Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Ablehnung von PKH; Begründungsanforderungen bei Schätzung
Leitsatz (NV)
- Soweit im Besteuerungsverfahren Schätzungen vorzunehmen sind, deren Ergebnis von der Würdigung vieler Tatumstände abhängt, darf für das Prozesskostenhilfeverfahren nicht die endgültige Würdigung, die der Endentscheidung zugrunde liegt, maßgebend sein.
- Es kommt vielmehr darauf an, ob der vom Antragsteller begehrte Erfolg bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat bzw. möglich erscheint.
- Zur Begründung eines PKH-Antrags ist es nicht ausreichend, wenn der Steuerpflichtige den der Schätzung zugrunde liegenden konkreten Tatsachen und Schlussfolgerungen lediglich pauschal entgegentritt oder keinen Versuch unternimmt, in Erfüllung der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen.
Normenkette
FGO §§ 142, 155
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies mit Beschluss vom 9. Dezember 1998 den Antrag des Klägers, Antragstellers und Beschwerdeführers (Kläger) vom 11. Oktober 1996 auf Prozesskostenhilfe (PKH) zurück, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Wegen der Gründe im Einzelnen wurde auf den Gerichtsbescheid vom gleichen Tage verwiesen, mit dem die Klage betreffend Einkommensteuer 1978, 1979, 1980 und 1983 abgewiesen wurde.
Der Sachentscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger bezog in den Streitjahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Arzt, seine mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau ―die Klägerin― Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Praxishilfe. Darüber hinaus wurden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, aus Gewerbebetrieb und aus Kapitalvermögen erzielt. Die Besteuerungsgrundlagen der Kläger, die seit 1971 keine Steuererklärungen abgegeben hatten, wurden für die Streitjahre geschätzt, die Steuerbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Vom Februar 1986 bis März 1987 fand beim Kläger eine Außenprüfung statt. Nach den Feststellungen der Prüfer ergab sich ein erheblicher Korrekturbedarf u.a. wegen zu niedrig angesetzter Kasseneinnahmen und Kapitaleinkünften aus Konten in Luxemburg. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren führte zur rechtskräftigen Verurteilung des Klägers wegen Steuerhinterziehung. Der Beklagte (das Finanzamt ―FA―) erließ aufgrund der Feststellungen der Prüfer unter dem 1. Juli 1987 für die Jahre 1979 bis 1984 und unter dem 1. September 1987 für das Jahr 1978 geänderte Einkommensteuerbescheide.
Mit ihrer am 31. August 1988 erhobenen Klage machten die Kläger unzureichende Berücksichtigung des mit dem FA zwischenzeitlich im Einspruchsverfahren erzielten Einvernehmens geltend. Das FA habe die Unsicherheitszuschläge bei den Praxiseinnahmen nicht korrigiert und zu Unrecht Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt, Beteiligungsverluste seien unzutreffend berücksichtigt und Labor- sowie Personalausgaben nicht voll erfasst worden.
Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1981, 1982 und 1984 wurden vom FA während des laufenden Klageverfahrens geändert. Die Kläger haben diese Bescheide nicht zum Gegenstand des rechtshängigen Verfahrens erklärt, sondern nach Durchführung des Einspruchsverfahrens am 30. Juni 1995 Klage erhoben.
Mit Beschluss vom 9. Dezember 1998 trennte das FG die Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 1978, 1979, 1980 und 1983 ab und wies sie durch Gerichtsbescheid vom selben Tag ab. Die Hinzuschätzung von Praxiseinnahmen rechtfertige sich daraus, dass im Bereich der Privatpatienten und der Kassenpatienten mit Selbstbeteiligung, bei denen der Kläger direkt liquidierte, die Quittungsblöcke nicht sämtliche Einnahmen aufwiesen. Hinsichtlich der Schätzung von Einnahmen aus Kapitalvermögen sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sogar von erheblich höheren Kapitaleinnahmen auszugehen. Neben den Guthaben von … DM ergäben sich aus den vom Kläger vorgelegten Schreiben Lire-Gutschriften in Höhe von bis zu … DM. Die von den Prüfern ermittelten Labor- und Personalkosten seien mit dem früheren Steuerberater erörtert und abgestimmt worden, darüber hinausgehende Kosten habe der Kläger weder dargelegt noch nachgewiesen. Hinsichtlich der Verluste aus Bauherrenmodellen stellten die Kläger lediglich Behauptungen ins Blaue hinein auf, ohne diese zu substantiieren und nachzuweisen. Gegen den Gerichtsbescheid haben die Kläger nach § 90a Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mündliche Verhandlung beantragt.
Mit der vorliegenden Beschwerde beantragt der Kläger, den die Bewilligung von PKH ablehnenden Beschluss des FG aufzuheben und ihm unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten PKH zu bewilligen.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
1. Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Die Erfolgsaussichten sind in der Regel dann als hinreichend anzusehen, wenn die Gründe für und gegen einen Erfolg als gleichwertig zu bewerten sind; eine abschließende Prüfung darf bei der Abwägung nicht vorgenommen werden. Dabei ist im Beschwerdeverfahren auch neues Vorbringen des Antragstellers gemäß § 155 FGO i.V.m. § 570 ZPO zu berücksichtigen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 6. Juni 1994 VII B 2/94, BFH/NV 1995, 281, m.w.N.).
Soweit im Besteuerungsverfahren Schätzungen vorzunehmen sind, deren Ergebnis von der Würdigung vieler Tatumstände abhängt, darf für das PKH-Verfahren nicht die endgültige Würdigung, die der Endentscheidung zugrunde liegt, maßgebend sein. Die Vorwegnahme der Endentscheidung im PKH-Verfahren würde zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass der Antragsteller gehindert wäre, seine Rechte aus der Gewährung der PKH in vollem Umfange wahrzunehmen. Es kommt vielmehr wesentlich darauf an, ob der vom Antragsteller begehrte Erfolg bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BFH-Beschluss vom 27. August 1986 VIII B 84/85, BFH/NV 1987, 119) bzw. möglich erscheint. Andererseits ist es nicht ausreichend, wenn der Steuerpflichtige den der Schätzung zugrunde liegenden konkreten Tatsachen und Schlussfolgerungen lediglich pauschal entgegentritt oder keinen Versuch unternimmt, in Erfüllung der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist zu entnehmen, dass der Antragsteller die hinreichende Erfolgsaussicht als Voraussetzung der Bewilligung einer PKH zumindest schlüssig, ggf. mit Beweisantritten, darlegen muss (BFH-Beschluss vom 23. Juni 1994 XI B 74/93, BFH/NV 1995, 151, m.w.N.).
2. Dass das FG PKH ausschließlich mit dem Hinweis abgelehnt hat, die mangelnde Aussicht auf Erfolg ergebe sich aus der Klageabweisung und damit die der Endentscheidung zugrunde liegende Würdigung schon zur Grundlage seiner PKH-Entscheidung gemacht hat, rechtfertigt es für sich allein nicht, der Beschwerde stattzugeben. Dafür wäre erforderlich, dass die Kläger den im Rahmen der Außenprüfung festgestellten Ermittlungsergebnissen, die das FA den Steuerfestsetzungen zugrunde gelegt hat, durch ausreichend konkret bezeichnete Tatsachen substantiiert entgegengetreten wären, um eine hinreichende Erfolgsaussicht darzutun.
Nach den von den Klägern nicht bestrittenen Feststellungen des FG haben sich die Kläger während des Klageverfahrens weitgehend auf Behauptungen und das Abstreiten der Feststellungen der Prüfer beschränkt. Auch die Beschwerdeschrift vom 29. Dezember 1998 enthält keine substantiierten Darlegungen, die angesichts der im Streitfall vorliegenden Prüfungsfeststellungen für die Prüfung des PKH-Antrags zu erwarten gewesen wären.
Die mit Schreiben vom 9. Juni 1999 gemachten zusätzlichen Angaben hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen des Jahres 1978 sind teils widersprüchlich, teils nicht substantiiert bzw. belegt und damit gleichfalls nicht geeignet, die den Steuerfestsetzungen zugrunde liegenden Feststellungen des FA schlüssig zu widerlegen. Die Berechtigung zur Erhebung eines Unsicherheitszuschlages wegen nicht verbuchter Privateinnahmen hat das FG begründet, die Kläger beschränken sich hierzu auf ein bloßes Bestreiten. Zur Höhe der angeblichen Kürzungen und Regressforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung haben die Kläger weder beziffert noch belegt, dass sie nicht bereits im Rahmen des Einspruchsverfahrens berücksichtigt wurden. Die privaten Kfz-Kosten würden bei Berücksichtigung weiterer Kostenfaktoren nur noch höher. Die Behauptung, bei den Personalkosten seien wichtige Positionen nicht berücksichtigt worden, haben die Kläger gleichfalls nicht belegt. Die Telefonkosten waren im Gegensatz zum Vortrag des Klägers keineswegs in den anderen Jahren stets 4 000 DM und die bloße Behauptung, dass das Volumen für Absetzung für Abnutzung (AfA) der Vorjahre stets höher gewesen sei, besagt wenig über die für 1978 anzusetzende AfA; hierzu hätten die Kläger beispielsweise entsprechende Investitionen benennen müssen. Hinsichtlich der Position "Ausgaben laut Belege" ist zwar auffallend, dass diese über die Jahre außerordentlich schwankt, die Kläger haben aber auch hierzu keine Nachweise oder anderweitige Aufschlüsselungen beigefügt. Die Aufstellung betreffend die …-Beteiligung enthält auch nicht Ansätze einer Gewinnermittlung.
Gegen die Darstellung der Kläger spricht auch, dass die seit der Besprechung im Rahmen des Einspruchsverfahrens erhobenen Einwendungen, sie hätten nicht über entsprechende Kapitalbeträge in Luxemburg verfügt und hätten höhere Verluste aus bestimmten Beteiligungen erlitten, nicht weiter verfolgt werden, obwohl diese Positionen dem Betrage nach besonders gewichtig sind und gerade diesbezüglich eine Beweisführung möglich sein müsste.
Fundstellen
Haufe-Index 510239 |
BFH/NV 2001, 165 |