Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des einzusetzenden Einkommens eines Antragstellers auf Prozesskostenhilfe bei Ehegatten; Grenze des Schonvermögens
Normenkette
FGO §§ 142, 135; ZPO § 115 Abs. 1 Sätze 7, 3 Nr. 2; SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 9; ZPO § 115 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der im Jahr 1935 geborene Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) ist Beamter. In den Streitjahren (1997 bis 1999) war er bereits im Ruhestand; er wurde mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr 1997 gründete er gemeinsam mit seiner Schwiegertochter die X-GmbH (im Folgenden: GmbH). Er selbst hielt 98 v.H. der Anteile, seine Schwiegertochter 2 v.H. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH war zunächst der Sohn des Antragstellers. Am 28. Oktober 1999 wurde der Antragsteller zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Gegenstand des Unternehmens der GmbH waren der Handel mit … sowie der Handel und die Vermittlung mit und von Immobilien. Tatsächlich tätig geworden ist die GmbH in den Streitjahren ausschließlich für zwei Firmen, eine Immobilienservice KG und eine weitere Firma, die der GmbH das für ihre Tätigkeit benötigte Material gestellt hat. Nachdem die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Dezember 2002 mangels Masse abgelehnt worden war, wurde die GmbH im Handelsregister gelöscht.
Im Rahmen einer Außenprüfung bei der GmbH wurde festgestellt, dass der Sohn des Antragstellers als Geschäftsführer im Namen der GmbH fingierte Rechnungen ausgestellt und die jeweiligen Beträge für sich selbst verwendet hatte (im Streitjahr 1997 insgesamt … DM, im Streitjahr 1998 insgesamt … DM und im Streitjahr 1999 insgesamt … DM). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) beurteilte diese Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an eine den Gesellschaftern nahestehende Person und rechnete sie dem Antragsteller entsprechend seinem Anteil an der GmbH zu 98 v.H. als weitere Einnahmen aus Kapitalvermögen zu.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch hiergegen gerichtete Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2005, 1697).
Mit der Revision rügt der Antragsteller die unrichtige Auslegung des Begriffs "verdeckte Gewinnausschüttung" i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Er beantragt, ihm für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren.
Das FA misst der Revision hingegen keine Erfolgsaussicht zu.
Entscheidungsgründe
Dem Antragsteller ist PKH zu gewähren.
Gemäß § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1. Bei der im Verfahren über einen PKH-Antrag gebotenen summarischen Prüfung kann der Revision des Antragstellers eine Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass das FG die Zahlungen, die der Sohn des Antragstellers als Geschäftsführer der GmbH für sich selbst verwendet hat, dem Antragsteller zu Unrecht als vGA zugerechnet hat.
Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch vGA. Eine vGA im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt (§ 8, § 11 Abs. 1 EStG).
a) Eine vGA kann jedoch auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das "Nahestehen" in diesem Sinne kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein.
Die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahestehende Person ist stets unabhängig davon als vGA zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFHE 207, 103; vom 22. Februar 2005 VIII R 24/03,BFH/NV 2005, 1266). Allerdings gilt dies uneingeschränkt nur für den Fall, dass andere Ursachen für die Zuwendung als das Nahestehen des Empfängers zu einem Gesellschafter auszuschließen sind. Nur in diesem Falle spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die nahestehende Person den Vorteil ohne ihre Beziehung zum Gesellschafter nicht erhalten hätte.
b) Der Beweis des ersten Anscheins für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis kann durch die Feststellung erschüttert werden, dass die Zuwendung des Vorteils ihre Ursache ausschließlich in einer vom Gesellschaftsverhältnis zum nahestehenden Gesellschafter unabhängigen Beziehung der Kapitalgesellschaft zum Empfänger der Zuwendung hat; die Kapitalgesellschaft oder der dem Begünstigten nahestehende Gesellschafter haben dies darzulegen (BFH-Urteile vom 27. November 1974 I R 250/72, BFHE 114, 236,StBl II 1975, 306; in BFH/NV 2005, 1266).
Der für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis sprechende Anscheinsbeweis ist ferner dann erschüttert, wenn die Zuwendung des Vorteils auf der Beziehung zu einem anderen, dem Empfänger ebenfalls nahestehenden Gesellschafter beruhen kann. Ist unmittelbarer Empfänger der Zuwendung ein nahestehender anderer Gesellschafter, so ist die vGA ausschließlich diesem zuzurechnen, soweit ihm nicht (auch) sein Mitgesellschafter etwas zuwenden wollte (BFH-Urteil vom 29. September 1981 VIII R 8/77, BFHE 135, 31, BStBl II 1982, 248). Dasselbe gilt, wenn der unmittelbare Empfänger der Zuwendung (auch) einem anderen Gesellschafter nahesteht und anzunehmen ist, dass nur dieser ihm etwas zuwenden wollte; die vGA ist in diesem Fall nicht auf die Gesellschafter zu verteilen. Vielmehr ist in derartigen Fällen ―ohne Beweiserleichterung― festzustellen, wer die vGA veranlasst hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 1266).
2. Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall nicht auszuschließen, dass das angefochtene Urteil des FG keinen Bestand haben wird. Das FG hat nämlich nicht geprüft, ob der Antragsteller seinem Sohn bewusst Gelegenheit gegeben hat, sich unter Überschreitung seiner Kompetenzen als Geschäftsführer zulasten der GmbH zu bereichern, insbesondere ob er von den Scheinrechnungen seines Sohnes wusste. Vielmehr hat das FG seine Entscheidung vor allem auf das Argument gestützt, der Antragsteller habe seine Kontrollrechte und -pflichten als Gesellschafter gegenüber dem Geschäftsführer verletzt. Ob dies ausreicht, um eine Zuwendung der GmbH an den Antragsteller und eine Zuwendung des Antragstellers an seinen Sohn anzunehmen, ist bei summarischer Prüfung zu bezweifeln. Denn die Vorschrift des § 45 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) normiert grundsätzlich nur Gesellschafterrechte, aber keine Gesellschafterpflichten (Roth in Roth/ Altmeppen, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), 5. Aufl., § 45 Rz 14 ff.). Auch eine steuerrechtliche Haftung gemäß §§ 69 ff. der Abgabenordnung (AO) besteht zulasten des Gesellschafters einer GmbH grundsätzlich nicht. Deshalb spricht einiges dafür, dass dem GmbH-Gesellschafter in derartigen Fällen nur dann eine mittelbare vGA als Einnahme zugerechnet werden kann, wenn ―ohne Beweiserleichterung― angenommen werden kann, dass einmal die GmbH dem Gesellschafter und zum Zweiten der Gesellschafter dem Geschäftsführer einen Vermögensvorteil zuwenden wollte und beide Zuwendungen mittelbar dadurch erfolgt sind, dass die GmbH unmittelbar an ihren Geschäftsführer geleistet hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 135, 31, BStBl II 1982, 248). Dies dürfte mindestens voraussetzen, dass der Gesellschafter von der Zuwendung an den Geschäftsführer Kenntnis hatte. Dies hat das FG nicht festgestellt.
3. a) Die gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 115 Abs. 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO festzusetzenden Monatsraten betragen 569 €, da das einzusetzende Einkommen nach § 115 Abs. 1 ZPO monatlich 1 019 € beträgt. Abweichend von der Berechnung des Antragstellers ist bei der Ermittlung seines einzusetzenden Einkommens nach § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO kein Freibetrag für seine Ehefrau gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO in Höhe von 380 € abzuziehen, weil seine Ehefrau über eigene Einkünfte verfügt. Aus diesem Grund sind auch die Kosten der Unterkunft nur zur Hälfte abzuziehen (vgl. Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 142 Rz 22).
b) Der Antragsteller hat aus seinem Vermögen einen Betrag von 3 067 € zu leisten.
Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat ein Beteiligter sein Vermögen für die Prozessführung einzusetzen, soweit es zumutbar ist. Gemäß § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch(SGB XII) darf die Bewilligung von PKH jedoch nicht vom Einsatz oder von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte abhängig gemacht werden. Die Grenze dieses Schonvermögens nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII beträgt ―bezogen auf die Hilfe in besonderen Lebenslagen, zu denen auch die PKH gehört (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Juni 2006 VI S 9/05 (PKH), BFH/NV 2006, 1690)― 2 600 € (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Die Bankguthaben des Antragstellers (5 667 €) übersteigen diese Grenze um 3 067 €.
4. Eine Kostenentscheidung ist im PKH-Verfahren nicht zu treffen, da es sich um ein unselbstständiges Zwischenverfahren handelt, für das Gerichtsgebühren nicht entstehen (vgl. BFH-
Beschluss vom 29. April 2005 VII S 10/05 (PKH), BFH/NV 2005, 1599).
Fundstellen