Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache;Höhe des Streitwerts bei Streit über Vorläufigkeiteines Bescheides
Leitsatz (NV)
1. Ist im Fall der Erledigung der Haupt sache gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach dem bisherigen Sach- und Streitstand infolge tatsächlicher Unklarheiten oder umstrittener Rechtsfragen ungewiß, welchen Ausgang der Rechtsstreit genommen hätte, so ist es regelmäßig gerechtfertigt, die Kosten den Beteiligten zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der in der Hauptsache erledigte Rechtsstreit eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand hatte (BFH-Beschlüsse vom 21. August 1974 I B 27/74, BFHE 113, 345, BStBl II 75, 38 und vom 27. Juli 1988 VI B 2/88, BFH/NV 1989, 190 sowie Beschluß des BVerwG vom 18. Oktober 1977 VI C 54/75, HFR 79, 296).
2. Ist ausschließlich streitig, ob Feststellungsbescheide hinsichtlich bestimmter, der Höhe nach unstreitiger Schuldposten vorläufig i. S. des § 165 Abs. 1 AO 1977 ergehen durften, geht der Streit nicht um einen ziffernmäßig bestimmbaren Betrag. Als Streitwert ist deshalb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG der Regelstreitwert von 6000 DM anzunehmen (BFH-Beschlüsse vom 28. Februar 1980 IV R 154/78, BFHE 130, 130, BStBl II 1980, 417, und vom 29. Juli 1987 V E 3/87, BFH/NV 1988, 182).
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1; AO 1977 § 165 Abs. 1; GKG § 13 Abs. 1 Sätze 1-2
Gründe
Da die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) während des Revisionsverfahrens gegenüber dem Bundesfinanzhof (BFH) die Hauptsache für erledigt erklärt (Schriftsatz des FA vom 24. Oktober 1994, Schriftsatz der Klägerin vom 28. Oktober 1994) haben, ist nur noch über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß zu entscheiden (§ 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Mangels Vorliegens der besonderen Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 FGO ist über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Danach sind im Streitfall den Beteiligten die Kosten in dem Maße aufzuerlegen, in dem sie unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes voraussichtlich unterlegen wären bzw. in dem sie nach den Vorschriften über die Auferlegung der Kosten aus einem anderen Grunde die Kosten voraussichtlich hätten tragen müssen, wenn der Rechtsstreit sich nicht in der Hauptsache erledigt hätte.
Um das Ermessen sachgerecht auszuüben, ist das Gericht zur Entscheidung über die Auferlegung der Kosten aber grundsätzlich nicht verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären bzw. die Rechtslage eingehend zu prüfen, insbesondere umstrittenen Rechtsfragen nachzugehen und zu prüfen, wie sie hätten entschieden werden müssen, wenn der Rechtsstreit sich nicht in der Hauptsache erledigt hätte. Denn der Forderung in § 138 Abs. 1 FGO, daß der "bisherige" Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist, kann entnommen werden, daß das Verfahren, nachdem der Rechtsstreit sich in der Hauptsache erledigt hat -- aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit --, nicht mehr zu dem Zweck fortgesetzt werden soll, "für die Kostenentscheidung den hypothetischen Ausgang des Verfahrens festzustellen" (vgl. BFH-Beschluß vom 10. No vember 1971 I B 14/70, BFHE 104/39, BStBl II 72, 222) oder gar "anhand eingehender Erwägungen abschließend über den Streitstoff zu entscheiden" (Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG -- vom 18. Oktober 1977 VI C 54/75, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 79, 296).
Ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand infolge tatsächlicher Unklarheiten oder umstrittener Rechtsfragen ungewiß, welchen Ausgang der Rechtsstreit genommen hätte, so wird es regelmäßig gerechtfertigt sein, die Kosten den Beteiligten zu gleichen Teilen aufzuerlegen (vgl. BFH- Beschlüsse vom 21. Februar 1968 I B 56/67, BFHE 91, 521, BStBl II 68, 414; vom 1. April 1971 I B 37, 39/70, BFHE 102, 30, BStBl II 71, 529; vom 21. August 1974 I B 27/74, BFHE 113, 345, BStBl II 75, 38, und vom 27. Juli 1988 VI B 2/88, BFH/NV 1989, 190). Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der in der Hauptsache erledigte Rechtsstreit eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand hatte (BVerwG in HFR 79, 296).
So liegen die Dinge im Streitfall. Der Ausgang des Verfahrens hing nämlich ausschließlich von der Beantwortung der Rechtsfrage ab, ob bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens wegen vom Hauptzollamt geltend gemachter, aber noch nicht bestandskräftiger Rückforderung von Ausfuhrerstattungen Einheitswertbescheide wegen Ungewißheit hinsichtlich des rechtlichen Bestandes der Rückforderungsbescheide nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufig ergehen durften. Wegen dieser umstrittenen Rechtsfrage hat das Finanzgericht wegen nach seiner Auffassung vorliegender grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist der Streitwert regelmäßig nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung zu bestimmen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG). Bietet der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 6000 DM anzunehmen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG). In Anlehnung an die zuletzt bezeichnete Vorschrift ist im vorliegenden Fall ein Streitwert -- je Feststellungszeitpunkt -- von 6000 DM gerechtfertigt. Streitig war nur, ob die Feststellungsbescheide hinsichtlich bestimmter, der Höhe nach unstreitiger Schuldposten vorläufig i. S. des § 165 Abs. 1 AO 1977 ergehen durften. Der Streit ging also nicht um einen ziffernmäßig bestimmbaren Be trag (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Fe bruar 1980 IV R 154/78, BFHE 130/130, BStBl II 1980, 417, und vom 29. Juli 1987 V E 3/87, BFH/NV 1988, 182).
Fundstellen
Haufe-Index 420410 |
BFH/NV 1995, 633 |
BFH/NV 1995, 634 |