Leitsatz (amtlich)
1. Die Klage eines Vereins ist nach § 40 Abs. 2 FGO zulässig, wenn der Verein geltend macht, der angefochtene, auf null DM lautende Steuerbescheid sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten, weil die Steuerpflicht bejaht worden sei.
2. Eine Sache, in der die Überprüfung der Rechtsfrage begehrt wird, ob die Förderung der Freikörperkultur gemeinnützig im Sinne des § 17 StAnpG (vgl. Urteil des BFH I 122/62 U vom 31. Oktober 1963, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 78 S. 212, BStBl III 1964, 83) ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; KStDV § 7; StAnpG § 17; GemV § 4 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer ist ein eingetragener Verein. § 2 seiner für das Streitjahr gültigen Satzung enthält folgende Zweckbestimmung:
Der Bund verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dezember 1965, und zwar auf folgende Weise:
Er setzt sich ein für eine sportliche, freie, naturgemäße und damit gesunde Lebensgestaltung, für eine Verinnerlichung der Lebensführung, für die Erziehung zu innerer und äußerer Wahrhaftigkeit sowie gegenseitiger Achtung und Humanität im Geiste der Völkerverständigung mit dem Ziel einer körperlichen, sittlichen und geistigen Gesundung des Volkes.
Als Mittel zur Erreichung dieses Zieles betrachtet er:
a) Förderung des Volkssportes, insbesondere auch die planmäßige Pflege von Leibesübungen jeder Art, Gymnastik, Leichtathletik, Ballspiel, Schwimmen sowie aller sonstiger wasser-, wander- und wintersportlichen Betätigung in Verbindung mit Luft-, Licht-, Sonnenbaden, Körper- und Gesundheitspflege auf der Grundlage der Freikörperkultur ohne Trennung der Geschlechter auf besonders hierfür freigegebenen Geländen und Übungsstätten unter Beachtung der gültigen behördlichen Anordnungen. Er dient damit der Hebung der Volksgesundheit.
Berufssportliche Bestrebungen sind mit den gemeinnützigen Grundsätzen des Bundes unvereinbar.
b) Vorträge und Kurse über Lebensgestaltung und Lebensführung sowie Unterstützung aller Veranstaltungen, die den gleichen Zielen dienen; Werbung und Aufklärung in allen Volkskreisen im Rahmen aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.
c) Gesunde Lebens- und Ernährungsweise, Bekämpfung von Alkohol- und Nikotin-Mißbrauch.
d) Schaffung von Sportgeländen, Erholungsstätten und Lehr- und Bildungsmöglichkeiten zur Durchführung der Bestrebungen des Bundes.
e) Allgemeine Aufklärung und Einflußnahme auf Gesetzgebung und behördliche Maßnahmen im Sinne der Zielsetzung des Bundes, soweit diese ohne Gefährdung des politisch, konfessionell, rassisch und wirtschaftlich neutralen Charakters des Bundes möglich ist.
f) Förderung aller Maßnahmen, die der Schaffung gesunder Lebens-, Wohn- und Arbeitsverhältnisse, insbesondere aber der Jugendpflege dienen.
g) Unterstützung aller gleichgerichteten Bestrebungen und Zusammenarbeit mit allen Vereinigungen, die gleiche oder ähnliche Zielsetzung haben. Der Bund kann korporative Mitgliedschaft in solchen Vereinen erwerben, wenn dies in seinem Interesse liegt.
Um diesen Zweck zu erreichen, ermöglicht der Beschwerdeführer seinen Mitgliedern die Ausübung aller Sportarten auf den Gebieten der Leichtathletik, des Turnens und des Spielsportes. Hierzu verfügt er über ein durch Gemeinde-, Kreis-, Landes- und Bundessportmittel gefördertes Sportgelände, welches mit den zu den genannten Sportarten erforderlichen Einrichtungen ausgerüstet ist.
Auf diesem eigens vorgesehenen Gelände tragen die Vereinsmitglieder im internen Vereinsleben und bei ihrer internen sportlichen Betätigung der Satzung entsprechend keine Kleidung.
Der Beschwerdeführer, der auf einzelnen Gebieten auch den Leistungssport betreibt, ist Mitglied des Landessportbundes und des Kreissportbundes. Durch seinen Dachverband gehört er auch dem Deutschen Sportbund an.
Der Beschwerdegegner (FA) setzte die Körperschaftsteuer des Beschwerdeführers für das Streitjahr 1966 durch Steuerbescheid auf 0 DM fest, da er im Steuerabschnitt kein Einkommen erzielt hatte. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Sprungklage mit dem Antrag, das FA zur Aufhebung des Körperschaftsteuerbescheides zu verurteilen, hilfsweise festzustellen, daß er im Sinne der §§ 17 bis 19 StAnpG gemeinnützig sei. Er ist der Ansicht, daß er mit seiner unstreitig von den Sportverbänden anerkannten und durch öffentliche Mittel geförderten sportlichen Betätigung ausschließlich einen gemeinnützigen Zweck verfolge, der nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG zur Befreiung von der Körperschaftsteuer führe.
Das FG hielt die Klage für zulässig, aber nicht für begründet. Der Beschwerdeführer diene nach seiner Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken. Zwar gelte nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 StAnpG als Förderung der Allgemeinheit und damit als gemeinnützig die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege sowie die körperliche Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen, wie sie auch der Beschwerdeführer mit seiner beachtenswerten sportlichen Betätigung fördere. Die vom Beschwerdeführer als wesentlicher Vereinszweck verfolgte Freikörperkultur könne aber nicht als gemeinnützig anerkannt werden, so daß der Vereinszweck nicht als ausschließlich dem allgemeinen Besten dienend anzusehen sei.
Eine Gemeinnützigkeit könne nicht angenommen werden, wenn wie bisher die Bestrebungen der Freikörperkulturbewegung von weiten Kreisen der Bevölkerung abgelehnt würden und die Betätigung des Beschwerdeführers zwar vom Staat toleriert, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit zugelassen werde. Die Freikörperkulturbewegung sehe gerade in der dem Sport von ihr zugrunde gelegten Freikörperkultur ohne Trennung der Geschlechter eine bestimmte Lebenshaltung, eine Art Weltanschauung. Dieses bringe auch die Satzung des Beschwerdeführers zum Ausdruck, die als ausschließliches Ziel nicht die Sportförderung allein, sondern das unbekleidete Zusammensein beider Geschlechter als wichtigen und ausschlaggebenden Vereinszweck ansehe, auf dessen Grundlage erst eine Sportausübung erfolgen solle.
Im übrigen schloß sich das FG der Entscheidung des BFH I 122/62 U vom 31. Oktober 1963 (BFH 78, 212, BStBl III 1964, 83), in der ebenfalls die Gemeinnützigkeit der Freikörperkulturbewegung verneint wurde, an und verwies auf die Begründung dieser Entscheidung. Wegen der Übereinstimmung mit dieser neueren höchstrichterlichen Entscheidung maß das FG seinem Urteil keine grundsätzliche Bedeutung zu und ließ deshalb die Revision nicht zu.
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde mit dem Antrag, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die vom FG entschiedene Rechtsfrage - ob durch die Ausübung der sportlichen Betätigung der Freikörperkulturvereine in der unstreitigen Form die öffentliche Gesundheitspflege sowie die körperliche Ertüchtigung des Volkes gefördert werde - habe eine über den Streitfall hinausgehende allgemeine Bedeutung. Der Verein stehe stellvertretend für die weiteren im Deutschen Verband für Freikörperkultur e. V. zusammengeschlossenen Freikörperkulturvereine der Bundesrepublik. Es gehe um das Begehren einer typischen Grundsatzentscheidung zur Vermeidung einer Vielzahl von Klagen der einzelnen Vereine bei gleicher Rechtslage. Die Rechtsfrage habe auch durch das Urteil des BFH I 122/62 U, a. a. O., noch keine endgültige Klärung gefunden; denn der BFH habe die Gemeinnützigkeit der Freikörperkulturvereine ausdrücklich nur für den damaligen Zeitpunkt nicht anerkannt. Inzwischen sei ein eminenter Wandel in der Anschauung auf sämtlichen Gebieten politischer, sozialer, sportlicher, struktureller oder kultureller Art eingetreten, der heute eine andere Beurteilung der Rechtsfrage durch den BFH erwarten lasse. Trotz einer bereits ergangenen höchstrichterlichen Entscheidung liege ein Fall grundsätzlicher Bedeutung vor, weil neue wesentliche, nicht abwegige Gesichtspunkte vorgetragen worden seien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist zulässig.
Nach § 232 Abs. 1 Nr. 2 AO a. F. konnte ein Steuerpflichtiger einen Steuerbescheid anfechten, wenn er sich dadurch beschwert fühlte, daß die Steuerpflicht bejaht worden war. Demgemäß konnte ein Verein, der die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG für sich in Anspruch nahm, einen die Steuerbefreiung verneinenden Steuerbescheid auch dann durch Rechtsbehelfe angreifen, wenn er durch die Höhe der festgesetzten Steuer nicht beschwert war, weil diese 0 DM betrug (BFH-Urteile I 181/55 U vom 29. Januar 1957, BFH 64, 404, BStBl III 1957, 151; I 122/62 U, a. a. O., und I R 168/66 vom 23. Juli 1969, BFH 96, 108). Die Fassung des § 40 Abs. 2 FGO weicht zwar von derjenigen des § 232 Abs. 1 AO a. F. ab. Insoweit sollte jedoch keine Änderung der Prozeßvoraussetzungen eintreten (vgl. v. Wallis-List bei Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Anm. 21 und 30; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 40 Rdnrn. 81 und 82; Kühn, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 40 FGO Anm. 3, § 231 AO Anm. 3). Das FG hat deshalb zutreffend die Klage für zulässig gehalten und auch die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die vom FG entschiedene Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung ist nicht schon anzunehmen, wenn die Sache in tatsächlicher Hinsicht eine über den Einzelfall, der der Beschwerde zugrunde liegt, hinausgehende Bedeutung hat (Beschluß des BFH V B 45/67 vom 18. Januar 1968, BFH 90, 369, BStBl II 1968, 98). Deshalb genügt es nicht, daß an der Entscheidung des Streitfalles alle anderen im Deutschen Verband für Freikörperkultur e. V. zusammengeschlossenen Freikörperkulturvereine interessiert sind.
Eine Sache ist nur dann von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage bereits Gegenstand der Entscheidung durch den BFH gewesen ist und von einer erneuten Entscheidung eine weitere Klärung nicht zu erwarten ist (vgl. z. B. Beschlüsse des BFH III B 58/67 vom 21. Juni 1968, BFH 93, 503, BStBl II 1969, 36, und VII B 170/67 vom 13. August 1968, BFH 93, 403, BStBl II 1969, 7). Demgemäß kann eine Sache grundsätzliche Bedeutung haben, wenn neue Gesichtspunkte geltend gemacht werden, die in der Rechtsprechung des BFH bisher nicht berücksichtigt worden sind (Beschluß des BFH VI B 24/66 vom 10. Februar 1967, BFH 88, 157, BStBl III 1967, 340).
Der BFH hat in seinem Urteil I 122/62 U, a. a. O., die Gemeinnützigkeit eines sporttreibenden Freikörperkulturvereins verneint. Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen neuen, in dem BFH-Urteil nicht berücksichtigten Umstände sind nicht geeignet, zu einer Fortentwicklung des Rechts unter Änderung der in dem genannten BFH-Urteil begründeten Rechtsanschauung zu führen.
Soweit es sich bei diesen Umständen um die Aufnahme des Beschwerdeführers als Sportverein in die Sportorganisationen, um die Zuwendung von Sportförderungsmitteln und die positive medizinische Beurteilung der sportlichen Tätigkeit handelt, betreffen diese Umstände die Förderung von Leibesübungen, Spiel und Sport durch den Beschwerdeführer. Daß mit der Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege und der körperlichen Ertüchtigung des Volks durch Leibesübungen (Turnen, Spiel und Sport), die nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 StAnpG ausdrücklich als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen ist, gemeinnützige Zwecke verfolgt werden, hat der BFH im Urteil I 122/62 U, a. a. O., aber auch nicht bestritten und hat auch das FG für den Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt. Deshalb sind diese neuen Umstände auf die Beurteilung der anstehenden steuerrechtlichen Rechtsfrage von keiner größeren Bedeutung als die unbestrittene sportliche Betätigung selbst es ist. Für die steuerrechtliche Befreiung genügt aber nicht, daß bei mehreren Vereinszwecken einer davon gemeinnützig ist; nach dem Grundsatz der Ausschließlichkeit müssen alle Vereinszwecke gemeinnützig sein (§ 17 Abs. 1 StAnpG).
Das Urteil des BFH I 122/62 U, a. a. O., wird von den folgenden Überlegungen getragen: Die Freikörperkulturvereine beschränken sich nicht auf die sportliche Betätigung schlechthin, sondern pflegen nach ihrer Zweckbestimmung darüber hinaus die Freikörperkultur als Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung. Deshalb hängt wegen des Grundsatzes der Ausschließlichkeit (§ 17 Abs. 1 StAnpG) die Gemeinnützigkeit der Vereine davon ab, ob auch die Förderung der Freikörperkultur als gemeinnütziger Zweck, d. h, als Tätigkeit, die dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet im Sinne des § 17 Abs. 2 StAnpG nützt, anzusehen ist. Das wurde verneint, weil damals hinsichtlich der Freikörperkultur bestimmte Bestrebungen von weiten Kreisen der Bevölkerung abgelehnt wurden und die Betätigung vom Staat zwar toleriert, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit zugelassen wurde. Das Urteil betraf die Verhältnisse im Jahre 1959.
Der Beschwerdeführer nennt als neuen, die erneute Überprüfung rechtfertigenden Umstand, die Anschauungen in der Bevölkerung hätten sich inzwischen erheblich zugunsten der Freikörperkultur verändert. Es ist aber nicht zu verkennen, daß immer noch weite Kreise der Bevölkerung sich ablehnend verhalten. Deshalb kann auch der Beschwerdeführer hinsichtlich der Freikörperkultur seinen Zweck nur unter bestimmten Voraussetzungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit verfolgen. Es besteht danach kein Anlaß, der vorliegenden Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beizumessen
Fundstellen
Haufe-Index 68721 |
BStBl II 1970, 133 |
BFHE 1970, 281 |