Entscheidungsstichwort (Thema)
Höchstbetrag eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes; PKH
Leitsatz (NV)
Bei der Ermittlung der für den Kindergeldanspruch maßgebenden eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes können vorweggenommene Werbungskosten zur Erlangung eines Arbeitsverhältnisses als negative Einkünfte berücksichtigt werden.
Normenkette
ZPO § 114; FGO § 142 Abs. 1; EStG § 32 Abs. 4 S. 2
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) erhielt Kindergeld für ihren 1974 geborenen Sohn A. Dieser hat 1994 das Abitur abgelegt und sucht seitdem eine Ausbildungsstelle. Seit Januar 1998 erhält der Sohn Sozialhilfe in Höhe von monatlich 1 076,93 DM. Die Familienkasse hob mit Wirkung ab 1. Januar 1998 gegenüber der Antragstellerin den Kindergeldbescheid für den Sohn A auf, weil dessen Sozialhilfebezüge den Höchstbetrag von 12 360 DM gemäß §32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) übersteigen.
Hiergegen hat die Antragstellerin nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben, die bei dem Finanzgericht (FG) noch anhängig ist. Mit der Klage macht die Antragstellerin geltend, daß die Bezüge um vorweggenommene Werbungskosten des Sohnes für Bewerbungsschreiben und -fahrten in Höhe von monatlich 105 DM zu kürzen seien, so daß der Höchstbetrag nicht überschritten werde.
Für die Durchführung des Klageverfahrens beantragte die Antragstellerin Prozeßkostenhilfe (PKH). Das FG lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil der Bezug aus der Sozialhilfe nicht um vorweggenommene Werbungskosten gekürzt werden dürfe. Der Sohn erhalte keine Einkünfte, auf die sich Werbungskosten auswirken könnten. Im übrigen seien die geltend gemachten Ausgaben nicht belegt.
Mit der gegen die Ablehnung der PKH erhobenen Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, das FG habe ihren Antrag ausschließlich deshalb abgelehnt, weil Unterlagen zum Nachweis der laufenden Ausgaben für Bewerbungen nicht vorgelegt worden seien. Hierauf hätte das FG nach dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs hinweisen müssen, nachdem nur eine Zusammenstellung der Fahrtaufwendungen eingereicht worden sei. Die Antragstellerin hat Bewerbungsunterlagen ihres Sohnes aus den Jahren 1997 und 1998 vorgelegt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ihr PKH zu gewähren.
Der Beklagte tritt der Beschwerde entgegen. Er weist darauf hin, daß das Sozialamt inzwischen einen Erstattungsanspruch nach §104 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. §140 des Bundessozialhilfegesetzes gegenüber der Familienkasse dem Grunde nach geltend gemacht habe.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß §142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht oder nur zum Teil aufbringen kann PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
1. Ein Anspruch auf Kindergeld für ein über 18 Jahre altes Kind besteht grundsätzlich nur dann, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge von nicht mehr als 12 360 DM im Kalenderjahr hat (§32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Das FG hat die Ablehnung der PKH in erster Linie darauf gestützt, daß bei der Prüfung der Höchstgrenze die Bezüge des Sohnes aus Sozialhilfe nicht um (vorweggenommene) Werbungskosten gekürzt werden könnten. Diese Erwägung ist zwar für sich allein gesehen zutreffend. Sie läßt jedoch außer Betracht, daß nach §32 Abs. 4 Satz 2 EStG neben den Bezügen auch die Einkünfte des Kindes anzusetzen sind. Hierbei können sich vorweggenommene Werbungskosten zur Erlangung eines Arbeitsverhältnisses im Ergebnis als negative Einkünfte auswirken und damit zur Unterschreitung der Einkünfte/Bezüge-Grenze führen.
Das FG hat die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu Unrecht verneint. Da die im Beschwerdeverfahren teilweise belegten Bewerbungskosten des Sohnes der Antragstellerin als negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind, wird, jedenfalls bei Berücksichtigung der Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe, die Höchstgrenze gemäß §32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht überschritten. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß die Klage Erfolg haben wird, sofern im Klageverfahren eine entsprechende Höhe der Aufwendungen festgestellt wird. Ist aber bei summarischer Prüfung (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §142 Anm. 7) der Ausgang des Klageverfahrens offen, sind die Erfolgsaussichten der Klage als hinreichend i. S. des §114 ZPO anzusehen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 15. September 1992 VII B 62/92, BFH/NV 1994, 149; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §142 FGO Tz. 10).
2. Wegen des geringen monatlichen Einkommens der Antragstellerin wird die PKH ohne Ratenzahlung nach §§115 Abs. 1, 120 ZPO bewilligt. Da das einzusetzende Einkommen nach der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der beigefügten Anlage zum Sozialhilfebescheid unter 30 DM liegt, besteht nach der Tabelle zu §115 Abs. 1 ZPO keine Verpflichtung zur Ratenzahlung. Einzusetzendes Vermögen (§115 Abs. 2 ZPO) ist offensichtlich nicht vorhanden. Der Senat hält es für angebracht, der Antragstellerin auf ihren Antrag hin ihre bisherigen Prozeßbevollmächtigten beizuordnen (§142 Abs. 1 FGO i. V. m. §122 Abs. 2 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 171069 |
BFH/NV 1999, 921 |
DStRE 1999, 430 |