Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Rechtsbehelfsbefugnis einer Initiatorin
Leitsatz (NV)
Die nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO 1977 erklärungspflichtige Person ist dann nicht rechtsbehelfsbefugt, wenn sie zwar die Erklärung abgegeben hat, sie aber nicht zur Empfangsbevollmächtigten bestellt worden ist (§ 6 Abs. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO 1977).
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 2, 2 V § 3, Abs. 2 V § 6; FGO § 40 Abs. 2, § 48 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) erwarb ein mit einem unsanierten Gebäude bebautes Grundstück, teilte es in Miteigentumsanteile verbunden mit Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung auf und veräußerte die noch zu sanierenden 19 Eigentumswohnungen. Den jeweiligen Kaufpreis teilte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) nach einer Außenprüfung abweichend von der --durch die Antragstellerin eingereichte-- Feststellungserklärung auf Grund und Boden, die Altbausubstanz und die Modernisierungskosten auf und erließ einen entsprechenden Feststellungsbescheid. Diesen Bescheid machte das FA der Antragstellerin gegenüber bekannt. Die Antragstellerin war zwar nicht zum Empfang des Bescheides bevollmächtigt, erhielt den Bescheid aber unter Hinweis auf § 6 Abs. 2 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (V zu § 182 Abs. 2 AO).
Die Antragstellerin legte Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Ferner beantragte sie Aussetzung der Vollziehung, zunächst beim FA, das abschlägig darüber entschied, sodann beim FG. Das FG verwarf den Antrag als unzulässig. Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. Sie sei nicht Adressatin der getroffenen Feststellungen und auch nicht zum Empfang ermächtigt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie geltend macht, ein Auseinanderfallen von Prüfungsmitwirkungspflichten und Rechtsbehelfskompetenzen würde dem Zweck der V zu § 180 Abs. 2 AO widersprechen. Außerdem sei sie der Prospekthaftung ausgesetzt und habe ein persönliches Interesse an den Feststellungen.
Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung des geänderten Bescheids über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1998 bis 2003 auszusetzen, hilfsweise den Antrag zur materiell-rechtlichen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Zutreffend hat die Vorinstanz die Antragsbefugnis der Antragstellerin verneint und ihren Aussetzungsantrag als unzulässig verworfen.
Antragsbefugt ist, wer in der Hauptsache klagebefugt ist oder wäre. Es gelten § 40 Abs. 2 und § 48 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Tz. 60, m.w.N.).
Die Antragstellerin wäre in der Hauptsache nicht klagebefugt. Sie erfüllt nicht die --hier allein in Betracht kommenden-- Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 FGO, weil sie nicht gemeinsame Empfangsbevollmächtigte i.S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 der V zu § 180 Abs. 2 AO ist. Zwar hat ihr das FA den Feststellungsbescheid gemäß § 6 Abs. 2 der V zu § 180 Abs. 2 AO bekannt gegeben, weil sie als erklärungspflichtige Person i.S. von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der V zu § 180 Abs. 2 AO nicht zur Empfangsbevollmächtigten bestellt war. Allein diese Stellung begründet aber keine Rechtsbehelfsbefugnis (einhellige Auffassung, vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 180 AO Tz. 95; Söhn in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 180 AO Rz. 592; v.Wedelstädt in: Kühn/ v.Wedelstädt, 18. Aufl., AO, § 180 Rz. 63; Frotscher in Schwarz, AO, § 180 Rz. 176; so auch Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 2. Mai 2001 IV A 4 -S 0361- 4/01, BStBl I 2001, 256, Tz. 8).
§ 48 Abs. 2 FGO verleiht lediglich dem Empfangsbevollmächtigten und damit nicht dem bloß Erklärungspflichtigen i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der V zu § 180 Abs. 2 AO die Klagebefugnis. Es mag zwar sein, dass die Antragstellerin Prospekthaftungsansprüchen ausgesetzt ist. Daraus folgt ihre Antragsbefugnis aber ebenso wenig wie bei einem steuerlichen Berater (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 40 FGO Tz. 59). Andererseits entfaltet die Feststellung ihr gegenüber keine Drittwirkung nach § 166 der Abgabenordnung (AO 1977). Sie muss in einem anderen Verfahren die bestandskräftige Feststellung nicht gegen sich gelten lassen und kann noch vortragen, dass sie mit der Rechtslage nicht übereinstimmt.
Fundstellen
Haufe-Index 1501936 |
BFH/NV 2006, 1054 |