Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand trotz rechtskräftigen BFH-Beschlusses
Leitsatz (NV)
Die Rechtskraft eines Beschlusses des BFH, mit dem dieser eine Revision als unzulässig verworfen hat, steht einer erneut eingelegten Revision und einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen, wenn der Streitgegenstand des Beschlusses nicht mit dem Streitgegenstand der erneut eingelegten Revision identisch ist.
Normenkette
FGO §§ 56, 110 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen des Klägers und Revisionsklägers (Klägers) wegen Einkommensteuer 1982 und 1983 und wegen Umsatzsteuer 1981, 1982 und 1983 durch Urteile vom 21. Juli 1989 abgewiesen. Diese Entscheidungen wurden den damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 7. Dezember 1989 zugestellt. Die dagegen vom Kläger persönlich eingelegten Revisionen hat der erkennende Senat durch Beschlüsse vom 15. Februar 1990 X R 5/90 (Einkommensteuer 1982); X R 6/90 (Einkommensteuer 1983); X R 7/90 (Umsatzsteuer 1981, 1982); X R 8/90 (Umsatzsteuer 1983) als unzulässig verworfen. Diese Beschlüsse des erkennenden Senats wurden dem Kläger am 2. April 1990 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 19. April 1990 - gerichtet an den Bundesfinanzhof (BFH), dort eingegangen am 20. April 1990 - hat der Kläger, vertreten durch seinen jetzigen, am 12. April 1990 beauftragten Prozeßbevollmächtigten, erneut Revisionen eingelegt. Zugleich beantragt er wegen Versäumung der Revisionseinlegungsfristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Kläger begründet seine Wiedereinsetzung damit, daß die von ihm seinerzeit ,,lediglich der Vorsicht halber" eingelegten Revisionen nicht die Einlegung der Revisionen durch ,,seine" damaligen Rechtsanwälte A und Partner habe ersetzen sollen, an die die FG-Urteile zugestellt worden seien. Diese Rechtsanwälte hätten seinerzeit wider Erwarten keine Revisionen eingelegt, da ,,intern" abgesprochen gewesen sei, daß ihn Rechtsanwalt B, sein Bruder, vertreten solle. Dieser habe aber während der Verfahren vor dem FG das Mandat niedergelegt, weshalb er, der Kläger, fortan ohne rechtliche Vertretung gewesen sei. Erst mit der Zustellung der Beschlüsse des BFH, durch die seine Revisionen als unzulässig verworfen worden seien, habe er festgestellt, daß die Rechtsanwälte A und Partner keine Revisionserklärungen in seinem Namen abgegeben hätten.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.
1. Die durch den Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingereichten Revisionen sind nicht gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) innerhalb eines Monats nach Zustellung der Urteile beim FG eingereicht worden.
Die Urteile des FG sind den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 7. Dezember 1989 zugestellt worden. Die einmonatige Revisionsfrist endete am Montag, dem 8. Januar 1990 (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 188 Abs. 2, § 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Bis dahin sind beim FG keine durch eine nach dem Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vertretungsberechtigte Person gefertigten Revisionen eingegangen.
2. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) kann nicht gewährt werden.
a) Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind statthaft. Ihnen steht nicht die Rechtskraft der bereits ergangenen Senatsbeschlüsse vom 15. Februar 1990 (X R 5/90; X R 6/90; X R 7/90; X R 8/90) entgegen. Denn die Streitgegenstände jener Beschlüsse sind nicht identisch mit dem Streitgegenstand dieses Verfahrens. Die Beschlüsse des BFH, mit denen dieser die unzulässigen Revisionen verworfen hat, sind zwar der materiellen Rechtskraft fähig. Denn diese Beschlüsse entscheiden selbständig und endgültig über die Zulässigkeit der Revisionen (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1987 IX B 87/87, BFH/NV 1988, 180). Die Beteiligten sind nach § 110 Abs. 1 FGO an diese rechtskräftigen Entscheidungen gebunden. Die Rechtskraft erstreckt sich jedoch nur auf die abgehandelten Unzulässigkeitsgründe.
Aus den Entscheidungsgründen der Beschlüsse vom 15. Februar 1990 ergibt sich, daß darin nur über die Postulationsfähigkeit des Klägers entschieden wurde und nicht über die Frage der Revisionseinlegung durch den jetzigen Prozeßbevollmächtigten unter Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
b) Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO liegen nicht vor. Der Kläger war nicht ohne Verschulden gehindert, die Revisionseinlegungsfrist von einem Monat einzuhalten. Der Kläger hat außerdem die versäumte Rechtshandlung nicht fristgerecht nachgeholt (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).
Die Wiedereinsetzung setzt u. a. voraus, daß jemand, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO), binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses einen Wiedereinsetzungsantrag stellt sowie die versäumte Rechtshandlung nachholt (§ 56 Abs. 2 FGO).
Die Fristversäumnis des Klägers war nicht unverschuldet. Denn die Einlegung der Revisionen durch dessen Anwälte A und Partner war dem Kläger nach seinem eigenen Vorbringen selbst nicht gewiß, so daß er selbst ,,lediglich der Vorsicht halber" Revisionen aus X eingelegt hat. Zweifel hätte er durch rechtzeitige Erkundigung bei den Rechtsanwälten A und Partner beheben können und müssen. Ggf. hätte er Aufträge zur Einlegung der Revisionen erteilen können. Zu den Sorgfaltspflichten eines Beteiligten, der durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten ist oder sich von ihm vertreten lassen will, gehört es, durch klare Weisungen sicherzustellen, daß die beabsichtigten Prozeßhandlungen vorgenommen, vor allem Rechtsmittelfristen eingehalten werden (BFH-Beschluß vom 29. September 1971 I R 64/71, BFHE 103, 307, BStBl II 1972, 91).
Der Wiedereinsetzung steht weiter entgegen, daß der Kläger die versäumte Rechtshandlung - hier die Einlegung der Revisionen - nicht fristgerecht nachgeholt hat. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 FGO). Weggefallen ist das Hindernis, sobald der Kläger - bzw. bei Vertretung durch einen Prozeßbevollmächtigten dieser - von der Versäumung der Frist Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen (BFH-Beschluß vom 2. Dezember 1988 X R 92/88, BFHE 155, 36, BStBl II 1989, 147).
Der Kläger selbst hat spätestens am 2. April 1990 durch Zustellung der betreffenden BFH-Beschlüsse Kenntnis von der Fristversäumnis erhalten, der Prozeßbevollmächtigte des Klägers erst am 12. April 1990. Selbst wenn man insoweit auf die Kenntnisnahme des Prozeßbevollmächtigten am 12. April 1990 abstellt, sind die im Rahmen der Anträge auf Wiedereinsetzung nachzuholenden Revisionen nicht innerhalb der Zweiwochenfrist beim zuständigen FG eingelegt worden. Die am 20. April 1990 beim BFH eingegangenen Revisionen waren nicht geeignet, diese Frist zu wahren. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf den Beschluß des BFH in BFHE 155, 36, BStBl II 1989, 147 verwiesen. Der Kläger muß sich insoweit das Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen.
Unabhängig davon wäre auch innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist der Geschehensablauf, der zur Fristversäumnis geführt hat, eingehend darzulegen gewesen (BFH-Beschluß vom 10. Oktober 1988 IV R 202/85, BFH/NV 1990, 42). Auch dies ist nicht geschehen.
Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 FGO rechtfertigen könnten, sind weder geltend gemacht noch aus den Akten ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 417349 |
BFH/NV 1991, 467 |