Leitsatz (amtlich)
Ist ein Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes in der Hauptsache erledigt, so kann kein Antrag gestellt werden, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4, § 69
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (das FA) setzte gegen den Beschwerdeführer (Antragsteller) durch Verfügung vom 23. Mai 1969 ein Erzwingungsgeld wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 1967 fest. Dagegen legte der Antragsteller Beschwerde ein und beantragte beim FG, die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids anzuordnen. Daraufhin hob das FA die Festsetzung des Erzwingungsgeldes auf und erklärte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in der Hauptsache für erledigt. Der Antragsteller beantragte dagegen, die Festsetzung des Erzwingungsgeldes für rechtswidrig zu erklären.
Diesen Antrag hat das FG als unzulässig abgelehnt und gleichzeitig die Kosten "des in der Hauptsache erledigten Vollziehungsaussetzungsantrags" in der Weise verteilt, daß es dem FA die eigenen Kosten und die Gerichtskosten, dem Antragsteller die eigenen Kosten auferlegt hat. Das FG hat ausgeführt:
Hinsichtlich des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung sei die Hauptsache erledigt. Das habe auch der Antragsteller durch Stellung eines Antrags entsprechend dem § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO anerkannt. Diese Vorschrift sei indes im Streitfall nicht anwendbar. Die Kostenverteilung beruhe auf § 138 FGO.
Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Er meint, der Vorschrift des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO liege der Rechtsgedanke zugrunde, daß der Steuerbürger vor der Wiederholung rechtswidriger Verwaltungsakte geschützt werden müsse. Dieser Grundgedanke gelte gleichermaßen für Verwaltungsakte, die schon klagebefangen seien, wie für solche Verwaltungsakte, die noch im außergerichtlichen Vorverfahren schwebten.
Der Antragsteller beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, das Feststellungsverfahren für zulässig zu erklären und die Streitsache zur Entscheidung in sachlich-rechtlicher Hinsicht zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde (§ 128 FGO) ist nicht begründet. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO findet im Streitfall keine Anwendung.
Der Antrag des Antragstellers, die Festsetzung des Erzwingungsgeldes für rechtswidrig zu erklären, geht über den Streitgegenstand im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts hinaus und ist schon deshalb unzulässig. Streitgegenstand im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung ist nicht - wie im Verfahren über eine Anfechtungsklage - die Frage, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist (§ 40 FGO), sondern die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2, 3 FGO). Eine sachliche Prüfung des Antrags nach Erledigung der Hauptsache, die Festsetzung des Erzwingungsgeldes für rechtswidrig zu erklären, führte daher, wie das FG zutreffend bemerkt hat, weiter als die sachliche Prüfung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung vor seiner Erledigung. Eine derartige Ausdehnung des Streitgegenstandes ist in § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO nicht vorgesehen und wäre daher auch durch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung nicht gedeckt.
Eine entsprechende Anwendung des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO, wie sie der Antragsteller begehrt, könnte nur zu dem Antrag nach Erledigung der Hauptsache führen, festzustellen, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestünden. Einen derartigen Antrag hat der Antragsteller nicht gestellt. Selbst wenn man ihn als ein Weniger in dem vorliegenden Antrag als enthalten ansehen wollte, wäre er unzulässig. Denn § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist auf diesen Fall nicht anwendbar. Die Vorschrift beruht darauf, daß auch nach Erledigung der Hauptsache ein Interesse daran bestehen kann, daß ein Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt werde. Ein gleiches Interesse an der nur vorläufigen, nach Erledigung der Hauptsache getroffenen Feststellung, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, kann nicht anerkannt werden. Es ist nicht ersichtlich, wie eine solche Feststellung dem Antragsteller dienen sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 68746 |
BStBl II 1970, 329 |
BFHE 1970, 140 |