Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung nach Hauptsacheerledigung in der Revision
Leitsatz (NV)
1. Nach Erledigung eines Rechtsstreits in der Hauptsache sind einem Beteiligten die Kosten insoweit aufzuerlegen, als er mit seiner Erledigungserklärung sein Prozeßziel aufgegeben hat.
2. Eine Hauptsacheerledigung im Rechtsmittelverfahren hat zur Folge, daß die Vorentscheidung einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung wirkungslos wird. Das Revisionsgericht hat deshalb nicht nur über die Kosten des Revisionsverfahrens, sondern auch über die Kosten des übrigen Verfahrens zu entscheiden.
Normenkette
FGO § 138
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 22. Juni 1978 von ihrer am . . . 1919 geborenen Mutter ein Zweifamilienhaus. Als Gegenleistung wurde eine Zahlung von . . . DM vereinbart, die der Bruder der Klägerin zur Abgeltung von Erb- und Pflichtteilsansprüchen erhielt. Die Klägerin bestellte außerdem ihrer Mutter ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem Grundstück. Sie verpflichtete sich darüber hinaus, ihre Mutter auf Lebenszeit zu pflegen. Hierfür wurde eine Reallast bestellt.
Die Mutter ist 1982 verstorben. Seit dieser Zeit wird das Zweifamilienhaus von der Klägerin und ihrer Familie genutzt.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1983 setzte die Klägerin erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für 1982 (nachgeholte Absetzungen) und 1983 an. Sie errechnete die Absetzungen nach einem Betrag von . . . DM (Kaufpreis plus kapitalisierter Wert des Nießbrauchs und der Reallast gemäß § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Sie war der Ansicht, in dieser Höhe Anschaffungskosten für das Grundstück gehabt zu haben. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dieser Rechtsauffassung nicht. Er ging von einem unentgeltlichen Erwerb der Klägerin aus und versagte die beantragten erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) meinte, die Klägerin habe Anschaffungskosten in Höhe von . . . DM für das Grundstück gehabt, von denen erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vorzunehmen seien. Die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen ermittelte das FG wie folgt:
sog. Gleichstellungsgeld ... DM
abzüglich 18 v. H. Bodenwertanteil = ... DM
kapitalisierter Wert der Pflegeversicherung ... DM
abzüglich 18 v. H. Boden wertanteil = ... DM
Summe ... DM
Mit seiner Revision wendete sich das FA nur gegen die Berücksichtigung des kapitalisierten Werts der Pflegeversicherung bei der Bemessung der Anschaffungskosten für das Grundstück.
Während des Revisionsverfahrens änderte das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1983 mit Zustimmung der Klägerin entsprechend.
Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit ist infolge der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt. Da diese Erklärungen erst im Revisionsverfahren abgegeben wurden, ist das angefochtene Urteil einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung gegenstandslos geworden (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juli 1985 VIII R 47/84, BFH/NV 1987, 184, m. w. N.). Der Senat hat nunmehr nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (BFH-Beschluß vom 26. September 1985 IX R 60/85, BFH/NV 1987, 317).
1. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Nach Erledigung eines Rechtsstreits in der Hauptsache sind einem Beteiligten die Kosten insoweit aufzuerlegen, als er mit seiner Erledigungserklärung zugleich sei Prozeßziel aufgegeben und sich damit freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat (BFH-Beschluß in BFH/NV 1987, 317).
So verhält es sich im Streitfall. Die Klägerin hat im Zuge der Erledigung des Rechtsstreits ihr ursprüngliches Klagebegehren - den kapitalisierten Wert der Pflegeverpflichtung als Anschaffungskosten zu behandeln - nicht mehr weiterverfolgt und sich dem Revisionsantrag des FA nicht mehr widersetzt. Der Klägerin waren deshalb nach billigem Ermessen die Kosten des Revisionsverfahrens gemäß § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuerlegen.
2. Die Kosten des übrigen Verfahrens haben die Klägerin zu 71 v. H. und der Beklagte zu 29 v. H. zu tragen.
Da eine Hauptsacheerledigung im Rechtsmittelverfahren zur Folge hat, daß auch die Vorentscheidung einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung wirkungslos wird, war nicht nur über die Kosten des Revisionsverfahrens, sondern auch über die Kosten des übrigen Verfahrens zu entscheiden (BFH-Beschluß in BFH/NV 1987, 184). Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten des vorangegangenen Verfahrens der Klägerin insoweit aufzuerlegen, als sie letztlich unter Berücksichtigung einer erfolgreichen Revision des FA im Ergebnis unterlegen ist. Das ist im Streitfall in einem Umfang von 71 v. H. des Klagebegehrens der Fall. Soweit dem Antrag der Klägerin durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben wurde, nämlich in einem Umfang von 29 v. H. des Klagebegehrens, sind dem FA die Kosten gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO aufzuerlegen. Hierbei war auch zu berücksichtigen, daß der Klägerin für das Streitjahr nach § 54 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1322, BStBl I 1991, 665) ein Kinderfreibetrag von . . . DM zustand.
Fundstellen
Haufe-Index 418500 |
BFH/NV 1992, 834 |