Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerkrafttreten einer verbindlichen Zolltarifauskunft als Erledigungsgrund

 

Leitsatz (NV)

1. Wird in einem Verfahren wegen verbindlicher Zolltarifauskunft der Rechtsstreit mit der Begründung übereinstimmend für erledigt erklärt, die verbindliche Zolltarifauskunft sei außer Kraft getreten, so ist die Kostenentscheidung nach Absatz 1 und nicht nach Absatz 2 des § 138 FGO zu treffen; die Erledigung ist nicht durch Rücknahme oder Änderung eines Verwaltungsakts eingetreten.

2. Zu den Voraussetzungen der Zuweisung einer Ware zur Tarifstelle 61.02 B IIa GZT (Schürzen, Kittel und andere Arbeits- und Berufskleidung für Frauen)

 

Normenkette

FGO § 138; ZG § 23; GZT Tarifstelle 61.02 B II a 2; GZT Tarifstelle 61.02 B II e 4 cc

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten (Oberfinanzdirektion - OFD -) verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) für Waren, die sie als Kittel Art. 62 249, 65 020, 62 214 und 65 024 bezeichnete. Als Verwendungszweck gab die Klägerin ,,Bekleidung für Haus und Beruf" an. Die Waren bestehen nach Angaben der Klägerin aus Polyester (65 %) und Baumwolle (35 %).

Die OFD wies die Waren in den vZTA Nrn. 615/82, 616/82, 617/82 und 619/82 vom 10. und 14. September 1982 der Tarifst. 61.02 B II e 4 cc des Gemeinsamen Zolltarifs GZT) zu. In den Begründungen der vZTA führte die OFD u.a. aus, Arbeitskleidung liege nicht vor, da der Schnitt der Kleidungsstücke nicht erkennen lasse, daß sie ausschließlich oder im wesentlichen dazu bestimmt seien, bei einer hauswirtschaftlichen Tätigkeit getragen zu werden.

Ihre Einsprüche gegen die vZTA stützte die Klägerin auf eine gutachtliche Stellungnahme des Bekleidungstechnischen Instituts X und auf ein Gutachten des Forschungsinstituts Y, in denen die Auffassung vertreten wird, die Waren seien Kittel bzw. Kittel der Haus- und Berufskleidung. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. In den Gründen der Einspruchsentscheidung führt die OFD u.a. aus, auch der Zolltarifausschuß bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften sei inzwischen zu dem Ergebnis gelangt, es handle sich bei den Waren nicht um Arbeits- oder Berufskleidung (Kittel) i. S. der Tarifst. 61.02 B II a 1 GZT, da den Kleidungsstücken Merkmale fehlten, die erkennen ließen, daß sie ausschließlich oder im wesentlichen dazu bestimmt seien, bei der Ausübung einer hauswirtschaftlichen Tätigkeit getragen zu werden. Die von der Klägerin vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen inländischer Institute könnten bei der Tarifierung nicht berücksichtigt werden, da sie auf nationale Belange abstellten. Im vorliegenden Fall sei von den Tragegewohnheiten im gesamten Gebiet der Europäischen Gemeinschaft auszugehen.

Nachdem die Klägerin gegen die bezeichneten vZTA Klage mit dem Antrag erhoben hatte, die vZTA und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Waren der Tarifst. 61.02 B II a 2 GZT zuzuweisen, erklärte sie den Rechtsstreit wegen der genannten vZTA in der Hauptsache für erledigt mit der Begründung, daß die vZTA nach Mitteilung der OFD aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 3333/83 des Rates vom 14. November 1983 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 950/ 68 über den GZT (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 313/1 vom 14. November 1983) mit Ablauf des 31. Dezember 1983 außer Kraft getreten seien. Auch die OFD erklärte den Rechtsstreit mit dieser Begründung in der Hauptsache für erledigt.

 

Entscheidungsgründe

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist aufgrund des § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nach billigem Ermessen des erkennenden Senats zu treffen, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Eine Anwendung der Regelung in § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten zu entnehmen ist, daß der Rechtsstreit nicht durch Rücknahme oder Änderung der vZTA erledigt worden ist.

Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen. Wie der erkennende Senat in dem Urteil vom 30. Oktober 1984 VII K 18/84 . . . ausgeführt hat, können Waren der Tarifst. 61.02 B II a GZT (Schürzen, Kittel und andere Arbeits- und Berufskleidung für Frauen) nur zugewiesen werden, wenn deren Zugehörigkeit zu den in dieser Tarifstelle bezeichneten Erzeugnissen eindeutig erkennbar ist; Zweifel im Bereich der tatsächlichen Feststellungen, die gegen die Zugehörigkeit der Ware zu den in der Tarifstelle genannten Erzeugnissen sprechen, stehen danach einer Zuordnung der Ware zur Tarifst. 61.02 B II a GZT grundsätzlich entgegen. Der bisherige Sach- und Streitstand rechtfertigt zumindest nicht die Schlußfolgerung, daß die Zugehörigkeit der streitbefangenen Waren zu den in der Tarifst. 61.01 B II a GZT genannten Erzeugnissen eindeutig und zweifelsfrei erkennbar ist. Dagegen spricht vor allem, daß auch der Zolltarifausschuß bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften aufgrund einer Stellungnahme des Europäischen Verbandes der Bekleidungs-Industrie, wie dem bei den Akten befindlichen Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 27. April 1983 zu entnehmen ist, zu dem Ergebnis gelangt ist, die Waren seien der Tarifst. 61.02 B II e 4 cc GZT zuzuordnen. Dem Schreiben des BMF kann zwar nicht entnommen werden, daß die Entscheidung des Zolltarifausschusses sich auch auf den streitbefangenen Artikel 65 024 erstreckt. Für die vom erkennenden Senat zu treffende Ermessensentscheidung ist das aber ohne Bedeutung. Denn es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, diesen Artikel anders zu behandeln als die übrigen streitbefangenen Artikel.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413745

BFH/NV 1987, 132

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