Entscheidungsstichwort (Thema)
Schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und einer Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Die Rechtsfrage, ob eine Anteilsübertragung zwischen nahen Angehörigen eine unentgeltliche Vermögensübertragung darstellt, wenn der Kaufpreis erfüllungshalber geleistet wird, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
2. Die Grundsätze (Leitlinien) für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen sind höchstrichterlich geklärt. Die Frage, ob einzelne Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen und von dem unter fremden Dritten Üblichen unwesentlich und damit steuerunschädlich oder erheblich sind und infolgedessen zur Versagung der steuerlichen Anerkennung des Vertragsverhältnisses führen müssen, läßt sich nur im Wege der Gesamtbeurteilung (-würdigung) aller Umstände des konkreten Einzelfalls beantworten und obliegt daher in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz. Im Hinblick auf diese Einzelfallbezogenheit kommt der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Rechtsfrage, welche Abweichungen vom Üblichen bei Kaufverträgen unter nahen Angehörigen für die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses unschädlich seien, eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
3. Eine schlüssige Divergenzrüge setzt voraus, daß der Beschwerdeführer eine Abweichung von einer -- genau bezeichneten -- Entscheidung des BFH, des GemS OGB oder des BVerfG darlegt. Dem genügt nicht die schlichte Behauptung, die Vorentscheidung sei von der herrschenden Meinung abgewichen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Zulassungsgründe in bezug auf die Anteilsübertragung zwischen V und seinem Sohn S
a) Grundsätzliche Bedeutung
aa) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob eine Anteilsübertragung zwischen nahen Angehörigen eine unentgeltliche Vermögensübertragung darstellt, wenn der Kaufpreis erfüllungshalber geleistet wird.
bb) Die Kläger vermochte insbesondere nicht schlüssig darzulegen, daß diese Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig wäre. Im Falle einer Leistung erfüllungshalber erhält der Gläubiger bei Weiterbestehen der bisherigen Forderung eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit (einhellige Auffassung in Zivilrechtslehre, statt vieler vgl. z.B. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 57. Aufl., §364 Rdnr. 8). Während bei der Leistung an Erfüllungs Statt die Forderung mit dem Bewirken der Leistung erlischt, tritt bei der Leistung erfüllungshalber die Erfüllung erst dann ein, wenn sich der Gläubiger aus dem Geleisteten befriedigt hat (statt aller vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., §364 Rdnr. 6).
Bei Heranziehung dieser Grundsätze liegt es auf der Hand, daß die vom Anteilserwerber S an den Anteilsveräußerer V erfüllungshalber abgetretene, auf dem Verrechnungskonto bei der Klägerin verbuchte Forderung keinerlei Aufschluß zur Beantwortung der im Streitfall entscheidungserheblichen Frage geben kann, ob sich der Anteilserwerb des S entgeltlich oder unentgeltlich vollzog.
Entgegen der Ansicht der Klägerin hat denn auch das Finanzgericht (FG) nicht etwa den Rechtssatz aufgestellt, eine Gegenleistung erfüllungshalber führe zu einer Qualifikation der Leistung (hier: der Anteilsübertragung) als unentgeltliche. Das FG hat lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die Abtretung der auf dem Verrechnungskonto bei der Klägerin festgehaltenen Forderung des S an V lediglich erfüllungshalber und nicht an Erfüllungs Statt geschehen sei mit der Folge, daß die im Übertragungsvertrag vereinbarte Kaufpreisverbindlichkeit dadurch nicht getilgt worden sei.
b) Abweichung der Vorentscheidung von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Juli 1986 IV R 12/81 (BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811), vom 22. September 1994 IV R 61/93 (BFHE 176, 350, BStBl II 1995, 367) und vom 31. August 1994 X R 58/92 (BFHE 176, 333, BStBl II 1996, 672).
aa) Das FG habe, so meint die Klägerin, den Rechtssatz aufgestellt, daß bei einer Vermögensübertragung unter nahen Angehörigen ein erfüllungshalber geleistetes Entgelt zu einem unentgeltlichen Vermögensübergang führe. Mit dieser Ansicht weiche das FG von der in den o.a. BFH-Urteilen und in der Literatur vertretenen Auffassung ab, daß in den Fällen, in denen die Gegenleistung geringer sei als die Leistung selbst, ein teilentgeltliches Geschäft vorliege.
bb) Die Gegenüberstellung der wiedergegebenen Rechtssätze läßt eine Abweichung nicht erkennen. Den bezeichneten Rechtssätzen des BFH läßt sich nicht entnehmen, daß eine Leistung erfüllungshalber zu einem teilentgeltlichen Geschäft führe. Abgesehen davon hat -- wie schon unter 1. a) bb), letzter Absatz dargelegt -- das FG einen Rechtssatz des von der Klägerin wiedergegebenen Inhalts auch gar nicht aufgestellt.
c) Abweichung von der herrschenden Meinung
aa) Das FG habe, so die Klägerin weiter, den Rechtssatz aufgestellt, es handle sich um eine unentgeltliche Übertragung, wenn aus einem Anteilskaufvertrag die Folgerungen in der Buchführung und Gewinnermittlung nicht so gezogen würden, wie dies zivilrechtlich vereinbart worden sei. Mit dieser Rechtsauffassung weiche das Gericht von der herrschenden Meinung ab, die §5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dahin auslege, daß die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auch steuerbilanziell zu beachten seien (L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, §5 Rdnr. 41, m.w.N.).
bb) Diese Divergenzrüge ist schon deswegen unschlüssig, weil eine Abweichung von einer -- genau bezeichneten -- Entscheidung des BFH, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht dargetan wird.
d) Abweichung vom BFH-Urteil vom 1. September 1959 I 48/59 U (BFHE 70, 93, BStBl III 1960, 35)
aa) In dem zitierten Urteil habe der BFH, so die Klägerin, folgenden Rechtssatz aufgestellt: "Haben Ehegatten einwandfrei ein Gesellschaftsverhältnis vereinbart, ohne das in der Buchführung klar zum Ausdruck zu bringen, so kann das gegen die Ernsthaftigkeit des Gesellschaftsvertrages sprechen, sofern nicht die Ehegatten innerhalb einer vom FA zu bestimmenden angemessenen Frist eine einwandfreie buchmäßige Darstellung nachholen." Der vom FG aufgestellte Rechtssatz, allein der Mangel der Buchführung lasse Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit des Vertrages zu, weiche von dem zitierten Rechtssatz der genannten BFH-Entscheidung ab.
bb) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht ist das FG von der zitierten BFH-Entscheidung nicht abgewichen. Es hat seine Auffassung, daß eine entgeltliche Anteilsübertragung zwischen den Beteiligten nicht ernsthaft gewollt gewesen sei, auf eine Vielzahl von Indizien gestützt, wobei das Argument der "fehlerhaften buchhalterischen Darstellung" offensichtlich nur als ein weniger gewichtiges Zusatzargument herangezogen wurde. Im übrigen läßt sich die Aussage des zitierten BFH-Urteils nicht in dem Sinne umkehren, daß bei einer späteren Korrektur oder Klarstellung der buchhalterischen Darstellung stets von der Ernsthaftigkeit der "Vereinbarung" auszugehen sei.
2. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in bezug auf die Anteilsübertragung zwischen S und seiner Ehefrau F
a) Das FG habe, so die Klägerin, seine Entscheidung, daß eine unentgeltliche Anteilsübertragung anzunehmen sei, auf den folgenden Rechtssatz gestützt: "Eine Anteilsübertragung zwischen nahen Angehörigen stellt eine unentgeltliche Vermögensübertragung dar, wenn der Kaufpreis nicht aus Geldmitteln der Erwerberin, sondern aus künftigen Gewinnanteilen bezahlt werden soll, die vorgesehene Verrechnung des Kaufpreises mit den Gewinnanteilen nur unzureichend durchgeführt wurde und wenn der Kaufpreis dadurch für die Dauer von 5 1/2 Jahren ohne jegliche Sicherheit gestundet wurde."
Der BFH habe -- im Anschluß an die "Oder- Konto-Beschlüsse" des BVerfG -- seine neuere Rechtsprechung zu den Verträgen zwischen nahen Angehörigen dahin modifiziert, daß nicht jede Abweichung vom vertraglich Vereinbarten und vom Üblichen zu einer Versagung der steuerlichen Anerkennung des Vertrages führe. Das FG habe die Prüfung unterlassen, ob die bei der Abwicklung des Kaufvertrages festgestellten Abweichungen nicht etwa unbeachtlich seien. Im vorliegenden Fall bestehe ein Interesse der Allgemeinheit an der Beantwortung der vom BFH noch nicht geklärten Frage, welche Abweichungen vom Üblichen bei Kaufverträgen unter nahen Angehörigen für die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses unschädlich seien.
b) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht kommt der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage eine grundsätzliche Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit) nicht zu. Zu dem Problem der steuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen existiert eine langjährige gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung. Danach sind solche Verträge der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen wurden und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl. aus neuerer Zeit z.B. BFH-Urteile vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, m.w.N., und vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106, m.w.N.). Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Dabei kann einzelnen Beweisanzeichen je nach Lage des Falles eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt insbesondere nach der neueren Rechtsprechung des BFH nicht jede (geringfügige) Abweichung vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Allerdings sind an den Nachweis, daß es sich um ein ernstes Vertragsverhältnis handelt, um so strengere Anforderungen zu stellen, je mehr die Umstände auf eine private Veranlassung hindeuten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, und in BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106).
Damit sind die -- im übrigen auch vom FG beachteten -- Grundsätze (Leitlinien) für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen höchstrichterlich geklärt. Die Frage, ob einzelne Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen und von dem unter fremden Dritten Üblichen unwesentlich und damit steuerunschädlich sind oder erheblich sind und infolgedessen zur Versagung der steuerlichen Anerkennung des Vertragsverhältnisses führen müssen, läßt sich nur im Wege einer Gesamtbeurteilung (-würdigung) aller Umstände des konkreten Einzelfalls beantworten und obliegt daher in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz. Im Hinblick auf diese Einzelfallbezogenheit kommt der in Rede stehenden Frage im Streitfall eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 154160 |
BFH/NV 1999, 613 |