Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung eines Zweifamilienhauses im Sachwertverfahren
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, ob angesichts der Rechtsprechungsentwicklung zur "besonderen Gestaltung" von Ein- und Zweifamilienhäusern bei lediglich geringfügiger Überschreitung der von der Rechtsprechung angenommenen Grenzgröße der Hauptwohnung von 220 qm eine Bewertung im Ertragswertverfahren in Betracht kommen kann, ist nicht klärungsbedürftig.
2. Die Frage, ob die unterschiedliche Bewertung von Ein-/Zweifamilienhäusern im Ertrags- und Sachwertverfahren (§ 76 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 BewG) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Wertverzerrungen bei der Bemessungsgrundlage sind bei der Grundsteuer wegen der geringeren steuerlichen Belastungswirkung verfassungsrechtlich in höherem Ausmaß hinnehmbar als bei Erbschaftsteuer und Vermögensteuer (BFH-Beschluss vom 8. Februar 2000 II B 65/99, BFH/NV 2000, 1076).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BewG § 76 Abs. 1, 3 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 3 S. 3, Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat im Jahr 1997 auf seinem in A gelegenen Grundstück ein Zweifamilienhaus errichtet. Die Hauptwohnung hat eine Wohnfläche von 228,42 qm, die abgeschlossene Einliegerwohnung eine Größe von 53,71 qm. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) stellte für das Grundstück durch Bescheid vom 7. November 2002 auf den 1. Januar 1998 die Grundstücksart "Zweifamilienhaus" und den Einheitswert im Sachwertverfahren auf 83 033 € fest.
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger eine Bewertung des Grundstücks im Ertragswertverfahren begehrte, blieben ohne Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) rechtfertigt bereits die Größe der Hauptwohnung mit einer Wohnfläche von mehr als 220 qm die Anwendung des Sachwertverfahrens.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie als Verfahrensfehler eine Verletzung der Hinweisweispflicht durch das FG geltend.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die aufgeworfenen Rechtsfragen haben wegen fehlender Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt und wenn es sich bei ihr um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Juli 1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760).
b) Die Frage, ob angesichts der Rechtsprechungsentwicklung zur "besonderen Gestaltung" von Ein- und Zweifamilienhäusern bei lediglich geringfügiger Überschreitung der von der Rechtsprechung angenommenen Grenzgröße der Hauptwohnung von 220 qm eine Bewertung im Ertragswertverfahren in Betracht kommen kann, hat der Senat erst kürzlich, nämlich durch Beschluss vom 30. Januar 2004 II B 105/02 (BFH/NV 2004, 763) für den Bewertungsstichtag 1. Januar 1993 entschieden. Unter Hinweis auf frühere Entscheidungen des BFH (Urteile vom 12. Februar 1986 II R 192/78, BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320, und vom 17. Mai 1995 II R 22/92, BFHE 177, 502, BStBl II 1995, 577, sowie Beschluss vom 6. Februar 2002 II B 45/01, BFH/NV 2002, 761) hat er ausgeführt, dass eine Wohnfläche von mehr als 220 qm dem Einfamilienhaus bzw. dem Zweifamilienhaus, das mindestens eine Wohnung dieser Größe enthält, eine besondere Gestaltung i.S. des § 76 Abs. 3 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) gebe. Neben dieser besonderen Gestaltung bedürfe es keiner besonderen Ausstattungsmerkmale, um die Anwendung des Sachwertverfahrens zu rechtfertigen. Gemäß § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG reiche es für die Wertermittlung im Sachwertverfahren aus, dass entweder eine besondere Gestaltung oder eine besondere Ausstattung vorliege.
Der Senat hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich die vom Kläger begehrte Anpassung der Wohnungsgröße an die sich über Jahrzehnte gewandelten Wohnansprüche abgelehnt. Die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG --also eine besondere Gestaltung und/oder eine besondere Ausstattung-- gegeben seien, stelle eine Frage der Wertverhältnisse dar; es sei dabei auf die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1987 II R 26/87, BFHE 151, 88, BStBl II 1987, 841). Deshalb kommt es auf die behaupteten gewandelten Wertvorstellungen seit der Entscheidung des BFH in BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320 nicht an.
Gründe, die trotz dieser eindeutigen Rechtsprechung einen weiteren Klärungsbedarf ergeben und die Zulassung der Revision erforderten, sind auch für den Bewertungsstichtag 1. Januar 1998 nicht ersichtlich. Der Beurteilung des Klägers, die Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis orientiere sich bei der Ausfüllung der Tatbestandsmerkmale "besondere Gestaltung" und "besondere Ausstattung" nicht immer an den Verhältnissen zum 1. Januar 1964, sondern zöge auch aktuelle Objekte als Vergleichsmaßstab heran, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr hat der BFH stets betont, dass es auf die gewandelten Wertvorstellungen vom Bewertungsstichtag grundsätzlich nicht ankomme, und zwar sowohl hinsichtlich der Wohnungsgröße als auch hinsichtlich der sonstigen Ausstattung. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) ist insoweit nicht ersichtlich.
Keine grundsätzliche Bedeutung hat im Übrigen die Frage, ob die unterschiedliche Bewertung von Einfamilienhäusern im Ertrags- und Sachwertverfahren (§ 76 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 BewG) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Diese Frage ist durch die Rechtsprechung geklärt. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. Februar 1987 1 BvL 18/81, 1 BvL 20/82 (BStBl II 1987, 240) ist die Regelung in § 76 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 BewG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, soweit die Bewertung von Einfamilienhäusern im Sachwertverfahren zu höheren Einheitswerten führt als die Bewertung im Ertragswertverfahren. Der Kläger hat nicht dargelegt, warum diese Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig sein könnte. Soweit das BVerfG in seinen beiden Beschlüssen vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BStBl II 1995, 655) und 2 BvR 522/91 (BStBl II 1995, 671) die Anwendung der nicht mehr realitätsgerechten Einheitswerte für die Erbschaftsteuer und die Vermögensteuer ab 1. Januar 1996 für unzulässig erklärt hat, haben diese Gesichtspunkte jedenfalls unmittelbar keine Bedeutung für die hier allein noch in Betracht kommende Grundsteuer. Diese ist deutlich niedriger als die Vermögensteuer und Erbschaftsteuer, die Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Erkenntnisse waren. Wertverzerrungen bei der Bemessungsgrundlage sind daher bei der Grundsteuer wegen der geringeren steuerlichen Belastungswirkung verfassungsrechtlich in höherem Ausmaß hinnehmbar als bei Erbschaftsteuer und Vermögensteuer (BFH-Beschluss vom 8. Februar 2000 II B 65/99, BFH/NV 2000, 1076; BFH-Urteil vom 2. Februar 2005 II R 36/03, BStBl II 2005, 428).
2. Der geltend gemachte Verfahrensfehler ist nicht in der erforderlichen Weise schlüssig dargelegt worden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Von einer weiteren Begründung des Beschlusses wird insoweit nach § 115 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1417136 |
BFH/NV 2005, 1979 |