Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeugnisverweigerungsrecht geschiedener Ehegatten
Leitsatz (NV)
Der geschiedenen Ehefrau des Klägers steht ein Zeugnisverweigerungsrecht im ganzen zu. Da sie im Hauptsacheverfahren des Klägers nicht als Beteiligte über ihre eigenen steuerlichen Verhältnisse zeugnispflichtig war und sie auch keine Zeugnispflicht für den Kläger zu erfüllen hatte, konnte sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, ohne dies weiter begründen zu müssen. Eine gerichtliche Überprüfung der Beweggründe für die Zeugnisverweigerung kommt nicht in Betracht.
Normenkette
AO 1977 § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 101 Abs. 1; FGO §§ 82, 84 Abs. 1; ZPO § 387
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) benannte seine geschiedene Ehefrau für eine Reihe von streitigen Fragen in seinem Rechtsstreit gegen das Finanzamt als Zeugin. Diese teilte dem Gericht mit, sie mache von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Der Kläger bestritt das Recht der Zeugin, das Zeugnis zu verweigern.
Das Finanzgericht (FG) hat durch Zwischenurteil am 21. März 1995 entschieden, daß die geschiedene Ehefrau zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist. Es führt im wesentlichen aus, die Zeugin sei als ehemalige Ehefrau des Klägers dessen Angehörige gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Ihr stehe das gesetzliche Recht zur Zeugnisverweigerung zu (§ 84 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. § 101 AO 1977), ohne daß es auf weitere Voraussetzungen oder auf die Motive zur Inanspruchnahme dieses Rechts ankäme. Das Zeugnisverweigerungsrecht entfalle nicht wegen einer Auskunftspflicht der Zeugin in eigener Sache. Der Kläger und die Zeugin seien zwar ursprünglich zusammenveranlagt worden. Zwischenzeitlich seien jedoch getrennte Veranlagungen durchgeführt worden; das Verfahren der Zeugin sei abgetrennt und rechtskräftig abgeschlossen worden. Sie habe auch keine Auskunftspflicht für den Kläger entsprechend den §§ 34, 79 AO 1977 zu erfüllen.
Mit der dagegen gerichteten Beschwerde macht der Kläger geltend, die von der Zeugin behauptete starke nervliche Belastung durch die vielen Verfahren des Klägers begründe nicht ihr Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht. Sie hätte hierfür ein ärzt liches Attest beibringen müssen. Daß sie den Kläger nicht belasten wolle, sei unzu treffend. Die Berufung der Zeugin auf die frühere Ehe sei rechtsmißbräuchlich. Eine Zeugnisverweigerung zur Schädigung des Partners und/oder der Ehe sei unzulässig. Die Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG).
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Nach § 82 FGO i. V. m. § 387 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hat das Prozeßgericht über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung durch Zwischenurteil zu entscheiden. Gegen dieses findet sofortige Beschwerde statt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist gegen ein Zwischenurteil des FG die Beschwerde gemäß §§ 128--129 FGO gegeben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juli 1971 I R 9/71, BFHE 103, 121, BStBl II 1971, 808, und vom 2. Februar 1989 IV B 114/88, BFH/NV 1989, 761).
Die statthafte Beschwerde ist zulässig geblieben, obgleich das FG mittlerweile im Hauptsacheverfahren entschieden hat. Der Gesetzgeber hat den Streit über das Zeugnisverweigerungsrecht eines Zeugen als selbständiges Zwischenverfahren ausgestaltet. Entscheidungen in diesem besonderen Verfahren unterliegen nicht der Beur teilung des BFH im Revisionsverfahren (§ 155 FGO i. V. m. §§ 512, 548 ZPO; vgl. im übrigen BFH-Beschlüsse vom 7. April 1976 VII B 7/76, BFHE 118, 301, BStBl II 1976, 387 zum Beschwerdeverfahren bei Ablehnung eines Sachverständigen, und vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217, unter C. II. 2. zum Beschwerdeverfahren bei Ablehnung eines Richters).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zutreffend hat das FG das Zeugnisverweigerungsrecht der Zeugin bejaht.
Nach § 84 Abs. 1 FGO i. V. m. § 101 Abs. 1 AO 1977 können die Angehörigen eines Beteiligten das Zeugnis verweigern, soweit sie nicht selbst als Beteiligte über ihre eigenen steuerlichen Verhältnisse auskunftspflichtig sind oder die Auskunftspflicht für einen Beteiligten zu erfüllen haben. Angehöriger ist der Ehegatte auch dann, wenn die die Beziehung begründende Ehe nicht mehr besteht (§ 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 AO 1977). Der geschiedenen Ehefrau des Klägers stand danach ein Zeugnisverweigerungsrecht im ganzen zu (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, § 84 Rz. 6). Da sie im Hauptsacheverfahren nicht als Beteiligte über ihre eigenen steuerlichen Verhältnisse zeugnispflichtig war und sie auch keine Zeugnispflicht für den Kläger (vgl. hierzu Koch/Scholz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 101 Rdnr. 4) zu er füllen hatte, konnte sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, ohne dies weiter zu begründen (vgl. Koch/ Scholz, a. a. O., § 101 Rdnr. 9; Kühn/ Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 101 Nr. 3 3. Abs. ). Eine gerichtliche Überprüfung der Beweggründe für die Zeugnisverweigerung kommt nicht in Betracht.
Dem erkennenden Senat ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts durch die geschiedene Ehefrau gegen Art. 6 und Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 422193 |
BFH/NV 1997, 638 |