Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von Thermoschreibern
Leitsatz (NV)
,,Thermoschreiber" als Geräte zum Messen elektrischer Größen? (Vorlage an den EuGH)
Normenkette
KN Unterpos. 9030 8190
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) - Nr. . . . vom Mai 1990 -, in der ein ,,Thermoschreiber" bestimmten Typs (Gehäuse u. a. mit A/D-Wandler), der elektrische Eingangssignale umwandelt und als Kurve schreibt und zur Anzeige und Registrierung von Meßwerten dient, als (anderes) ,,Gerät zum Messen elektrischer Größen, mit Registriervorrichtung" der Unterposition 9030 8190 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zugewiesen wurde.
Gegen diese vZTA richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin ausführt, der Thermoschreiber mache empfangene Meßergebnisse sichtbar (Anzeige) und zeichne physikalische Meßgrößen in Form von Kurven auf Papier (Thermodruckverfahren), wobei die empfangenen elektrischen bzw. analogen Signale durch den Wandler umgesetzt würden. Der Thermoschreiber könne auch ohne Umwandler arbeiten; der Umwandlungsvorgang stelle lediglich einen unselbständigen Zwischenschritt in der Arbeitsweise des Geräts dar. Das Gerät übe keine Meßfunktion im zolltariflichen Sinne aus, sondern mache lediglich schon gemessene Größen sichtbar, die unterschiedlichster Art sein könnten, weil die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Meßgeräten möglich sei. Da das Gerät keine elektrischen Größen messe, sondern nur ein Element in der Meßkette darstelle (Anzeigeinstrument), könne es nicht wie geschehen tarifiert werden. Die britische Zollverwaltung habe entsprechende Geräte in zwei Zolltarifauskünften der Position 9033 - in Kapitel 90 anderweit weder genannte noch inbegriffene (Zubehör-)Teile für Geräte usw. dieses Kapitels - zugewiesen. Richtig sei aber wohl eine Einreihung in die Position 8479 (Maschinen usw. mit eigener Funktion, in Kapitel 84 anderweit weder genannt noch inbegriffen).
Die OFD erwidert, schon aufgrund des technischen Aufbaus des Thermoschreibers liege ein schreibendes Meßgerät vor. Das Gerät erhalte (von anderen Meßgeräten) elektrische Eingangssignale, die bestimmten Meßwerten der zu messenden nichtelektrischen Größen entsprächen. Die durch den Wandler erfolgende Meßwertanpassung stelle sich als - eigentlicher - Meßvorgang dar; Anpassung und Ausgabe des Meßwerts ergäben zusammen das Meßgerät. Ein ,,Teil" oder ,,Zubehör" (Position 9033) liege nicht vor, weil es sich bei dem Thermoschreiber um eine eigenständige Ware handele.
Entscheidungsgründe
Im Streitfall ist - nur - zu entscheiden, ob der tarifierte Thermoschreiber ein Gerät zum Messen elektrischer Größen (Position 9030) ist. Dabei ergeben sich Zweifel, die den Senat verpflichten, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu ersuchen (Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft).
Wie der Gerichtshof entschieden hat (Urteil vom 4. Dezember 1990 Rs C 218/89), sind Geräte zum Messen elektrischer Größen solche Geräte, deren eigentlicher Zweck derartige Messungen sind. Zum ,,Messen" im zolltariflichen Sinne dienen nach der Rechtsprechung des Senats Geräte, die das - direkte oder indirekte - Messen bestimmter Größen und das Anzeigen des Wertes dieser Größen zum Ziel haben (vgl. hinsichtlich des im allgemeinen direkt erfolgenden Messens auch Erläuterungen Harmonisiertes System zu Position 9030 Rz. 31.0). Unter ,,Messen" wird dabei das Feststellen des Meßwerts einer physikalischen Größe durch Vergleich mit einer bekannten Bezugsgröße verstanden.
Bei Anwendung dieses Maßstabs würde dem Thermoschreiber die neben seiner Anzeigefunktion erforderliche Meßfunktion fehlen. Die Umwandlung (Meßwertanpassung) elektrischer Eingangssignale, die für bestimmte Meßwerte nichtelektrischer Größen stehen, entspricht nicht der vorbezeichneten Begriffsbestimmung. Allein der Umstand, daß die Arbeitsweise eines Geräts auf einem meßtechnischen Verfahren beruht, macht das Erzeugnis noch nicht zu einem Meßgerät.
Für die Tarifauffassung der OFD könnten jedoch die Erläuterungen KN zu Position 9030 (Rz. 05.0) sprechen, nach denen bestimmte Oszillographen mit der Funktion der Aufzeichnung gewisser Erscheinungen als Meßsignale auf lichtempfindliches Papier zu Unterposition 9030 8190 KN gehören. Diese Geräte dienen zumindest hauptsächlich zum Messen oder Prüfen elektrischer Größen (Erläuterungen a. a. O., Rz. 01.0). Da der Thermoschreiber nach seiner Funktion eine gewisse Ähnlichkeit mit den vorbezeichneten Geräten aufweist und der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine eindeutige Bestimmung des Begriffs ,,Messen elektrischer Größen" zu entnehmen ist, bestehen Zweifel, ob die Auslegungsgrundsätze, die der Senat bislang angewendet hat, auch hier zugrundegelegt werden können.
Sollte die Position 9030 nicht einschlägig sein, so bedürfte es keiner weiteren Prüfung, wie der Thermoschreiber zolltariflich einzureihen ist (in die Position 9033, wie von der britischen Zollverwaltung angenommen, oder in eine andere Position des Zolltarifs). Die Klägerin hat lediglich die Aufhebung der angefochtenen vZTA beantragt, nicht auch die Verpflichtung der OFD, das Gerät einer anderen zolltariflichen Position zuzuweisen.
Im Hinblick hierauf hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
,,Ist der Gemeinsame Zolltarif - Kombinierte Nomenklatur 1990 - dahin auszulegen, daß ein Thermoschreiber, wie in den Gründen beschrieben, der bestimmten Meßwerten nichtelektrischer Größen entsprechende elektrische Eingangssignale aufnimmt, sie mittels A/D-Wandler umwandelt (Meßwertanpassung), sichtbar macht und auf Thermopapier schreibt, als (anderes) ,,Gerät zum Messen elektrischer Größen" der Unterposition 9030 8190 zuzuweisen ist?"
Fundstellen
Haufe-Index 418230 |
BFH/NV 1992, 638 |