Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung der Lohnsteueranrufungsauskunft im Veranlagungsverfahren; Fortbildung des Rechts; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
Leitsatz (NV)
1. Die Rechtsfrage, ob eine dem Arbeitgeber vom Finanzamt erteilte Anrufungsauskunft das Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung des hiervon betroffenen Arbeitnehmers bindet, ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt.
2. Von der Rechtsprechung des BFH abweichende rechtliche Beurteilungen zeigen keine neuen, bisher noch nicht erörterten Gesichtspunkte und Argumente auf, die eine erneute Entscheidung des BFH erforderlich machen würden.
3. Das Finanzamt ist durch die Auskunft bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers nicht gebunden.
4. Das Finanzamt ist nicht gehindert, im Lohnsteuerverfahren oder im Veranlagungsverfahren gegenüber dem Arbeitnehmer einen anderen, ungünstigeren Rechtsstandpunkt zu vertreten als im Auskunftsverfahren gegenüber dem Arbeitgeber.
Normenkette
EStG § 42e; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert. Davon ist auszugehen, wenn im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Juli 2005 I B 252/04, BFH/NV 2006, 67). Hierzu besteht regelmäßig Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung gewichtige Argumente vorgebracht werden, die der BFH bisher noch nicht erwogen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 2004 VI B 188/03, juris, m.w.N.; vom 27. Februar 2007 X B 20/06, juris; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 41, m.w.N.).
a) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine dem Arbeitgeber vom Finanzamt erteilte Anrufungsauskunft das Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung des hiervon betroffenen Arbeitnehmers bindet, ist durch die Rechtsprechung des BFH in dem Sinne, wie vom Finanzgericht (FG) entschieden, geklärt. Danach ist das Finanzamt durch die Auskunft bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers nicht gebunden (vgl. BFH-Urteile vom 28. August 1991 I R 3/89, BFHE 165, 404, BStBl II 1992, 107; vom 9. Oktober 1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166; vom 16. Dezember 1996 VI R 51/96, BFHE 182, 161, BStBl II 1997, 222). Insoweit gibt der Streitfall keine weitere Veranlassung, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung des § 42e des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufzustellen.
Durch die Senatsrechtsprechung steht fest, dass sich die Wirkung und Reichweite einer Auskunft i.S. des § 42e EStG, die keine weitergehenden Zusagen enthält, grundsätzlich nach dieser Vorschrift und nicht nach den Grundsätzen der verbindlichen Zusage richten (BFH-Urteil in BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166). Schon das Senatsurteil vom 13. November 1959 VI 124/59 U (BFHE 70, 290, BStBl III 1960, 108) entschied zum Geltungsgrund der Bindungswirkung einer Lohnsteuer-Anrufungsauskunft sowie zu deren Reichweite. Danach macht das Lohnsteuer-Abzugsverfahren den Arbeitgeber zum Steuererheber, der für zu wenig einbehaltener Lohnsteuer in Anspruch genommen werden kann und das mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Vornahme des Steuerabzugs verbundene finanzielle Risiko strukturbedingt dem Arbeitgeber nur zuzumuten ist, wenn das Finanzamt in Zweifelsfällen eine verbindliche Auskunft über die Handhabung des Lohnsteuerrechts geben muss. Deshalb verstieße es gegen Recht und Billigkeit, einen Arbeitgeber, der entsprechend der Auskunft verfahren ist, wegen unrichtiger Steuereinbehaltung in Anspruch zu nehmen. Zugleich erschöpft sich darin aber auch die Rechtswirkung einer Auskunft des Finanzamts. Denn sie entscheidet nicht über den Einkommensteueranspruch, setzt die Steuer nicht fest und verpflichtet den Arbeitgeber nicht, die Lohnsteuer dementsprechend zu berechnen. Das Finanzamt ist auch nicht gehindert, im Lohnsteuerverfahren oder im Veranlagungsverfahren dem Arbeitnehmer gegenüber einen anderen, ungünstigeren Rechtsstandpunkt zu vertreten als im Auskunftsverfahren gegenüber dem Arbeitgeber.
b) Diese höchstrichterliche Rechtsprechung wird von der überwiegenden Auffassung in der Literatur geteilt (vgl. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42e Rz B 13; Eisgruber in Kirchhof, 7. Aufl., § 42 EStG Rz 6; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 42e Rz 10; Gersch in Herrmann/Heuer/Raupach, § 42e EStG Rz 36; Schmieszek in Nissen/Brandt, EStG, § 42e Rz 23). Soweit andere Auffassungen vertreten werden (vgl. Blümich/ Heuermann, § 42e EStG Rz 31) gründen diese zwar auf abweichenden rechtlichen Beurteilungen, zeigen aber keine neuen, bisher noch nicht erörterten Gesichtspunkte und Argumente auf, die eine erneute Entscheidung des BFH erforderlich machen würden.
2. Im Streitfall ist die Revision auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund setzt eine Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils von der Rechtsprechung des BFH oder anderer Gerichte voraus. Insoweit fehlt es für eine schlüssige Divergenzrüge schon an der notwendigen Herausarbeitung und Gegenüberstellung von abstrakten, tragenden Rechtssätzen des angefochtenen Urteils und der vermeintlichen Divergenzentscheidung. Denn wenn der Kläger auf die Entscheidung des BFH vom 16. Dezember 1998 (II R 50/96, BFH/NV 1999, 900) verweist, betrifft diese Entscheidung ersichtlich nicht den Fall einer Lohnsteuer-Anrufungsauskunft. Diese in Bezug genommene Entscheidung führte aus, dass nach den durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen das FA dann nach Treu und Glauben gebunden sein könne, wenn es einem Steuerpflichtigen zugesichert habe, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheine und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam sei, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinne zu beurteilen. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit das angefochtene Urteil des FG und das Urteil des BFH in BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166 dazu divergieren.
Entsprechendes gilt für die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des X. Senats (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975). Auch insoweit ist nichts dafür dargetan, dass vergleichbare Sachverhalte und identische Rechtsfragen betroffen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 1776158 |
BFH/NV 2007, 1658 |
DStRE 2007, 1098 |