Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweis auf Schriftsatz des nichtpostulationsfähigen Klägers in der Revisionsbegründung; Wiedereinsetzung
Leitsatz (NV)
1. Die vom postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Revisionsbegründung muß erkennen lassen, daß er den Prozeßstoff überprüft und die volle Verantwortung für den Inhalt übernommen hat. Diesem Erfordernis ist nicht genügt, wenn nur auf die Revisionsbegründung des nichtpostulationsfähigen Revisionsklägers hingewiesen wird.
2. Wird der Brief mit der Revisionsbegründung am Tag des Ablaufs der Begründungsfrist zur Post gegeben, kann grundsätzlich nicht damit gerechnet werden, daß das Schreiben bei normaler Postlaufzeit noch am selben Tag beim BFH eingeht.
Normenkette
FGO §§ 56, 120
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ab. Die Vorentscheidung wurde der Klägerin am 26. März 1985 zugestellt. Dagegen legte die Klägerin selbst mit Schreiben vom 24. April 1985 Revision ein und begründete sie. Dieses Schreiben ging beim FG am 25. April 1985 ein. Am gleichen Tag wies das FG die Klägerin auf den Vertretungszwang beim Bundesfinanzhof (BFH) hin. Am 26. April 1985 ging beim FG ein Telegramm des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ein. In diesem heißt es, daß gegen die Vorentscheidung Revision eingelegt und ,,auf die Revisionsbegründung im Schreiben der Klägerin vom 24. 4. 1985 an das Finanzgericht . . . Bezug genommen" werde. Mit Schreiben vom 23. Mai 1985 - eingegangen beim BFH am 30. Mai 1985 - begründete der Prozeßbevollmächtigte, ein Steuerberater, die Revision. Mit Schreiben vom 13. September 1985 machte der Vorsitzende des Senats den Prozeßbevollmächtigten darauf aufmerksam, daß die Revisionsbegründung verspätet eingegangen sei und es der Entscheidung des Senats vorbehalten bleibe, ob die im Telegramm vom 26. April 1985 enthaltene Bezugnahme auf die Begründung der Klägerin als Revisionsbegründung anerkannt werden könne; auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) werde hingewiesen. Daraufhin stellte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. September 1985 vorsorglich Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, es sei von der Zulässigkeit der Bezugnahme auf die Begründung der Klägerin und vom rechtzeitigen Zugang der nochmaligen zusammenfassenden Begründung vom 23. Mai 1985 ausgegangen worden.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und ,,die Steuerfestsetzung gemäß Sammelzollanmeldung der Klägerin wiederherzustellen".
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Die Revisionsbegründung im Telegramm vom 26. April 1985 genügt nicht den Anforderungen des § 120 FGO i.V.m. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG). Die Revisionsbegründung im Schriftsatz vom 23. Mai 1985 ist verspätet eingegangen; die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.
1. Nach § 120 FGO ist die Revision zu begründen. Soweit es sich wie hier nicht um juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt, sind zur Vertretung vor dem BFH nur Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer berechtigt. Aus beiden Vorschriften ergibt sich, daß die Revisionsbegründungsschrift von einer den genannten Berufskreisen angehörenden Person unterzeichnet sein muß. Sinn und Zweck dieses Vertretungszwanges ist es, daß an den BFH nur noch solche Rechtsmittel herangetragen werden, deren Erfolgsaussicht von Personen beurteilt worden ist, die dazu auf Grund ihrer fachlichen Vorbildung in der Lage sind. Die von dem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Revisionsbegründung muß deshalb erkennen lassen, daß dieser den Prozeßstoff überprüft und die volle Verantwortung für den Inhalt der Revisionsbegründung übernommen hat (BFH-Beschlüsse vom 14. Mai 1982 VI R 197/81, BFHE 136, 52, BStBl II 1982, 607, und vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470, m.w.N.).
Diesem Erfordernis ist dann nicht genügt, wenn der als Prozeßbevollmächtigter auftretende Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer sich damit begnügt, auf die Revisionsbegründung des nicht postulationsfähigen Revisionsklägers hinzuweisen, und die Revisionsschrift nicht erkennen läßt, daß er sich selbst mit dem Prozeßstoff befaßt, ihn gesichtet, geprüft sowie rechtlich durchgearbeitet hat (vgl. die zitierten Entscheidungen, und BFH-Entscheidungen vom 23. Juli 1985 VIII R 256/80, BFH/NV 1986, 173, und vom 10. September 1985 VIII R 263/83, BFH/NV 1986, 175, sowie Beschluß des Bundessozialgerichts vom 15. April 1981 1 BA 23/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1982, 80).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, daß die Revision nicht formgerecht begründet worden ist. Die Revisionsschrift enthält lediglich eine Bezugnahme auf das Schreiben der nicht postulationsfähigen Klägerin. Nichts läßt erkennen, daß sich der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin in diesem Zeitpunkt mit dem Prozeßstoff befaßt hat. Gegen eine solche Befassung spricht überdies die Zeitabfolge. Erst am Vortag des Eingangs der Revisionsschrift hatte das FG die Klägerin auf den Vertretungszwang vor dem BFH hingewiesen.
2. Die Frist zur Begründung der Revision lief am 28. Mai 1985 ab (§ 120 Abs. 1 FGO). Die vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin erstellte Revisionsbegründung im Schriftsatz vom 23. Mai 1985 ist erst am 30. Mai 1985, d.h. verspätet eingegangen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend dem Antrag der Klägerin kommt nicht in Betracht. Die Klägerin war nicht ohne Verschulden verhindert, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Dabei muß sie sich das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten anrechnen lassen. Wie sich aus dem Stempel auf dem Briefumschlag der Revisionsbegründungsschrift ergibt, ist diese erst am 28. Mai 1985 zur Post gegeben worden, d.h. am Tage des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist. Die Klägerin konnte also nicht damit rechnen, daß dieses Schreiben bei normaler Postlaufzeit noch am selben Tage beim BFH eingehen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 415553 |
BFH/NV 1988, 578 |