Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Bestellung als Steuerbevollmächtigter
Leitsatz (NV)
- In der ehemaligen DDR war der Bürgermeister einer Stadt für die Zulassung von Helfern in Steuersachen sachlich nicht zuständig.
- § 126 Abs. 4 FGO ist im Falle einer Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anzuwenden. Danach kann die Nichtzulassungsbeschwerde, selbst wenn Verfahrensmängel vorliegen, keinen Erfolg haben, falls sich das Urteil im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig erweist.
- Sofern eine Bestellung von Steuerbevollmächtigten auf der Grundlage von § 70 StBerO i.V.m. der MdF-AnO überhaupt in Betracht kommen sollte, müssen jedenfalls die nach der MdF-AnO für eine Zulassung kumulativ geforderten Voraussetzungen in der Person des Begünstigten erfüllt sein.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 126 Abs. 4; StBerG § 46 Abs. 1 S. 2; StBerV § 19 Abs. 2, § 70; StSHStdBhAnO § 2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhielt ihre Ausbildung in den alten Bundesländern und war dort beruflich tätig. Mit Schreiben vom 13. Juli 1990 hat sie beim Rat der Stadt X ihre prüfungsfreie Zulassung als Helferin in Steuersachen beantragt. Die Bezirksverwaltungsbehörde X antwortete ihr hierauf am 27. Juli 1990, daß die Zulassung zur Steuerberaterprüfung voraussetze, daß der Bewerber Bürger der DDR sei und seinen Wohnsitz im Geltungsbereich der Verordnung habe. Weiter wurde ausgeführt, daß nach einer Übergangsregelung die Prüfung zum Steuerbevollmächtigten bis 31. Dezember 1990 noch auf der Grundlage der "Anordnung vom 7. Februar 1990" durchgeführt werden könne, aber die Bewerber die gleichen Voraussetzungen erfüllen müßten. Schließlich wurde festgestellt, daß die Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfülle. Hiergegen legte die Klägerin Beschwerde ein, mit der sie darauf hinwies, daß sie keine Zulassung zur Steuerberaterprüfung, sondern lediglich die prüfungsfreie Zulassung als Helferin in Steuersachen beantragt habe. Außerdem machte die Klägerin geltend, daß sie die Voraussetzungen für die Zulassung als Helferin in Steuersachen erfülle. Auf ihre Beschwerde hin bestellte sie das Finanzministerium in Berlin-Ost am 14. September 1990 mit einer entsprechenden Bestellungsurkunde als Steuerbevollmächtigte.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (die Oberfinanzdirektion --OFD--) nahm die Bestellung der Klägerin mit Bescheid vom Dezember 1991 (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom August 1996) zurück. In der Einspruchsentscheidung bezog sich die OFD auf § 46 Abs. 1 Satz 2, Alternativen 1 und 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) und führte im einzelnen aus, weshalb die Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte zurückzunehmen sei.
Im Klageverfahren trug die Klägerin ergänzend vor, daß ihr unter dem 13. Juli 1990 vom Bürgermeister der Stadt Y die Erlaubnis erteilt worden sei, auf dem Territorium der Stadt Y als Helferin in Steuersachen tätig zu werden. Dieser Erlaubnis sei ein Antrag vom 20. Juni 1990 vorausgegangen, dem sie bereits entsprechende Unterlagen beigefügt habe. Sie habe diesen Antrag am 13. Juli 1990 unter Beifügung beglaubigter Unterlagen wiederholt.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, die OFD habe die Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte durch Urkunde vom 14. September 1990 mit Recht zurückgenommen. Sie könne sich hierfür auf § 46 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StBerG berufen. Im Ergebnis stützte das FG seine Entscheidung sowohl hinsichtlich einer etwaigen Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte nach § 19 Abs. 2 der Verordnung über die Hilfeleistung in Steuersachen (StBerO) vom 27. Juni 1990 (Gesetzblatt der DDR --GBl DDR-- Sonderdruck Nr. 1455) als auch hinsichtlich einer solchen gemäß § 70 Abs. 1 StBerO i.V.m. der Anordnung über die Zulassung zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit als Helfer in Steuersachen und die Registrierung von Stundenbuchhaltern (MdF-AnO) vom 7. Februar 1990 (GBl DDR I Nr. 12, 92) darauf, daß die Klägerin weder die vorgeschriebene Eignungsprüfung abgelegt habe noch davon befreit worden sei.
Die Klägerin habe bei Prüfung der Rechtsgrundlagen für ihre Bestellung erkennen müssen, daß sie entweder eine Prüfung habe ablegen müssen oder von der Prüfung hätte befreit worden sein müssen. Die Klägerin habe gewußt, daß sie keine Prüfung abgelegt habe. Sie habe ferner keinen ausreichenden Anlaß gehabt anzunehmen, daß sie wirksam von der Prüfung befreit worden sei. Allein die Tatsache, daß sie um prüfungsfreie Zulassung als Helferin in Steuersachen nachgesucht habe, rechtfertige den Schluß auf die Befreiung von der Prüfung nicht. Auch im Zusammenhang mit ihrer Bestellung durch das Finanzministerium in Berlin-Ost habe die Klägerin keinen Anhaltspunkt dafür gehabt anzunehmen, sie sei wirksam von der Prüfung befreit worden.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, daß die der Entscheidung des FG zugrundeliegenden Feststellungen in mehrfacher Weise verfahrensfehlerhaft i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zustande gekommen seien und darüber hinaus das angegriffene Urteil von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweiche (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) sowie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukomme.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet. Auf die geltend gemachten Verfahrensmängel kommt es nicht an, weil das finanzgerichtliche Urteil, selbst wenn die Verfahrensmängel gegeben wären, im Ergebnis richtig ist, die behauptete Divergenz nicht besteht und die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
1. Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Entscheidung des FG, daß ihre Zulassung als Helferin in Steuersachen rechtswidrig sei und sie die Rechtswidrigkeit ihrer Zulassung habe erkennen müssen, gerügten Verfahrensfehler (Verletzung der Sachaufklärungspflicht, Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens, Verletzung des Rechts auf Gehör) tatsächlich vorliegen. Jedenfalls konnte das FG im Ergebnis nicht anders entscheiden, als daß eine etwa nach § 19 Abs. 2 StBerO kraft Gesetzes erfolgte Umwandlung einer etwaigen Zulassung der Klägerin als Helferin in Steuersachen in eine Bestellung als Steuerbevollmächtigte zurückzunehmen war.
Das FG hat es zwar dahinstehen lassen, ob in diesem Zusammenhang auch eine Rücknahme der Bestellung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 StBerG in Betracht gekommen wäre. Diese Frage ist jedoch nach den der Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte auf Grund von § 19 Abs. 2 StBerO zugrundeliegenden Vorschriften eindeutig zu bejahen.
Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 StBerG ist die nach § 19 Abs. 2 StBerO erfolgte Bestellung auch zurückzunehmen, wenn die Bestellung von einer sachlich unzuständigen Behörde ausgesprochen worden ist und die zuständige Behörde die Bestellung nicht hätte aussprechen dürfen. Diese Voraussetzung ist in bezug auf die Zulassung der Klägerin als Helferin in Steuersachen durch den Bürgermeister der Stadt Y erfüllt. Die Rechtswidrigkeit dieser Zulassung haftete auch der auf Grund von § 19 Abs. 2 StBerO umgewandelten Zulassung in eine Bestellung als Steuerbevollmächtigte an.
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 26. März 1996 VII R 40/95, BFH/NV 1996, 853; vom 5. November 1996 VII R 36/96, BFH/NV 1997, 266) mußte die Klägerin im Zeitpunkt ihrer Zulassung am 13. Juli 1990 nicht erkennen, daß die MdF-AnO nicht mehr galt, die Grundlage ihrer Zulassung war. Deshalb ist die MdF-AnO als Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ihrer Zulassung zugrunde zu legen. Nach § 2 Abs. 1 MdF-AnO wird die Zulassung zur Aufnahme der Tätigkeit als Helfer in Steuersachen von der Abteilung Finanzen des Rates des Kreises, in dessen Zuständigkeitsbereich die Tätigkeit erfolgen soll, erteilt. Der Bürgermeister der Stadt Y war somit für die Erteilung der Zulassung sachlich unzuständig.
An der durch § 2 MdF-AnO getroffenen Zuständigkeitsregelung hat sich durch das Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl DDR I, 255) nur insoweit etwas geändert, als danach nicht mehr der Rat des Kreises, sondern die zuständige Kreisverwaltungsbehörde zuständig war. Dies folgt aus den Übergangsbestimmungen in § 102 Abs. 2, 3 der Kommunalverfassung, wonach die bisherigen Regelungen in anderen Gesetzen und Rechtsvorschriften über Aufgaben und Befugnisse der Staatsorgane in den Gemeinden und Landkreisen in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Kommunalverfassung anzuwenden sind. Für einzelne Bereiche erlassene Rechtsvorschriften blieben bis zu ihrer Änderung, Neufassung oder Aufhebung in Kraft, soweit sie den Grundsätzen und Normen der Kommunalverfassung nicht entgegenstanden (§ 102 Abs. 3 der Kommunalverfassung). Nach dieser Vorschrift blieb es somit bis zu einer etwaigen Neuregelung auch bei der Zuständigkeitsregelung in § 2 Abs. 1 MdF-AnO, die lediglich gemäß § 102 Abs. 2 der Kommunalverfassung insoweit anzupassen war, als nunmehr an die Stelle des Rates des Kreises der Landrat trat. Denn es ist nicht ersichtlich, daß die Beibehaltung dieser --entsprechend der Kommunalverfassung modifizierten-- Zuständigkeitsregelung den Grundsätzen und Normen der Kommunalverfassung entgegenstand.
Die Anordnung über die Errichtung von Finanzämtern in der Deutschen Demokratischen Republik (Anordnung) vom 20. Juli 1990 (GBl DDR I, 1000) berührte die Zuständigkeit des Kreises für die Zulassung als Helfer in Steuersachen ebenfalls nicht. Durch diese Anordnung wurde lediglich die Zuständigkeit der Kreisverwaltungen für die Verwaltung von Steuern aufgehoben (§ 3 Anordnung). Sie besagte aber nichts hinsichtlich der Befugnisse der Kreisverwaltungen in bezug auf die Zulassung als Helfer in Steuersachen (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 1999 VII R 64/98, zur Veröffentlichung in BFH/NV bestimmt).
Da die zuständige Behörde die Zulassung der Klägerin schon deshalb nicht hätte aussprechen dürfen, weil die Klägerin weder Staatsbürgerin der DDR war, noch die erforderlichen Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR erworben hatte (FG-Urteil S. 13 ff.: Senatsurteil vom 7. März 1996 VII R 61, 62/95, BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334), wäre die nach § 19 Abs. 2 StBerO in eine vorläufige Bestellung als Steuerbevollmächtigte umgewandelte Zulassung als Helferin in Steuersachen nach der eindeutigen Regelung des § 46 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 StBerG unabhängig davon zurückzunehmen, ob die Klägerin wußte oder hätte wissen müssen, daß der Bürgermeister der Stadt Y für die Erteilung der Zulassung unzuständig und die Zulassung deshalb rechtswidrig war.
In entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO kann die Nichtzulassungsbeschwerde deshalb keinen Erfolg haben, weil sich das Urteil insoweit, selbst wenn die gerügten Verfahrensmängel vorlägen, aus den genannten Gründen im Ergebnis als richtig erweisen würde (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 35, m.w.N.; BFH-Beschluß vom 9. März 1998 X B 162, 163/97, BFH/NV 1998, 968). Entsprechendes gilt in bezug auf die von der Klägerin vorsorglich gerügte Divergenz des angefochtenen Urteils zu dem Senatsurteil in BFH/NV 1997, 266.
2. Auch soweit es um die Rücknahme einer etwa auf der Grundlage von § 70 StBerO i.V.m. der MdF-AnO erfolgten Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte mit Urkunde des Finanzministeriums (Ost) vom 14. September 1990 geht, kommt es auf die im Zusammenhang der angeblichen Befreiung von der Prüfung gerügten Verfahrensmängel in entsprechender Anwendung von § 126 Abs. 4 FGO nicht an, weil sich das Urteil insoweit im Ergebnis aus anderen Gründen ebenfalls als richtig erweist.
Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß, sofern eine Bestellung von Steuerbevollmächtigten auf der Grundlage von § 70 StBerO i.V.m. der MdF-AnO überhaupt in Betracht kommen sollte, jedenfalls die nach der MdF-AnO für eine Zulassung kumulativ geforderten Voraussetzungen (Staatsbürgerschaft der DDR, Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR, abgelegte Eignungsprüfung oder Befreiung davon) in der Person des Begünstigten erfüllt sein müssen und daß die Bestellung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StBerG zurückzunehmen ist, falls eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist und der Begünstigte die sich daraus ergebende Rechtswidrigkeit kannte oder kennen mußte. Insoweit besteht auch --anders als die Klägerin meint-- kein grundsätzlicher Klärungsbedarf mehr.
Im Streitfall war die Klägerin nach den Feststellungen des FG weder Staatsbürgerin der DDR noch hatte sie praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR erworben.
Nach der Rechtsprechung des Senats ergab sich aus der StBerO so eindeutig, daß eine Bestellung nur rechtmäßig war, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt waren, daß die Begünstigte die Rechtswidrigkeit ihrer trotz Nichterfüllung dieser Voraussetzungen erfolgten Bestellung hätte erkennen müssen, wenn sie sich mit den Vorschriften in der gebotenen Weise beschäftigt hätte. Auf die möglicherweise bestehende großzügigere Verwaltungspraxis kommt es nach der insoweit feststehenden Rechtsprechung des BFH nicht an (Senatsurteile vom 26. September 1995 VII R 19/94, BFH/NV 1996, 369, und vom 19. Januar 1999 VII R 50/98, BFH/NV 1999, 976).
Der Senat hat ferner entschieden, daß sich die Begünstige nicht auf etwaige Auslegungsschwierigkeiten hinsichtlich der MdF-AnO berufen kann, wenn sie nach dem Inkrafttreten der StBerO als Steuerbevollmächtigte bestellt worden ist, ohne daß dem eine wirksame Zulassung als Helferin in Steuersachen vorausging (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1999, 976). So lag es im Streitfall, denn in dem mit dem Schreiben an den Rat der Stadt X in Gang gesetzten Verfahren, das der Bestellung der Klägerin als Steuerbevollmächtigte durch das Finanzministerium vorausging, war die Klägerin nicht als Helferin in Steuersachen bestellt worden; für die etwaige Bestellung als Helferin in Steuersachen durch den Bürgermeister der Stadt Y liegen --wie ausgeführt-- eigenständige Rücknahmegründe vor.
3. Soweit es um die Verfassungsmäßigkeit des § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG geht, besteht kein grundsätzlicher Klärungsbedarf mehr, nachdem der Senat die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift mehrfach geprüft und bejaht hat (vgl. hinsichtlich § 46 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StBerG: Senatsurteil vom 3. März 1998 VII R 97/97, BFH/NV 1998, 883; hinsichtlich § 46 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 StBerG: Senatsurteile vom 27. Juni 1994 VII R 110/93, BFHE 176, 181, BStBl II 1995, 341, und vom 17. Juni 1999 VII R 64/98, veröffentlicht in BFH/NV Heft 1/2000).
Fundstellen
Haufe-Index 422509 |
BFH/NV 2000, 229 |