Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts
Leitsatz (NV)
1. Die Antragsteller haben die für die Einhaltung der Notfrist nach § 586 Abs. 1 ZPO erforderlichen Tatsachen vorzutragen und ggf. glaubhaft zu machen.
2. Die schlüssige Behauptung eines nach § 579 Abs. 1 ZPO erheblichen Wiederaufnahmegrundes gehört zur Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage und erfordert den Vortrag konkreter Tatsachen, die einen entsprechenden Schluß erlauben.
Normenkette
GG Art.101 Abs. 1 S. 2; GVG § 21g Abs. 2; FGO §§ 53, 134; ZPO § 578 Abs. 1, § 579 Abs. 1 Nr. 1, § 586 Abs. 1, § 589 Abs. 1; AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hatte die Klage der Antragsteller gegen den Antragsgegner (Finanzamt - FA -) wegen der nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigten Versteuerung des Erlöses aus der Veräußerung von Grundbesitz im Rahmen der Liquidation der Rechtsvorgängerin, der P-GmbH & Co. KG als unbegründet abgewiesen.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision von den Antragstellern eingelegte Beschwerde hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluß vom 3. Oktober 1989 gemäß Art.1 Nr.6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) ohne weitere Begründung als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluß ist den Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller durch eingeschriebenen Brief vom 24. Oktober 1989 zugestellt worden. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entschei- dung angenommen.
Mit Schriftsatz vom 31. Januar 1992 äußerten die Antragsteller Bedenken, ob die reduzierte Richterbank, welche über die Nichtzulassungsbeschwerde entschieden hatte, vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei, weil der senatsinterne Geschäftsverteilungsplan nicht den Erfordernissen des Art.101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) und des § 21g Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) entsprochen habe. Um die Gebotenheit eines Nichtigkeitsantrages zu prüfen, baten sie um die Übersendung des Senats-Geschäftsverteilungsplans für 1989 sowie um die Erteilung weiterer Auskünfte. Der Präsidial-Richter beim BFH übersandte mit am gleichen Tage mit einfachem Brief aufgegebenem Schreiben vom 25. Februar 1992 den Prozeßbevollmächtigten den Senats-Geschäftsverteilungsplan für 1989 und beantwortete die übermittelten Fragen.
Mit Schriftsatz vom 27. März 1992 - durch Telefax am selben Tage eingegangen - haben die Antragsteller einen Nichtigkeitsantrag gegen den Beschluß des BFH vom 3. Oktober 1989 mit der Begründung eingereicht, der entscheidende Beschluß-Senat sei bei der ,,Fassung des Beschlusses am 13. März 1989 unvorschriftsmäßig besetzt" gewesen. Der Beschluß sei daher nichtig. Für die weitere Begründung dieses Antrages erbaten die Antragsteller eine Frist bis zum 30. April 1992, welche den Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben der Geschäftsstelle des VIII.Senats vom 7. April 1992 eingeräumt worden ist.
Entscheidungsgründe
Der Nichtigkeitsantrag ist unzulässig.
1. Auch ein durch Beschluß rechtskräftig beendetes Verfahren kann wieder aufgenommen werden (Beschluß des BFH vom 13. Februar 1986 III K 1/85, BFHE 145, 500, BStBl II 1986, 415). Anstelle einer Nichtigkeitsklage ist - wie geschehen - ein Antrag auf Wiederaufnahme zu stellen (Beschluß des BFH vom 18. März 1988 V K 1/88, BFHE 152, 426, BStBl II 1988, 586).
2. Der Senat läßt offen, ob der Antrag innerhalb der Monatsfrist nach § 586 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellt worden ist.
Die Monatsfrist beginnt mit dem Tage, an welchem die Partei bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter (vgl. Zöller/Schneider, Zivilprozeßordnung, 17. Aufl., § 586 Rz.8) sicher Kenntnis von allen Tatsachen erlangt hat, die zur Erhebung einer Wiederaufnahmeklage
berechtigen (Urteil des BFH vom 7. August 1969 V K 2/68, BFHE 96, 385, BStBl II 1969, 660). Die Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller haben den Geschäftsverteilungsplan des VIII.Senats für das Jahr 1989 frühestens am Mittwoch, dem 26. Februar 1992, erhalten. Wann das Schreiben der Geschäftsstelle des VIII.Senats vom 25. Februar 1992 den Prozeßbevollmächtigten genau zugegangen ist, haben diese weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht (vgl. § 589 Abs. 2 ZPO). Die Drei-Tage-Fiktion gemäß § 122 Abs. 2 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch einfachen Brief gilt nicht für formlose Mitteilungen im finanzgerichtlichen Verfahren (vgl. auch § 53 FGO).
Das Revisionsgericht hat zwar von Amts wegen gemäß § 589 Abs. 1 ZPO zu prüfen, ob der Antrag an sich statthaft und ob er in der gesetzlichen Form und Frist erhoben worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1967 V K 2/67, BFHE 90, 459, BStBl II 1968, 180), es hat jedoch insoweit nicht von Amts wegen zu ermitteln (vgl. Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 134 FGO Anm.51; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 1959 IV ZR 206/59, BGHZ 31, 351, 355).
3. Selbst wenn der Nichtigkeitsantrag fristgerecht gestellt worden wäre, ist er jedenfalls deshalb unzulässig, weil der behauptete Wiederaufnahmegrund nicht hinreichend dargetan worden ist (§§ 578 Abs. 1, 579 Abs. 1 Nr.1, 589 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 134 FGO).
a) Unstreitig gehört die schlüssige Behauptung eines nach § 579 ZPO erheblichen Wiederaufnahmegrundes zur Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage (Beschluß des BFH vom 11.April 1990 I K 1/90, BFH/NV 1990, 790).
b) Die Antragsteller haben indessen, ohne insoweit konkrete Tatsachen vorzutragen, die einen entsprechenden Schluß erlaubten, lediglich behauptet, der entscheidende Beschluß-Senat sei bei der Fassung des Beschlusses am 13. März 1989 (gemeint ist offenbar der 3. Oktober 1989) unvorschriftsmäßig besetzt gewesen.
Von der bis zum 30. April 1992 antragsgemäß verlängerten Begründungsfrist haben die Prozeßbevollmächtigten bis heute keinen Gebrauch gemacht. Mit der vorerwähnten bloßen Behauptung ist jedoch der Wiederaufnahmegrund der nicht ordnungsgemäßen Besetzung i.S. von § 579 Abs. 1 Nr.1 ZPO nicht dargetan.
c) Zur rechtlichen Würdigung verweist der Senat im übrigen ergänzend auf seinen Beschluß vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91 (BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252). Diese Entscheidung betrifft zwar die Geschäftsverteilung des erkennenden Senats für das Jahr 1991. Die Geschäftsverteilung in dem hier maßgebenden Jahr 1989 beruht indessen auf denselben Grundlagen und erfolgte in vergleichbarer Weise wie für das Jahr 1991.
3. Der Senat entscheidet über den Wiederaufnahmeantrag durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung (§ 121 i.V.m. § 90 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Da sich der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen einen rechtskräftigen, das Beschwerdeverfahren abschließenden Beschluß richtet, ist über den Wiederaufnahmeantrag ebenfalls durch Beschluß zu entscheiden (BFH-Beschluß vom 16. August 1979 I K 2/79, BFHE 128, 349, BStBl II 1979, 710 m.w.N.).
Für die Besetzung des Senats in diesem Verfahren gelten die Ausführungen unter Ziff.4. und 5. des Beschlusses vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91 (BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252; vgl. ferner BFH-Urteil vom 14. Juni 1991 III K 1/90, BFH/NV 1992, 184).
Fundstellen
Haufe-Index 418622 |
BFH/NV 1993, 254 |