Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwischenvermietung von Wohnungen
Leitsatz (NV)
Wenn keine erfolglosen eigenen konkreten Vermietungsbemühungen des Eigentümer-Vermieters bewiesen worden sind, die auf eine Vermietung an einen Endmieter gerichtet waren, scheidet die Sicherung des Mieteingangs als beachtlicher Grund für eine Zwischenvermietung von Wohnobjekten an einen gewerblichen Zwischenvermieter aus.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 12a, §§ 9, 15 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
1. Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) errichteten im Rahmen von verschiedenen Bauherrengemeinschaften bzw. Erwerbergemeinschaften neun Vermietungsobjekte. Eine in X errichtete Eigentumswohnung und ein in Z hergestelltes Einfamilienhaus vermieteten sie - wie bereits im Prospekt für die Beteiligung an dem jeweiligen Bauherrenmodell vorgesehen - an die S-GmbH, einen gewerblich tätigen Zwischenvermieter. Die S-GmbH mietete die mit Aufwendungen von . . . DM errichtete Eigentumswohnung in X im Jahr 1982 für eine monatliche Miete (netto von 1360 DM) an und vermietete sie für monatlich 1355 DM an den Endmieter. Das in Z für . . . DM hergestellte Einfamilienhaus vermieteten die Antragsteller der S-GmbH im Jahr 1983 für eine Monatsmiete von 2126 DM (netto). Die S-GmbH vermietete es für monatlich 2250 DM an Endmieter. Die Antragsteller verzichteten auf die Steuerbefreiung für die Mietumsätze an die S-GmbH (§ 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1980) sowie auf die Nichterhebung von Umsatzsteuer (§ 19 Abs. 1 UStG 1980) und setzten aus Rechnungen über Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung der vermieteten Objekte berechnete Umsatzsteuer in den Umsatzsteueranmeldungen für 1983 bis 1985 ab. Die Umsatzsteuer wurde unter dem Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß festgesetzt. In den Umsatzsteueränderungsbescheiden (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) vom 24. Juli 1989 für 1983 und für 1984 sowie vom 13. Juli 1989 für 1985 beurteilte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) die Vermietung der bezeichneten Vermietungsobjekte an die S-GmbH als steuerfreie Umsätze und versagte den Abzug der abgesetzten Vorsteuerbeträge (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980). Das FA würdigte die Zwischenvermietung als Mißbrauch von Gestaltungen des Rechts (§ 42 AO 1977), nachdem die S-GmbH im März 1986 die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt und eine Steuerfahndungsprüfung ergeben hatte, daß ihre Zahlungsfähigkeit u. a. nur durch Stützungszahlungen der Initiatoren der Bauherrengemeinschaften aufrechterhalten worden war.
Die Einsprüche der Antragsteller gegen die bezeichneten Umsatzsteueränderungsbescheide wies das FA durch die Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 1991 zurück. Über die dagegen erhobene Klage ist noch nicht entschieden worden.
Dem von den Antragstellern nach Ablehnung durch das FA beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide 1983 bis 1985 gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gab das FG durch den angefochtenen Beschluß - überwiegend - statt.
Mit der Beschwerde rügt das FA fehlerhafte Anwendung von § 42 AO 1977 und Abweichung der Entscheidung des FG von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Zwischenvermietung.
Die Antragsteller sind der Beschwerde entgegengetreten. Sie haben u. a. ausgeführt, die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung widerspreche der Beurteilung der Zwischenvermietung durch die Finanzverwaltung. Die Vermietung der beiden Objekte an die S-GmbH sei wirtschaftlich gerechtfertigt, weil diese das Vermietungs- und Mietminderungsrisiko übernommen habe. Diese Art der Vermietung habe eine berechenbare Rendite ermöglicht, der Altersvorsorge gedient und den Kündigungsschutz des Endmieters ausgehebelt. Unter diesen Umständen könne kein Gestaltungsmißbrauch gegeben sein.
Entscheidungsgründe
2. Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung der Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide vom 24. Juli 1989 für 1983 und 1984 und vom 13. Juli 1989 für 1985.
Entgegen der Auffassung des FG bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. von § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 FGO daran, daß die Antragsteller die anläßlich der Errichtung ihrer Eigentumswohnung angefallenen Umsatzsteuerbeträge nicht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 als Vorsteuerbeträge abziehen können. Ihrem Begehren steht entgegen, daß die für den Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung der Wohnung durch eine den Vorsteuerabzug ausschließende steuerfreie Vermietung erfolgt ist (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980). Die im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung erforderliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Rechts- und Tatfragen ergibt keine ernstlichen Zweifel, daß die Einschaltung der S-GmbH als Zwischenvermieter rechtsmißbräuchlich (§ 42 Satz 1 AO 1977) war, so daß für die erstmalige Verwendung der Wohnung (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980) die Nutzung durch den jeweiligen Endmieter zu beurteilen ist.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 22. Juni 1989 V R 34/87, BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007) ist der Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i. S. von § 42 Satz 1 AO 1977 erfüllt, wenn für die Einschaltung eines Zwischenvermieters, d. h. einer Person, die das Mietverhältnis nur eingeht, um die gemietete Wohnung an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388). Das UStG geht bei der Besteuerung von Wohnraum davon aus, daß der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung dadurch gestaltet wird, daß die Wohnung demjenigen vermietet wird, der sie bewohnen will (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756).
Dies geschieht durch die Vermietung der Wohnung zu Wohnzwecken. Dabei vermietet der Wohnungsinhaber die Wohnung selbst oder mit Hilfe eines Vertreters (Hausverwalter) an den Wohnungs(end)mieter. Die Vermietungsleistung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG), schließt aber den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Rechtliche Gestaltungen, die diese Rechtsfolgen vermeiden, sind an der Wertung des Gesetzgebers zu messen, wenn sie der steuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden sollen. Maßgebend für die Anerkennung einer abweichenden Gestaltung können nur Gründe des (den Vorsteuerabzug begehrenden) leistenden Unternehmers (Eigentümer-Vermieter) im Zeitpunkt der Eingehung des Zwischenmietverhältnisses sein, die Wohnungsvermietung abweichend von der gesetzlichen Wertung durchzuführen. Der bisherigen Rechtsprechung des Senats, von der abzugehen kein Anlaß besteht, ist zu entnehmen, daß es nicht ausreicht, die Wohnung an einen gewerblichen Zwischenvermieter zu vermieten, sofern nicht bewiesen worden ist, daß die Wohnung nicht zumutbar - sei es auch unter Mithilfe eines Hausverwalters - an den (jeweiligen) Wohnungs(end)mieter vermietbar war (vgl. dazu den Beschluß des Senats vom 11. November 1991 V B 54, 55/91, Umsatzsteuer-Rundschau 1992, 79).
b) Ob der Eigentümer-Vermieter verständliche Gründe für eine von der gesetzlichen Wertung abweichende für ihn günstige Gestaltung des Mietverhältnisses durch Zwischenvermietung hatte, ist zunächst vom FA (§§ 85, 88, 89 AO 1977) unter Heranziehung des Steuerpflichtigen (§ 90 AO 1977) aufzuklären. Der Steuerpflichtige hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 90 AO 1977) Tatsachen substantiiert darzulegen, die ihn zu einer abweichenden Vereinbarung der Rechtsverhältnisse gegenüber der vom Gesetzgeber vorausgesetzten üblichen Gestaltung der Wohnungsvermietung veranlaßt haben. Er muß bei Zweifeln über die Richtigkeit seines Tatsachenvortrags auch Beweismittel dafür angeben (vgl. zur Darlegung von Mietausfallbefürchtungen BFH-Beschlüsse vom 11. Februar 1991 V B 175/89, BFH/NV 1991, 710; vom 20. März 1990 V B 111/89, BFH/NV 1991, 63). Ergibt die Überprüfung dieser Tatsachen, daß die von dem Steuerpflichtigen angegebenen Gründe nicht vorgelegen haben, kann aufgrund des ohne diese Tatsachen verwirklichten Sachverhalts entschieden werden. Ergibt sich, daß sich Zweifel nicht beseitigen lassen, ob sich die dargelegten Tatsachen ereignet haben, ist nach den Grundsätzen über die Feststellungslast zu entscheiden (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1987 V B 61/87, BFHE 151, 251, BStBl II 1988, 45). Aufgrund des dann als erwiesen festgestellten Sachverhalts ist zu beurteilen, welche tatsächlichen Umstände den Steuerpflichtigen bewogen haben, die Wohnungsvermietung abweichend durch Zwischenvermietung zu gestalten. Die anschließende rechtliche Beurteilung des auf diese Weise aufgeklärten Sachverhalts entscheidet darüber, ob nach den ermittelten Umständen eine Abweichung von der dem Gesetzesplan zugrundeliegenden üblichen Gestaltung zu beachten ist (vgl. dazu auch Fischer in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 42 AO 1977 Rdnr. 119) oder ob eine Umgehung vorliegt (§ 42 Satz 1 AO 1977). Eine Zwischenvermietung der Wohnung, die nicht durch beachtliche (bewiesene) Gründe gerechtfertigt ist, umgeht die gesetzliche Regelung (§ 42 Satz 1 AO 1977) und ist der Besteuerung nicht zugrunde zu legen (§ 42 Satz 2 AO 1977).
c) In den dem Senat bisher bekannten Zwischenvermietungsfällen sind die maßgebenden Gründe entweder widerlegt (z. B. Arbeitsersparnis, insbesondere bei Vermietung nur einer Wohnung), nicht bewiesen (z. B. Erstvermietungsrisiken, wenn keine erfolglosen Vermietungsbemühungen nachgewiesen worden sind) oder die festgestellten Gründe für eine abweichende Gestaltung erweisen sich nicht als so gewichtig, daß eine Abweichung von der üblichen Gestaltung verständlich wird.
Dies gilt auch für den Streitfall, in dem für die Zwischenvermietung einer Wohnung die Sicherung des Mieteingangs über einen längeren Zeitraum geltend gemacht wird, aber keine erfolglosen eigenen konkreten Vermietungsbemühungen bewiesen worden sind, die auf eine Vermietung an einen Endmieter gerichtet waren (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 29. Juni 1990 V B 135/89, BFH/NV 1991, 278; vgl. im übrigen Beschlüsse des Senats vom 29. Juni 1990 V B 158/89, BFH/NV 1991, 492; vom 6. November 1990 V B 98/90, BFH/NV 1991, 492). Es trifft in der behaupteten Allgemeinheit nicht zu, daß mit der Zwischenvermietung eine größere Sicherheit gegen Mietausfälle als bei einer unmittelbaren Vermietung an einen Endmieter erreichbar ist.
Die Höhe der vom Zwischenmieter geschuldeten Miete (die sich daraus ergebende Rendite sowie Folgen für die Altersversorgung) ist für die Angemessenheit einer von der gesetzlichen Wertung abweichenden Gestaltung der Vermietung von Wohnraum ohne rechtliche Bedeutung (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Juni 1990 V B 135/89, BFH/NV 1991, 278). Das FA weist zu Recht darauf hin, daß die Miethöhe für den Entschluß des Eigentümers, seine Wohnung an den Zwischenvermieter zu vermieten, unerheblich gewesen ist, wenn er sie nicht gegen marktübliches Entgelt überläßt. Erzielt der Eigentümer durch Zwischenvermietung eine höhere Miete als der Zwischenvermieter am Markt erzielen kann, geht er gerade die Risiken bei dieser Gestaltung der Vermietung ein, die er vorgibt, vermeiden zu wollen.
Worin die Arbeitsvereinfachung durch Zwischenvermietung gegenüber der Vermietung mit Hilfe eines Hausverwalters bei einer der gesetzlichen Wertung der Wohnungsvermietung angemessenen Gestaltung besteht, haben die Antragsteller nicht dargelegt. Die Verkürzung des Mieterschutzes gegenüber dem Endmieter rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Gestaltung (vgl. dazu u. a. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1991 1 BvR 538/90, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1991, 2272; Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 20. März 1991 VIII AZR 6/90, NJW 1991, 1815).
Der schließlich erwähnte Zusammenhang zwischen der Rechtsprechung des Senats zur Zwischenvermietung und der Mißachtung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) besteht schon deshalb nicht, weil mit der Besteuerung der Zwischenvermietung nach der den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung weder ein Vorwurf von Steuerhinterziehung noch die Unterstellung verbunden ist, der Steuerpflichtige sei ein Gesetzesbrecher.
Fundstellen