Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB gegen ein Urteil, das eine Ermessensentscheidung des FA betrifft
Leitsatz (NV)
War Gegenstand des Klageverfahrens die Ablehnung eines Erlasses nach § 227 AO 1977, ist eine NZB nicht hinreichend begründet, wenn sich das Beschwerdevorbringen weder auf den Ermessensgebrauch durch das FA noch auf die Rechtmäßigkeitskontrolle durch das FG nach § 102 FGO bezieht, sondern sich ausschließlich mit der materiellen Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides befasst.
Normenkette
FGO §§ 102, 116 Abs. 3 S. 3; AO 1977 §§ 5, 227
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.11.2003; Aktenzeichen 6 K 513/01) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Erbe seines 1997 verstorbenen und bis dahin in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) wohnhaften Vaters. Die Eltern des Klägers waren spanische Gastarbeiter, deren Ehe dem Güterstand der Sociedad de Granaciales --einer Art Errungenschaftsgemeinschaft-- unterlag. Sie waren 1963 in die Bundesrepublik gekommen und lebten hier seit 1970 getrennt. Ihre Ehe wurde 1985 von einem deutschen Gericht geschieden. Dabei wurde ein Scheidungsfolgenvergleich protokolliert, wonach die Eltern gegenseitig auf Unterhalt verzichteten und die auf einem gemeinsamen Termingeldkonto angelegten 467 260,88 DM hälftig teilten. Sodann hieß es in dem Vergleich, die übrige Vermögensauseinandersetzung der Parteien solle in dem Scheidungsverfahren nicht durchgeführt werden.
Nach dem Tod des Vaters setzten sich die Erben --neben dem Kläger noch eine Schwester-- im April 1998 in notariell beurkundeter Form auseinander. Dabei kam es unter Beteiligung der Mutter auch zu einer Auseinandersetzung der bis dahin fortbestehenden Errungenschaftsgemeinschaft der Eltern. Danach hatte das zur Errungenschaftsgemeinschaft gehörende und hälftig in den Nachlass fallende Vermögen einen "Nettowert" von rd. 310 234 DM. Im "Vorbehaltsgut des Vaters" befanden sich gemäß der Urkunde auf Konten in Spanien weitere 1 686 364 DM.
Im Zuge von Ermittlungen bei einem deutschen Kreditinstitut ergab sich, dass der Vater, der bis 1992 nur geringe und danach keine Zinseinkünfte erklärt und keine Vermögensteuererklärungen abgegeben hatte, von Januar bis August 1993 insgesamt 1 238 312,83 DM auf eine Tochtergesellschaft des Kreditinstituts in Luxemburg transferiert, dieses Konto im September 1993 aufgelöst und das Guthaben auf eine spanische Bank übertragen hatte. Daraufhin kam es zu steuerstrafrechtlichen Ermittlungen über die Vermögensverhältnisse des Vaters, worüber der Kläger im Januar 1999 unterrichtet wurde. Gemäß dem Steuerfahndungsbericht vom März 2001 hatte der Vater am 1. Januar 1986 ein Kapitalvermögen von 260 000 DM, das bis zum 1. Januar 1996 auf 1 577 930 DM angewachsen war.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ noch während der Ermittlungen --nämlich am 22. Februar 2000-- jeweils gegenüber dem Kläger und seiner Schwester als Rechtsnachfolger des Vaters Vermögensteuerbescheide für 1992 sowie auf den 1. Januar 1993, 1995 und 1996. Nach Vorliegen des Fahndungsberichts ergingen letztmals geänderte Vermögensteuerbescheide, und zwar am 8. Mai 2001 auf den 1. Januar 1992, am 5. August 2003 auf den 1. Januar 1993, am 6. August 2003 auf den 1. Januar 1995 und am 7. August 2003 auf den 1. Januar 1996. Mit diesen Bescheiden erfasste das FA das zunächst bei dem deutschen Kreditinstitut und sodann auf spanischen Konten angelegte Kapitalvermögen als Vorbehaltsgut in voller Höhe und das in der Auseinandersetzungsurkunde vom April 1998 genannte Gemeinschaftsgut zur Hälfte. Die als Vorbehaltsgut angesehenen in- bzw. ausländischen Bankguthaben waren dabei zum 1. Januar 1992 mit 1 020 629 DM, zum 1. Januar 1993 mit 1 201 785 DM, zum 1. Januar 1995 mit 1 394 282 DM und zum 1. Januar 1996 mit 1 471 309 DM angesetzt.
Der Kläger focht die Steuerbescheide an. Dabei machte er die Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuer sowie den Ablauf der Festsetzungsfrist geltend. Außerdem trug er vor, ein Teil des Kapitalvermögens sei der Mutter zuzurechnen, weil der Vater bei der Ehescheidung im Jahr 1985 ein zu niedriges Vermögen angegeben habe. Gleichzeitig beantragte der Kläger einen Erlass der Vermögensteuer und verwies zur Begründung ebenfalls auf behauptete ehegüterrechtliche Ansprüche der Mutter. Das FA lehnte einen Erlass mit Verfügung vom 22. Juni 2001 ab. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde zurückgewiesen. Ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit komme --so das FA-- nicht in Betracht, da die geltend gemachten Gründe bereits in dem Verfahren zu prüfen seien, das die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide betreffe. Ein Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit scheide mangels Erlassbedürftigkeit aus. Der Kläger habe ausreichendes Vermögen geerbt, um die Vermögensteuer zu zahlen.
Auch die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) verwies zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung und befasste sich ergänzend mit den Vermögensverhältnissen des Klägers unter dem Gesichtspunkt der Erlassbedürftigkeit. Dem Antrag des Klägers auf Beiziehung der Unterlagen, die im Rahmen der Steuerfahndung beschlagnahmt worden waren, folgte es nicht.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger das Unterbleiben einer Beiladung der Schwester sowie mangelnde Sachaufklärung. Letztere ergebe sich daraus, dass das FG sich geweigert habe, die während der steuerstrafrechtlichen Ermittlungen beschlagnahmten Unterlagen beizuziehen, und angenommen habe, das gesamte streitbefangene Kapitalvermögen sei vom Vater außerhalb der Errungenschaftsgemeinschaft nach 1985 gebildet worden. Die Annahme, gemeinschaftliches Vermögen sei nur in der Zeit des Zusammenlebens --also vor 1970-- entstanden, und zwar in Höhe jener mit dem Scheidungsfolgenvergleich hälftig geteilten 467 260 DM, verstoße aber gegen allgemeine Erfahrungssätze. Ohne weitere Sachaufklärung hätte das FG nur den Erfahrungssatz zugrunde legen dürfen, dass das in der Zeit des Getrenntlebens, nämlich von 1970 bis 1985, gebildete Kapitalvermögen ebenfalls Gemeinschaftsvermögen geworden sei.
Weiter macht der Kläger geltend, der Sache komme grundsätzliche Bedeutung zu; außerdem erfordere sie zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch das Revisionsgericht. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob eine "schrittweise konfiskatorische Einkommen- und Vermögensbesteuerung unter Verstoß gegen Art. 14 und Art. 5 (gemeint wohl Art. 2 oder 3) des Grundgesetzes (GG) --trotz des Beschlusses des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655)-- weiterhin durchsetzbar sein solle". Diese Frage stelle sich besonders bei Gastarbeitern, die regelmäßig nicht über niedriger bewertetes inländisches Grundvermögen verfügten. Sie würden daher durch eine weitere Anwendung des Vermögensteuergesetzes in europarechtswidriger Weise diskriminiert.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Hinsichtlich der gerügten Verfahrensmängel einer unterlassenen Beiladung der Schwester sowie der unterlassenen Beiziehung der beschlagnahmten Unterlagen wird auf den Beschluss in der Sache II B 28/04, der zeitgleich gegenüber denselben Beteiligten ergangen ist, Bezug genommen.
2. Hinsichtlich des übrigen Beschwerdevorbringens ist die Beschwerde unzulässig. Es bezieht sich weder auf den Ermessensgebrauch durch das FA bei der Prüfung der (sachlichen) Unbilligkeit i.S. des § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) noch auf die Rechtmäßigkeitskontrolle durch das FG nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO), sondern befasst sich ausschließlich mit der materiellen Rechtmäßigkeit der Vermögensteuerbescheide. Ein derartiges Vorbringen ist nicht geeignet, in einem Rechtsstreit wegen eines Erlasses Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO schlüssig darzutun.
Ein derartiger Zulassungsgrund ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger mangels rechtzeitiger Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen gehindert war, spätestens vor dem FG vorzutragen, dass der Vater gleichzeitig in zwei Arbeitsverhältnissen mit zwei Lohnsteuerkarten tätig war. Insoweit fehlt es an einer schlüssigen Darlegung, was daraus für die Vermögensteuer der Jahre ab 1992 zugunsten des Klägers folgen soll (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Der Kläger hat sich weder mit der Rechtsprechung auseinander gesetzt, wonach vorsätzlich verkürzte Steuern an Stichtagen vor Aufdeckung der Steuerhinterziehung grundsätzlich nicht abziehbar sind (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 8. Dezember 1993 II R 118/89, BFHE 173, 82, BStBl II 1994, 216, sowie vom 27. Januar 1999 II R 81/96, BFH/NV 1999, 913) --das würde auch für hinterzogene Einkommensteuern gelten--, noch damit, wie die aus den Unterlagen gewonnenen Erkenntnisse über das Arbeitseinkommen des Vaters die von der Steuerfahndung ermittelte Entwicklung seines Kapitalvermögens ab Ende 1985 --dem Jahr der Scheidung-- beeinflusst haben könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 1552088 |
BFH/NV 2006, 1679 |