Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur notwendigen Beiladung der Gesellschaft im Klageverfahren des Gesellschafters wegen der Versagung der Tarifbegünstigung für einen Veräußerungsgewinn
Leitsatz (NV)
1. Gibt das FG entsprechend der BFH-Rechtsprechung dem Gesellschafter Gelegenheit zur Äußerung darüber, ob er die Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid nur persönlich oder nur in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer erhoben hat oder ob er sowohl für die Gesellschaft als auch persönlich klagt, und gibt der Gesellschafter daraufhin die ausdrückliche Prozesserklärung ab, dass er nur persönlich Klage erhoben habe, dann hat die Gesellschaft nicht selbst den Feststellungsbescheid als Klägerin angefochten. Sie muss daher notwendig beigeladen werden
2. Das Unterlassen der notwendigen Beiladung verstößt gegen die Grundordnung des Verfahrens und führt, da die Heilung dieses Verfahrensmangels gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO nur im Revisionsverfahren möglich ist, im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde regelmäßig zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache gemäß § 116 Abs. 6 FGO. Die Zulassung der Revision wegen des Verfahrensmangels und die Nachholung der unterbliebenen Beiladung im Revisionsverfahren erscheint allenfalls dann ermessengerecht, wenn einer streitigen Rechtsfrage eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zukäme und eine klärende Sachentscheidung des BFH erforderlich wäre.
3. Durch die Rechtsprechung des BFH ist in rechtsgrundsätzlicher Weise geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Veräußerung eines Teils des Mitunternehmeranteils gemäß §§ 16, 34 EStG begünstigt ist.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1 Nrn. 1, 5, § 60 Abs. 3, § 116 Abs. 6, § 123 Abs. 1 S. 2; EStG §§ 16, 34
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 11.12.2006; Aktenzeichen 6 K 4984/03 F) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr 1994 Gesellschafter einer Steuerberatersozietät. Die Kanzlei befand sich in einem Gebäude, das im Alleineigentum des Klägers stand und das die Sozietät von ihm angemietet hatte. Zwei kleinere Teile seiner Beteiligung veräußerte der Kläger mit Gewinn an Mitgesellschafter, ohne indes einen entsprechenden Teil des zum Sonderbetriebsvermögen gehörenden Gebäudes mitzuveräußern. Aus diesem Grund gewährte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) in dem angefochtenen Feststellungsbescheid die Steuerbegünstigung gemäß § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren ging am 22. September 2003 beim Finanzgericht (FG) eine Klage "in Sachen A & Partner ./. Finanzamt B" ein. Die Klageschrift war von dem Kläger, der alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter-Geschäftführer der Sozietät war, und einer Steuerberaterin C unterzeichnet. Der gesamte weitere Schriftverkehr wurde ebenfalls unter dem Kurzrubrum "in Sachen A & Partner GbR gegen Finanzamt B" geführt. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG stellten "der Kläger und die Prozessbevollmächtigte klar, dass das gesamte Rechtsbehelfsverfahren, einschließlich des Vorverfahrens, von Herrn A betrieben worden" sei. Dieser Erklärung folgend wies das FG mit dem angegriffenen Urteil die Klage des Wirtschaftsprüfers A, vertreten durch die A und Partner Sozietät als Prozessbevollmächtigte, ab. Die Klage sei unbegründet. Der Kläger könne die Tarifbegünstigung des § 34 EStG nicht beanspruchen, weil das zum Sonderbetriebsvermögen gehörende Bürogebäude eine wesentliche Betriebsgrundlage darstelle, die nicht quotal mitveräußert worden sei. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, mit der unter anderem ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemacht wird.
Von einer weiteren Wiedergabe des Tatbestands sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO. Der Kläger hat zu Recht gerügt, dass das angefochtene Urteil nicht ohne vorherige Beiladung der A und Partner GbR ergehen durfte (§ 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO).
1. Gemäß § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. In Angelegenheiten, die die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften betreffen, kommt die Beiladung der Mitberechtigten nur in Betracht, wenn diese nach § 48 FGO klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind grundsätzlich alle nach § 48 FGO Klagebefugten beizuladen, die den Feststellungsbescheid nicht selbst angefochten haben und die i.S. des § 40 Abs. 2 FGO betroffen sind (BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209; BFH-Beschlüsse vom 31. Januar 1992 VIII B 33/90, BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559; vom 14. Januar 2003 VIII B 108/01, BFHE 201, 6, BStBl II 2003, 335; Brandt in Beermann/Gosch, FGO § 60 Rz 109; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 60 Rz 65). Die gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugte Gesellschaft ist stets beizuladen. Ihre Befugnis zur Klageerhebung besteht auch in den Fällen, in denen die Gesellschafter ein eigenes Klagerecht in Anspruch nehmen können oder in denen sie, die Gesellschaft, vom Ausgang des Rechtsstreits unter keinem denkbaren Gesichtspunkt betroffen sein kann (BFH-Beschluss in BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559; BFH-Urteil vom 5. Dezember 1995 VIII R 67/94, BFH/NV 1996, 485; Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 60 Rz 65 "Nichtbetroffensein").
Wird in einer Klageschrift die Gesellschaft als Klägerin bezeichnet, dann darf das FG noch nicht davon ausgehen, Klage habe allein die Gesellschaft erhoben. In Angelegenheiten, die einen Gesellschafter persönlich angehen, ist sowohl der betroffene Gesellschafter als auch der zur Geschäftsführung berufene und vertretungsberechtigte Gesellschafter im Namen der Gesellschaft zur Klageerhebung befugt. In derartigen Fällen muss das FG dem Gesellschafter Gelegenheit zur Äußerung darüber geben, ob er die Klage nur persönlich oder nur in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer erhoben hat oder ob er sowohl für die Gesellschaft als auch persönlich klagt (BFH-Urteile vom 26. März 1980 I R 87/79, BFHE 131, 1, BStBl II 1980, 586; vom 17. September 1992 IV R 110/90, BFH/NV 1993, 476; vom 29. Juni 1995 VIII R 20/94, BFH/NV 1996, 52).
2. Nach diesen Maßstäben war die gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugte Gesellschaft nicht Klägerin. Sie musste daher zwingend beigeladen werden. Das Unterlassen der notwendigen Beiladung verstößt gegen die Grundordnung des Verfahrens.
a) Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat sich der Kläger eindeutig dahingehend geäußert, dass er nur persönlich Klage erhoben hat. Er war als Sozius gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt, weil die Frage, ob ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn festzustellen ist, den Gesellschafter als Veräußerer persönlich angeht (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 1994 IV R 124/92, BFHE 176, 15, BStBl II 1995, 253; vom 6. Dezember 2000 VIII R 21/00, BFHE 194, 97, BStBl II 2003, 194; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 48 FGO Rz 257).
b) Nach der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Prozesserklärung (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 52) steht weiter fest, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigter Geschäftsführer nicht zugleich oder ausschließlich für die Gesellschaft Klage erhoben hat. Dieser Schlussfolgerung steht das Urteil des BFH in BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209 nicht entgegen. Soweit dort davon ausgegangen wird, dass der zur Geschäftsführung berufene Gesellschafter regelmäßig zugleich für sich selbst als auch für die Gesellschaft Klage erheben will, ist diese Aussage zu einem Fall ergangen, in dem das FG die Frage der Klageerhebung ungeprüft gelassen hat und eine Äußerung des Gesellschafters auch im Übrigen nicht erfolgt ist. Gibt der Gesellschafter aber, wie im Streitfall geschehen, eine ausdrückliche Prozesserklärung ab, dann gilt diese.
c) Die Gesellschaft hat damit nicht selbst den Feststellungsbescheid als Klägerin angefochten. Sie war aber gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt und musste folglich beigeladen werden.
3. Eine Heilung des Verfahrensmangels ist nicht möglich. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO kann der BFH eine notwendige Beiladung im Revisionsverfahren nachholen, nicht hingegen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2002 III B 74/02, BFH/NV 2003, 195).
4. Die Beschwerde ist, soweit sie auf die Revisionszulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO gestützt wird, zumindest unbegründet. Der Senat sieht diesbezüglich von einer weiteren Begründung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Alternative 1 FGO ab.
5. Der Senat übt sein von § 116 Abs. 6 FGO eingeräumtes Ermessen dahin aus, den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen, da von einem nachfolgenden Revisionsverfahren keine weitere rechtliche Klärung zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 17. September 2003 I B 18/03, BFH/NV 2004, 207; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 65). Sowohl die verfahrensrechtliche Frage der notwendigen Beiladung als auch die sachlich-rechtliche Frage der Begünstigung der Teil-Anteilsveräußerung sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Der Senat sieht insbesondere keinen Anlass, die Revision wegen des Verfahrensfehlers zuzulassen und den Mangel der unterbliebenen Beiladung im Revisionsverfahren gegebenenfalls gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO zu heilen, um sodann in die materiell-rechtliche Überprüfung des FG-Urteils eintreten zu können. Eine solche Verfahrensweise erscheint dem Senat unter Berücksichtigung des in § 118 Abs. 3 Satz 1 FGO niedergelegten Rechtsgedankens allenfalls dann ermessensgerecht, wenn der streitigen Rechtsfrage --noch-- eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zukäme und eine Sachentscheidung des BFH erforderlich wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn der BFH hat zwischenzeitlich in einer Vielzahl von Urteilen in rechtsgrundsätzlicher Weise geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Veräußerung eines Teils des Mitunternehmeranteils gemäß §§ 16, 34 EStG begünstigt ist (BFH-Urteile in BFHE 194, 97, BStBl II 2003, 194; vom 24. August 2000 IV R 51/98, BFHE 192, 534, BStBl II 2005, 173; vom 12. April 2000 XI R 35/99, BFHE 192, 419, BStBl II 2001, 26; vom 10. November 2005 IV R 29/04, BFHE 211, 305, BStBl II 2006, 173, jeweils zum Gebot der anteiligen Mitveräußerung des Sonderbetriebsvermögens; vom 10. November 2005 IV R 7/05, BFHE 211, 312, BStBl II 2006, 176, zur Geringfügigkeit des nicht mitveräußerten Anteils am Sonderbetriebsvermögen; vom 23. Mai 2000 VIII R 11/99, BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621; vom 14. Februar 2007 XI R 30/05, BFHE 216, 559, BStBl II 2007, 524; BFH-Urteil in BFHE 211, 312, BStBl II 2006, 176, jeweils zu Büroräumen als wesentlichen Betriebsgrundlagen; BFH-Urteile in BFHE 216, 559, BStBl II 207, 524, und vom 10. Juni 2008 VIII R 79/05, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen;zum Vertrauensschutz gemäß § 176 der Abgabenordnung). Hinzu kommt, dass die vom Kläger aufgeworfenen Fragen ausgelaufenes Recht betreffen; die Begünstigung der Teil-Anteilsveräußerung ist seit 2002 entfallen (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2004 IV R 11/03, BFHE 207, 274, BStBl II 2004, 1068; Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 16 Rz 410). Betrifft die zu klärende Rechtsfrage aber ausgelaufenes Recht, dann ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache regelmäßig zu verneinen (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 35). Eine BFH-Entscheidung ist in diesen Fällen auch nicht mehr i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erforderlich (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 65).
Fundstellen