Leitsatz (amtlich)
1. Ein die Revision als unzulässig verwerfender Beschluß ist grundsätzlich unabänderbar, auch wenn er auf groben Verfahrensverstößen beruht.
2. Zur rechtlichen Bedeutung der Gegenvorstellung.
Normenkette
FGO § 126 Abs. 1, § 11 Abs. 3, §§ 56, 134; ZPO §§ 318, 578 ff.; BFH-EntlastG Art. 1 Nr. 1
Tatbestand
Mit Beschluß vom 14. November 1978 hat der erkennende Senat die Revisionen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als unzulässig verworfen, weil sie nicht durch einen der nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) befugten Bevollmächtigten vertreten war. Die beiden Revisionen waren auf einem Bogen mit dem Briefkopf der Klägerin geschrieben und unter dem mit Schreibmaschine geschriebenen Firmennamen mit "Beier" 1) unterschrieben. Daraus und aus dem sonstigen Akteninhalt war nicht ersichtlich, daß es sich hierbei um einen Rechtsanwalt handelte, der für die Klägerin als Prozeßbevollmächtigter i. S. des Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG aufgetreten ist oder sich als Beteiligter (Gesellschafter) vor dem Bundesfinanzhof (BFH) selbst vertreten konnte (BFH-Urteil vom 9. März 1976 VII K 18/75, BFHE 118, 290, BStBl II 1976, 449). Für den Senat bestand daher kein Anlaß zu einer entsprechenden Rückfrage.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 1978 weist die Klägerin unter Vorlage einer Bestätigung der Rechtsanwaltskammer A, darauf hin, daß es sich bei dem die Revisionsschriften Unterzeichnenden um Rechtsanwalt Dr. Siegfried Beier handle, der beim Landgericht C. und beim Oberlandesgerichts (OLG) D. zugelassen sei. Sie macht geltend, daß diese Tatsache offenkundig sei und sich wohl aus den Akten der Vorentscheidungen ergeben habe, was durch eine Rückfrage im Zusammenhang mit der Eingangsbestätigung hätte geklärt werden können. Sie beantragt, den Beschluß aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Der Antrag war abzulehnen.
Der Beschluß des Senats ist formell rechtskräftig. Nach allgemeiner Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung werden formell rechtskräftige Beschlüsse, mit denen die Revision als unzulässig verworfen wird (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), auch materiell rechtskräftig, weil sie an Stelle eines Urteils ergehen (vgl. BFH-Beschluß vom 14. September 1967 V S 9/67, BFHE 89, 332, BStBl III 1967, 615). Finanzgerichtsordnung und Zivilprozeßordnung (ZPO) lassen eine Abänderung nur zu, wenn die Wiedereinsetzung bei Versäumung einer gesetzlichen Frist gewährt wird (§ 56 FGO, § 233 ZPO) oder das Verfahren nach § 134 FGO i. V. m. §§ 578 ff. ZPO wiederaufgenommen wird. Daraus und aus der Bindung des Gerichts an seine Entscheidung nach § 318 ZPO, die auch für urteilsvertretende Beschlüsse wie den Beschluß nach § 126 Abs. 1 FGO gilt (s. Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 29. März 1971 4 AZB 34/70, Neue Juristische Wochenschrift 1971 S. 1823; Beschluß des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. Juni 1974 IX ZB 174/74 (Höchstricherliche Finanzrechtsprechung 1975 S. 34) ist zu folgern, daß Beschlüsse, mit denen die Revision als unzulässig verworfen wird, unabänderlich sind, auch wenn grobe - hier übrigens offenbar nicht gegebene - Verfahrensfehler vorliegen (s. auch Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl., § 60 II 1 d; Schönke-Kuschinke, Zivilprozeßrecht, 9. Aufl. 1969, § 73 III; BGH-Entscheidung IX ZB 174/74).
Eine Abänderung eines solchen Beschlusses ist auch auf Gegenvorstellung nicht zulässig. Abgesehen davon, daß weder in der Finanzgerichtsordnung noch in der Zivilprozeßordnung die Gegenvorstellung als Rechtsbehelf vorgesehen ist, würde ihr Erfolg immer davon abhängen, daß das Gericht rechtlich zur Abänderung befugt ist (s. Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 322 V 6, § 329 II 3). Mit Recht weist Grunsky in Stein-Jonas (a. a. O., § 567 IV 5) darauf hin, daß die Gegenvorstellung die Wirkung eines "Super-Rechtsbehelfs" erlangen würde, wenn sie damit begründet werden könnte, daß ihr Erfolg auf anderem Wege nicht mehr herbeigeführt werden könnte. Eine Abänderungsmöglichkeit würde gegen das Gebot der Rechtssicherheit verstoßen.
In dem nicht veröffentlichten Beschluß vom 24. November 1977 V R 146/72 hielt der V. Senat des BFH demgegenüber zwar eine Gegenvorstellung deswegen für statthaft, weil der Beschluß nicht mehr anfechtbar war; er lehnte jedoch die Änderung seines Verwerfungsbeschlusses ab. Da die zu entscheidende Rechtsfrage nicht die Zulässigkeit von Gegenvorstellungen, sondern dern die Möglichkeit der Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung war, eine solche aber vom V. Senat im Ergebnis abgelehnt wurde, kam der Feststellung, die Gegenvorstellung sei statthaft, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Der erkennende Senat braucht deshalb den Großen Senat nicht nach § 11 Abs. 3 FGO anzurufen.
1) Name geändert
Fundstellen
Haufe-Index 72916 |
BStBl II 1979, 574 |
BFHE 1979, 32 |