Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust der Postulationsfähigkeit während des Verfahrens; Wirksamkeit der Zustellung einer Ladung
Leitsatz (NV)
- Der Verlust der Postulationsfähigkeit nach Ablauf der Beschwerde- und der Beschwerdebegründungsfrist hat keinen Einfluss auf das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und führt insbesondere nicht zu einer Aussetzung des Verfahrens, in dem sich der Kläger zulässigerweise selbst vertreten hat.
- Die bloße Behauptung des Klägers, er habe die Ladung nicht erhalten, kann den Beweis der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung einer Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht entkräften. Für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es nicht darauf an, ob und wann der Adressat das Schriftstück seinem Briefkasten entnommen und ob er es tatsächlich zur Kenntnis genommen hat.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 155; ZPO § 78 Abs. 6
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 26.06.2003; Aktenzeichen VI 251/2001) |
Tatbestand
Die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 wurde vom Finanzgericht (FG) auf Grund mündlicher Verhandlung vom 26. Juni 2003 als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger den Gegenstand des Klagebegehrens gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht bezeichnet hat. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung war dem Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift durch die Post mit Zustellungsurkunde vom 14. Mai 2003 übermittelt worden.
Zur mündlichen Verhandlung vor dem FG erschien der Kläger nicht. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2003 stellte der Vorsitzende des FG-Senats fest, dass der Kläger ordnungsgemäß geladen worden ist.
Mit seiner fristgerecht eingelegten und zum 20. Oktober 2003 begründeten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass ihm das rechtliche Gehör versagt worden sei, weil man ihn nicht zur mündlichen Verhandlung vor dem FG geladen habe. Ihm sei eine Ladung weder persönlich ausgehändigt worden noch sei ihm eine Ersatzzustellung nach den §§ 178, 180 oder § 181 der Zivilprozessordnung (ZPO) bekannt oder mitgeteilt worden. Das Gericht hätte daher den Termin zur mündlichen Verhandlung vertagen müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen, so dass auch ein Mangel der Vertretung nach § 119 Nr. 4 FGO vorliege, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führe.
Durch Bescheid vom 8. November 2000 wurde die Bestellung des Klägers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls widerrufen (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes ―StBerG―). Nach erfolgloser Klage gegen diesen Verwaltungsakt wurde die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des VII. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Oktober 2003 VII B 12/03 (BFH/NV 2004, 497) als unbegründet zurückgewiesen, so dass der Widerruf mit Zustellung dieses Beschlusses am 6. November 2003 rechtskräftig wurde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ungeachtet des Widerrufs der Bestellung des Klägers zum Steuerberater statthaft. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger am 20. Oktober 2003, dem Tag des Eingangs der Beschwerdebegründung beim BFH, noch den rechtlichen Status eines Steuerberaters hatte und daher gemäß § 62a FGO zur Vertretung vor dem BFH befugt war. Der Widerruf der Bestellung zum Steuerberater wurde erst mit Zustellung des Beschlusses VII B 12/03 am 6. November 2003 rechtskräftig. Der Verlust der Postulationsfähigkeit nach Ablauf der Beschwerde- und der Beschwerdebegründungsfrist hat daher keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und führt insbesondere nicht zu einer Aussetzung des Verfahrens (BFH-Beschluss vom 21. November 2002 VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485), in dem sich der Kläger zulässigerweise selbst vertreten hat (§ 155 FGO i.V.m. § 78 Abs. 6 ZPO).
2. Die wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG erhobene Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.
a) Die Rüge des Klägers, das FG habe ihn nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen und ihm dadurch das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) versagt mit der weiteren Folge, dass er im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen sei (§ 119 Nr. 4 FGO), ist nicht begründet. Entgegen der Ansicht des Klägers ist er zur mündlichen Verhandlung vor dem FG ordnungsgemäß geladen worden.
Ladungen sind den Beteiligten gemäß § 53 Abs. 1 FGO zuzustellen; nach Abs. 2 dieser Vorschrift wird von Amts wegen nach den Vorschriften der ZPO zugestellt. Das FG ist im Streitfall nach diesen Vorschriften verfahren. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem FG ist dem Kläger durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt worden (§ 168 Abs. 1, § 176 ZPO). Dies hat der Vorsitzende des Senats in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausdrücklich festgestellt.
Nach § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO gilt für die Zustellungsurkunde § 418 ZPO, d.h. es handelt sich um eine öffentliche Urkunde, die den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen begründet. Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden (BFH-Urteil vom 20. Februar 1992 V R 39/88, BFH/NV 1992, 580, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 7. Februar 1996 X R 79/95, BFH/NV 1996, 567). Die bloße Behauptung des Klägers, er habe die Ladung nicht erhalten, kann daher den Beweis der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht entkräften. Denn für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es nicht darauf an, ob und wann der Adressat das Schriftstück seinem Briefkasten entnommen und ob er es tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Entscheidungen vom 14. November 1977 VIII B 52/77, BFHE 124, 5, BStBl II 1978, 156; vom 2. Juni 1987 VII R 36/84, BFH/NV 1988, 170; vom 5. Januar 1990 III S 7/89, BFH/NV 1991, 322; vom 15. März 2001 X B 101/00, BFH/NV 2001, 1361, jeweils m.w.N.). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob der Adressat von der Ladung mit oder ohne Verschulden keine Kenntnis erlangt hat (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 567).
Die bloße Behauptung, die Ladung sei nicht in einen zur Wohnung oder zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung gelangt, vermag den Beweis der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nicht zu erschüttern, solange der Kläger nicht aufklärt, in welcher Weise ihn sonst Sendungen erreichen, die mit der Post an die von ihm angegebene Wohnanschrift übermittelt werden. Auch das angefochtene Urteil des FG ist dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden, ohne dass der Kläger vorgetragen hat, dass ihm dieses Urteil nicht oder auf andere Weise zugegangen sei.
b) Nach den Feststellungen des FG ist die Ladung am 14. Mai 2003 zugestellt worden, so dass die zweiwöchige Ladungsfrist (§ 91 Abs. 1 Satz 1 FGO) für die mündliche Verhandlung am 26. Juni 2003 eingehalten worden ist. Der Kläger war demnach ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, der auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs oder darauf beruht, dass der Kläger in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war, liegt daher nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 1143929 |
BFH/NV 2004, 968 |