Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederbestellung als Steuerberater
Leitsatz (NV)
- Allein die Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation eines in Vermögensverfall geratenen (ehemaligen) Steuerberaters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu bereinigen, hat nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nunmehr als geordnet zu betrachten wären.
- Auch wenn sich der insolvent gewordene (ehemalige) Steuerberater in der sog. Wohlverhaltensphase bis zu der vom Insolvenzgericht angekündigten Restschuldbefreiung befindet, besteht aufgrund des Vermögensverfalls weiterhin die Vermutung der Gefährdung von Auftraggeberinteressen, solange nicht nachgewiesen wird, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht besteht. Die Darlegungs- und Feststellungslast trägt der (ehemalige) Steuerberater. Ob dieser Entlastungsbeweis geführt ist, ist eine Frage des Einzelfalls.
- Eine Gefährdung von Auftraggeberinteressen durch den Vermögensverfall wird nicht dadurch ausgeschlossen, das eine Tätigkeit als Steuerberater im Angestelltenverhältnis angestrebt wird.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; StBerG § 40 Abs. 2, § 46 Abs. 2 Nr. 4, § 48 Abs. 2, 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist ehemaliger Steuerberater. Seine Bestellung als Steuerberater wurde 1994 wegen Vermögensverfalls widerrufen, weil er in das Schuldnerverzeichnis eingetragen und gegen ihn in mehreren Fällen Haft zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung angeordnet worden war. Die seinerzeit hiergegen erhobene Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.
Nach Scheitern eines Verfahrens zur Bereinigung der Schulden des Klägers in Höhe von seinerzeit ca. … DM eröffnete das zuständige Amtsgericht (AG) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers. Nach Abhaltung eines Schlusstermins beschloss das AG die Aufhebung des Insolvenzverfahrens und kündigte die Restschuldbefreiung gemäß § 291 der Insolvenzordnung (InsO) nach Ablauf von fünf Jahren an.
Bereits im März 2000 hatte der Kläger einen Antrag auf Wiederbestellung als Steuerberater gestellt, den die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) ablehnte. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.
Das FG urteilte, dass die Gründe, die für den Widerruf der Bestellung maßgeblich gewesen seien, weiterhin bestünden (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 des Steuerberatungsgesetzes ―StBerG―). Auch wenn das AG das Insolvenzverfahren aufgehoben habe, sei dieses damit lediglich in das Verfahren der Restschuldbefreiung übergeführt worden, das die vierte Stufe des Verbraucherinsolvenzverfahrens und damit nur einen Teil des noch nicht beendeten Gesamtverfahrens darstelle. Darüber hinaus sei aber auch von einem tatsächlichen Vermögensverfall des Klägers auszugehen, weil er sich in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befinde, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen könne, und er außerstande sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Trotz Aufforderung, einen aktuellen Vermögensstatus beizubringen, habe der Kläger nur den Schuldenbereinigungsplan aus dem Jahr 1999 vorgelegt und angegeben, dass sich die Vermögensverhältnisse nicht geändert hätten. Daraus ergebe sich, dass seinen Verbindlichkeiten in Höhe von … DM nur seine monatlichen Nettobezüge von … DM gegenüber stünden und dass eine Tilgungsquote von 1,1 % angeboten worden sei. Geordnete Vermögensverhältnisse erforderten auch, dass die Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigt würden und der Schuldner selbst und frei über sein Vermögen verfügen könne. Hiervon sei aber im Fall des Klägers nicht auszugehen. Ob es zu einer Restschuldbefreiung komme, bleibe abzuwarten. Den Nachweis, dass trotz des Vermögensverfalls Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet seien, habe der Kläger nicht erbracht.
Außerdem stehe einer Wiederbestellung des Klägers als Steuerberater entgegen, dass er nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe (§ 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG). Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse seien die unverzichtbare Grundlage für die unabhängige Berufsausübung eines Steuerberaters. Im Fall einer wirtschaftlichen Notlage seien Berufspflichtverletzungen leichter zu besorgen; es bestehe insbesondere die Gefahr des Vertrauensbruchs, wenn Vermögenswerte der Mandanten anvertraut würden. Die Steuerberaterkammer habe daher zu Recht auf die infolge der Zahlungsunfähigkeit des Klägers bestehende Gefährdungslage hingewiesen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) stützt.
Die Steuerberaterkammer tritt dem Beschwerdevorbringen, dass Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären seien, entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision nicht schlüssig dargelegt ist, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegt.
Einer Rechtsfrage ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juni 1995 II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom 14. März 2000 V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148).
Hieran fehlt es im Streitfall. Die Beschwerde bezeichnet zwar eine Reihe verschiedener Rechtsfragen, von denen sie aber lediglich behauptet, dass ihnen grundsätzliche Bedeutung zukomme. Dies ist jedoch zur Darlegung des Zulassungsgrundes ebenso wenig ausreichend wie der Hinweis, dass die Rechtsfragen vom BFH bisher noch nicht entschieden seien (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 141). Vielmehr muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden, warum die bezeichnete Rechtsfrage über den konkreten Einzelfall hinausgeht und warum sie zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für die Fortentwicklung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedarf (BFH-Beschlüsse vom 23. November 1994 II B 111/93, BFH/NV 1995, 624; vom 22. Februar 1995 VIII B 81/94, BFH/NV 1995, 711). Derartiges Vorbringen enthält die Beschwerdebegründung im Streitfall jedoch nicht.
Die bezeichneten Rechtsfragen sind im Übrigen auch nicht klärungsbedürftig, da sie sich nur so beantworten lassen, wie es im Streitfall geschehen ist. Zum Teil sind diese Rechtsfragen zudem nicht klärungsfähig.
In dem früheren finanzgerichtlichen Verfahren des Klägers, welches den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater zum Gegenstand hatte, ist rechtskräftig festgestellt worden, dass der Kläger in Vermögensverfall geraten und seine Bestellung als Steuerberater zu Recht widerrufen worden ist. Seine Wiederbestellung würde somit voraussetzen, dass der Vermögensverfall nicht mehr besteht (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 StBerG) und dass keine Versagungsgründe vorliegen (§ 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 2 und 3 StBerG).
1. Ob die vom FG vertretene Ansicht zutreffend ist, dass der Vermögensverfall des Klägers weiterhin zu vermuten ist, weil mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch das AG dieses lediglich in das Verfahren der Restschuldbefreiung übergeführt worden und das Gesamtverfahren damit als noch nicht beendet anzusehen ist, kann offen bleiben, da das FG ―auch unabhängig von der Vermutung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG― aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen angenommen hat, dass der Vermögensverfall nach wie vor anzunehmen sei, weil der Kläger sich in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befinde, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen könne, und er außerstande sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. dazu: Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 2000, 741).
Die insoweit von der Beschwerde für grundsätzlich bedeutsam gehaltene ―und in mehrere Einzelfragen aufgeteilte― Rechtsfrage, ob trotz einer weiterhin bestehenden ―im Streitfall nicht bestrittenen― Überschuldung ohne Aussicht, die Schulden in absehbarer Zeit abtragen zu können, von einer Gefährdung der Interessen der Auftraggeber dann nicht auszugehen ist, wenn das Insolvenzverfahren wie im Streitfall aufgehoben ist und sich der Schuldner in der sog. Wohlverhaltensphase bis zu der vom Gericht angekündigten Restschuldbefreiung befindet, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie ohne weiteres zu verneinen ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG folgt aus dem Eintritt des Vermögensverfalls grundsätzlich die Gefährdung der Auftraggeberinteressen mit der Folge, dass die Bestellung zu widerrufen ist, wenn nicht nachgewiesen wird, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht besteht, wobei insoweit die Darlegungs- und Feststellungslast dem betroffenen Steuerberater obliegt (Senatsurteile in HFR 2000, 741, und vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69). Ob dieser Entlastungsbeweis geführt ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich ist (Senatsbeschlüsse vom 28. August 2003 VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90, und VII B 159/02, BFH/NV 2004, 91). Durch das In-Kraft-Treten der InsO hat sich jedenfalls an den Voraussetzungen für die Widerlegung der Vermutung, dass bei Vermögensverfall die Interessen der Auftraggeber gefährdet sind, nichts Grundsätzliches geändert (Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 90). Für einen zu vermutenden Ausschluss der Gefährdung von Auftraggeberinteressen, wenn sich der in Vermögensverfall geratene Steuerberater nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens in der Phase des Wartens auf die Restschuldbefreiung befindet ―wie offenbar von der Beschwerde vertreten―, gibt § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG keinen Anhaltspunkt. Weshalb der Umstand, dass während dieser sog. Wohlverhaltensphase Zwangsvollstreckungen einzelner Gläubiger nicht zulässig sind, gegen die aus dem Vermögensverfall des Steuerberaters folgende Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen soll, ist nicht erkennbar. Anders als die Beschwerde meint, ist auch eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG nicht geboten; vielmehr steht die Vorschrift mit der nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierten Berufsfreiheit in Einklang (ständige Rechtsprechung, Senatsurteil in BFH/NV 2001, 69; Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 91).
2. Die Frage, ob Auftraggeberinteressen trotz des Vermögensverfalls ausnahmsweise dann als nicht gefährdet anzusehen sind, wenn der Steuerberater ausschließlich nur als Angestellter tätig ist bzw. tätig sein will, ist nicht klärungsbedürftig, da sie durch die Rechtsprechung des Senats bereits beantwortet ―und verneint― worden ist (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 90).
3. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen, ob während der Phase der Restschuldbefreiung dem Steuerberater das Geltendmachen überhöhter Gebührenforderungen unterstellt werden könne und ob die Bestellung als Steuerberater in dieser Phase schon deshalb zu versagen sei, weil die Restschuldbefreiung noch nicht erteilt worden sei, sind nicht klärungsfähig, weil die Wiederbestellung schon an der Fortdauer des Vermögensverfalls scheitert. Das FG hat dazu ausgeführt, dass der im Streitfall zu bejahende Vermögensverfall in Anbetracht der vorhandenen Schulden des Klägers und seiner monatlichen Einkünfte jedenfalls bis zum vorgesehenen Zeitpunkt der Restschuldbefreiung nicht beseitigt sein werde.
4. Soweit die Steuerberaterkammer in Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger nur von seiner Ehefrau ein unter der Pfändungsfreigrenze liegendes Gehalt bezieht, die Vermutung geäußert hat, dass sich der Kläger im Hinblick auf seine Schulden "gesetzmäßig eingerichtet" habe, und soweit das FG diese Erwägung rechtlich nicht beanstandet hat, handelt es sich um eine Tatsachenwürdigung im Einzelfall, die ebenfalls einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich ist. Eindeutig zu bejahen ist jedenfalls die Frage, ob im Hinblick auf eine im Einzelfall geltend gemachte fehlende Gefährdung von Auftraggeberinteressen (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG) sowie im Hinblick auf die Frage der persönlichen Eignung (§ 40 Abs. 2 StBerG) das Gesamtverhalten des Steuerberaters und somit auch geprüft werden darf, ob er sich nach Kräften bemüht, seine Schulden abzutragen (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 90).
5. Nicht klärungsbedürftig ist schließlich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob allein der Umstand, dass der (ehemalige) Steuerberater den Regelungen der InsO und damit der Beaufsichtigung in der sog. Wohlverhaltensphase unterliegt, zur Annahme geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse führt. Der Senat hat bereits entschieden, dass allein die Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu bereinigen, noch nicht zur Folge hat, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nunmehr als geordnet zu betrachten wären (Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 90). Vielmehr muss die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch tatsächlich eingetreten sein. Ob dies in einer Weise geschehen ist, dass die Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht mehr zu besorgen ist, ist ―wie bereits ausgeführt― eine Frage des Einzelfalls.
6. Soweit die Beschwerde im Übrigen die Argumentation des FG für nicht überzeugend hält und geltend macht, dass das FG aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen den Entlastungsbeweis der fehlenden Gefährdung von Auftraggeberinteressen zu Unrecht als nicht erbracht angesehen habe, wendet sie sich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1140030 |
BFH/NV 2004, 982 |