Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel; Recht auf Gehör; Aussetzung des Verfahrens
Leitsatz (NV)
1. Rechtliches Gehör wird den Beteiligten u.a. dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zum Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Wer davon keinen Gebrauch macht, kann keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen.
2. Das Ruhen des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 251 ZPO setzt übereinstimmende Anträge der Beteiligten voraus.
3. Das Unterlassen der Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO kann einen Verfahrensmangel darstellen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 62 Abs. 6 S. 5, §§ 74, 96 Abs. 2; ZPO § 251
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 29.02.2012; Aktenzeichen 1 K 1628/10) |
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Das Finanzgericht (FG) hat den Anspruch des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht verletzt.
Rz. 3
Rechtliches Gehör wird den Beteiligten u.a. dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zum Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Wer davon keinen Gebrauch macht, kann keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen. Die Beteiligten trifft eine prozessuale Mitverantwortung, die ihren Anspruch auf rechtliches Gehör begrenzt. Im Streitfall nutzte der Kläger die sich ihm bietende Gelegenheit, sich rechtliches Gehör im Rahmen der eigens von ihm beantragten mündlichen Verhandlung zu verschaffen, nicht. Der Kläger war auch nicht gehindert, persönlich an der mündlichen Verhandlung am 29. Februar 2012 teilzunehmen; denn es war allein Aufgabe der Prozessbevollmächtigten des Klägers, denen die Ladung mit Wirkung für und gegen den Kläger ordnungsgemäß zugestellt worden war (vgl. § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO), diesen über den Verhandlungstermin zu informieren (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 18. Dezember 2009 III B 118/08, BFH/NV 2010, 665, m.w.N.).
Rz. 4
2. Soweit der Kläger die "fehlende Anordnung des Ruhens des Verfahrens" durch das FG rügt, geht aus der Beschwerdeschrift schon nicht hinreichend deutlich hervor, welchen Revisionszulassungsgrund er damit geltend macht. Denn für das im erstinstanzlichen Verfahren vom Kläger beantragte Ruhen des Verfahrens (§ 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung) fehlte es schon an übereinstimmenden Anträgen des Klägers und des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) und damit an den insoweit einschlägigen gesetzlichen Voraussetzungen. Das FA hatte das Ruhen des Verfahrens nicht beantragt, sondern lediglich erklärt, es würde sich einem Ruhen nicht widersetzen, wenn das FG ein solches für "sachdienlich" erachte; Letzteres hat das FG aber nicht getan.
Rz. 5
Wäre der seinerzeitige Antrag des Klägers indes als ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens i.S. des § 74 FGO zu verstehen und der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel mithin als solcher der unterlassenen Aussetzung des Verfahrens auszulegen, liegt der gerügte Mangel nicht vor. Denn im Streitfall waren für das FG keine beachtlichen Gründe gegeben, die eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO hätten rechtfertigen können. Das FG hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, das Klageverfahren betreffend Einkommensteuer 2007 sei für das die Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1999 bis 2003 betreffende Klageverfahren nicht vorgreiflich, weil beide Verfahren nicht derart miteinander verknüpft seien, dass eine einheitliche Entscheidung ergehen müsse; diese Auffassung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
Rz. 6
3. Soweit der Kläger das "Unterlassen einer Ermessensentscheidung" rügt, wird kein Revisionszulassungsgrund in der gebotenen Form geltend gemacht.
Fundstellen
Haufe-Index 3244183 |
BFH/NV 2012, 1619 |
BFH-ONLINE 2012 |