Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachliche Unbilligkeit i.S. von § 163 AO 1977
Leitsatz (NV)
Eine sachliche Unbilligkeit i.S. von § 163 AO 1977 liegt vor, wenn im Einzelfall ein ungewollt über die Wertungen des Gesetzgebers hinausgehender sog. Überhang des gesetzlichen Tatbestands über die mit Sinn und Zweck des Gesetzes zu vereinbarende Regelung feststellbar ist. Bei Subventionsnormen kommt eine solche Billigkeitsprüfung nur in sehr eingeschränktem Umfang in Betracht.
Normenkette
AO 1977 § 163; EStG § 11 Abs. 1, § 10e Abs. 5a, § 38a Abs. 1
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 21.04.2005; Aktenzeichen 5 K 1466/02) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. von § 115 Abs. 2 FGO.
a) Wird geltend gemacht, eine Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, dann ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ausführlich darzustellen, weshalb die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 31. ff., m.w.N.). Hierfür reicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Vielmehr muss der Beschwerdeführer substantiiert darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist. Betrifft die aufgeworfene Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, muss zudem dargestellt werden, dass die Frage sich noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin stellen könnte (Senatsbeschluss vom 18. Februar 2003 X B 58/02, BFH/NV 2003, 622).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. In dieser wird im Stil einer Revisionsbegründung vorgebracht, es bedürfe der grundsätzlichen Klärung, ob eine abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) bei Überschreiten des in § 10e Abs. 5 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) angesprochenen Gesamtbetrags der Einkünfte möglich ist, wenn das Überschreiten dieses Grenzbetrags auf einer vertragswidrig verspäteten Lohnzahlung des Arbeitgebers beruht. Die Kläger setzen sich nicht damit auseinander, dass eine sachliche Unbilligkeit i.S. von § 163 AO 1977 nach der BFH-Rechtsprechung nur vorliegt, wenn im Einzelfall ein ungewollt über die Wertungen des Gesetzgebers hinausgehender sog. Überhang des gesetzlichen Tatbestands über die mit Sinn und Zweck des Gesetzes zu vereinbarende Regelung feststellbar ist, welcher deshalb auf das vom Gesetzgeber gewollte Maß zurückzuführen ist (Klein/ Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 163 Rz. 33, m.w.N.). Bezogen auf die Anwendung des § 10e EStG hat der Senat mit Beschluss vom 26. November 2003 X B 124/02 (BFH/NV 2004, 754) ausgeführt, dass im Subventionsbereich --soweit die Anwendung des § 163 AO 1977 nicht schon gesetzlich ausgeschlossen ist-- jedenfalls nur eine sehr eingeschränkte Billigkeitsprüfung vorgenommen werden kann. Dies entspricht der Rechtsprechung des BFH, wonach die gesetzlichen Billigkeitsnormen der Verwaltung nicht die Befugnis geben, anstelle einer vom Gesetzgeber unterlassenen sozial- oder wirtschaftspolitischen Maßnahme gesetzlich geschuldete Steuern nicht zu erheben (BFH-Urteile vom 7. August 1974 II R 57/72, BFHE 113, 265, BStBl II 1975, 51, und vom 24. September 1987 V R 76/78, BFHE 151, 221, BStBl II 1988, 561, unter II. 2. c). Um eine solche Subventionsnorm handelt es sich auch bei § 10e EStG (BFH-Beschlüsse vom 16. Januar 1996 X B 138/95, BFH/NV 1996, 402, und vom 27. März 2001 X B 142/00, BFH/NV 2001, 1240); der Anwendungsbereich dieser Vorschrift darf von Verwaltung und Gerichten nicht unter Berufung auf § 163 AO 1977 über die vom Gesetzgeber gesetzten Grenzen hinaus ausgedehnt werden.
Hiervon ausgehend hätten sich die Kläger eingehend mit der Frage auseinander setzen müssen, ob angesichts der Tatsache, dass § 10e Abs. 5 a EStG keine Härtefallregelung enthält und auch ohne gleitende Übergangsregelung ausgestaltet wurde (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 1240), von dem Willen des Gesetzgebers auszugehen ist, dass der tatsächlich erzielte Gesamtbetrag der Einkünfte auch dann maßgeblich ist und dies nicht im Rahmen einer abweichenden Steuerfestsetzung korrigiert werden darf, wenn dieser Gesamtbetrag auf einer vom Steuerpflichtigen nicht gewollten Zusammenballung von Einkünften beruht. In diesem Zusammenhang hätten die Kläger auch darauf eingehen müssen, dass § 10e Abs. 5 a EStG an die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 EStG anknüpft. Dies hat zur Folge, dass im Rahmen von Überschusseinkünften erzielte Einnahmen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich im Zuflussjahr und nicht in dem Jahr zu berücksichtigen sind, zu dem sie wirtschaftlich gehören (vgl. auch § 11 Abs. 1 Satz 3, § 38a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG).
Soweit die Kläger ausführen, die vom Gesetzgeber im Rahmen von § 5 des Eigenheimzulagengesetzes getroffene abweichende Regelung belege, dass diesem die Problematik bei Schaffung des § 10e Abs. 5 a EStG nicht bewusst gewesen sei, stellen sie lediglich eine nicht näher belegte Rechtsbehauptung auf.
Die Kläger haben sich ferner nicht damit auseinander gesetzt, dass die Vorschrift des § 10 e EStG ausgelaufenes Recht betrifft. Sie hätten sich deshalb zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung auch damit befassen müssen, ob die Beantwortung der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgehend noch von allgemeinem Interesse ist.
b) Soweit die Kläger zum Ausdruck bringen, das Finanzgericht habe eine unzutreffende Entscheidung getroffen, genügt dies nicht den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrunds des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO (vgl. hierzu Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 68).
Fundstellen
Haufe-Index 1445671 |
BFH/NV 2005, 2160 |