom 28. November 1996 VIII B 107/95, BFH/NV 1997, 578). Gleiches gilt für die von den Klägern möglicherweise zusätzlich erhobene Rüge, das FG habe das Verfahren nicht ―von Amts wegen― gemäß § 74 FGO ausgesetzt (BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 578).
b) Schließlich haben die Kläger weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) dargelegt. Insoweit rügen sie lediglich das Verfahren des FG und des FA im Streitfall.
3. Zwar können auch bei der Entscheidung über die Kosten eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens gemäß § 138 Abs. 1 FGO neben dem bisherigen Sach- und Streitstand zusätzlich andere Gründe zu berücksichtigen sein, wenn dies im Einzelfall nach dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden sachgerecht erscheint (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 1259). Ein derartiger Grund ist im vorliegenden Verfahren jedoch nicht erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 771592 |
BFH/NV 2002, 1163 |